Vom Leben mit den Minis – Grösse ist eine Frage der Perspektive

Kleine Hunde sind handlich, laufen einfach so nebenher – ob sie wollen oder nicht , haben an einem kleinen Ort Platz, notfalls auch in einer Tasche, und wenn sie Leute oder andere Hunde anbellen oder anknurren, dann findet man das oft noch niedlich und zum Lachen. 

Doch wenn es kein Bellen aus Übermut und Lebensfreude ist, ist das ganz und gar nicht zum Lachen, denn auch kleine Hunde kommunizieren und wollen uns mit Bellen und Knurren etwas sagen. Wie fühlt sich wohl ein kleiner Hund, wenn er nicht ernst genommen und nur ausgelacht wird? Klein- und Kleinsthundehalter sind in erster Linie Hundehalter, auch sie müssen ihren Hund lesen können. Das ist vielfach anspruchsvoller als bei grossen Vierbeinern: Die Kleinen sind weiter unten und somit ist es schwieriger sie gut zu sehen, zudem sind sie oft sehr reaktionsschnell.

Egal wie klein der Hund ist – er ist weder Kindersatz noch Accessoire, sondern ein Hund mit all seinen hündischen Bedürfnissen. Doch gibt es einiges zu beachten, das bei den grossen Artgenossen nicht oder nicht so ausgeprägt zum Tragen kommt.

 

Erziehung – nicht so wichtig?

Damit nicht noch mehr Menschen negativ gegenüber unseren Vierbeinern eingestellt sind, ist es in der immer dichter besiedelten Schweiz, wo der Hundehalter mehr und mehr unter Beobachtung steht, wichtig, dass auch die kleinen Hunde eine Erziehung geniessen. Unerzogene Hunde gehen auch im Kleinformat auf die Nerven, ganz zu schweigen davon, dass auch kleine Hunde gerne lernen und einem gut erzogenen Hund viel mehr Freiraum gegeben werden kann. Auch ist es viel angenehmer, mit einem folgsamen Hund unterwegs zu sein und in die Ferien zu verreisen. Da Minis oft bei Mitmenschen besser ankommen als ihre grossen Kollegen, ist es umso wichtiger, die Kleinen so zu erziehen, dass sie nicht an den Menschen hochstehen. Wenn die gute Sonntagshose schmutzig ist, nützt oft auch das putzigste Hundegesicht nicht.

Auch kleine Hunde lieben es zu lernen. Viele Minis sind geradezu begeistert, wenn sie eine Aufgabe lösen dürfen und das Lob für gute Leistung einheimsen können. Besonders für etwas unsichere Hunde ist das Bewältigen von Aufgaben, denen sie gewachsen sind, ideal, um das Selbstbewusstsein zu stärken. Kleine Hunde können (fast) alles machen, was die grossen tun. Viele lieben Nasenarbeit wie Mantrailing, Trüffel suchen oder die Dummyarbeit. Sie lernen gerne Tricks und können mit Begeisterung apportieren. Dem Trend zur Kleinhundehaltung haben viele Hundeschulen Rechnung getragen und bieten spezielle Trainings in Kleinhundegruppen an.

Das Üben mit einem Mini kann Tücken haben: Wie bereits erwähnt, ist es für den Menschen nicht immer ganz einfach zu sehen, was sein Vierbeiner genau macht. Schnell lehnt man sich vor und über den Hund, was unter Umständen für den Zwerg bedrohlich wirkt und ihn zum Ausweichen veranlasst. Wenn es nicht ums Fusslaufen geht, ist es ideal, sich auf die Höhe des Vierbeiners zu begeben, indem man sich auf den Boden setzt. Gewisse Aufgaben können auch auf dem mit einer Antirutschmatte versehenen Tisch geübt werden, sofern der Vierbeiner sich in der Höhe wohlfühlt. Klappen die Übungen auf dem Tisch oder mit dem Besitzer am Boden, kann man sich in die übliche aufrechte Position begeben. In der Regel funktioniert die Umstellung ohne Probleme.

 

Heim und Garten – keine Gefahren? 

Teilt man sein Leben mit einem Kleinsthund, gibt es doch einiges zu beachten, das mit einem grösseren Vierbeiner nicht zum Tragen kommt. Offene Treppen mit rutschigem Belag können für einen Mini gefährlich werden. Schnell kann es passieren, dass der Kleine zwischen den Stufen hinunterstürzt. Vom Wind zuknallende Türen können einen kleinen Hund schwer verletzen. Herunterfallende Gegenstände erschrecken den grossen Hund, aber einen Kleinhund können diese unter Umständen ernsthaft verletzen.

Die meisten Hunde geniessen das Kuscheln mit ihren Menschen, zum Beispiel auf dem Sofa. Darf Ihr Vierbeiner auf die Couch, kann es sinnvoll sein, dem Mini eine Aufstiegshilfe anzubieten. Etwas Selbstgebasteltes oder Treppenstufen für Heimtiere, die man im Fachhandel kaufen kann, erleichtern das Erklimmen des Sofas.

Balkon oder Garten müssen so gesichert sein, dass der Mini weder abstürzen noch auf eigene Faust die Welt erkunden kann. Teiche mit steil abfallenden Uferböschungen, die verhindern, dass sich der Kleine nach einem vielleicht unfreiwilligen Bad selbstständig ins Trockene retten kann, müssen eingezäunt werden. Bedenken Sie auch, dass Welpen oder sehr kleine erwachsene Hunde für hungrige Greifvögel eine Beute sein können.

 

Sozialkontakte «giftige» Winzlinge? 

Idealerweise lernen Kleinhunde bereits als Welpe den Umgang mit grösseren Hunden. Wie bei allen Welpen ist es wichtig, dass in der Prägungsphase (circa bis zur 16. Lebenswoche) positive Erfahrungen gemacht werden, denn schlechte prägen sich in dieser Zeit sehr tief ein und sind schwierig zu korrigieren. Es ist sehr wichtig, dass der Welpe mit souveränen grossen Hunden in Kontakt kommt und somit diese Begegnungen als positiv abgespeichert werden. Den Kleinhundewelpen mit Welpen einer grösseren Rasse zusammenzulassen kann kontraproduktiv sein und den Winzling stressen; der Grössere kann je nach Temperament für den Winzling zu grob sein.

Bieten Sie Ihrem Kleinen bei Unsicherheiten Schutz an. Die Auffassung «Das regeln die schon unter sich» ist eine Unsitte, die sich leider unter Hundehaltern immer noch hält und die weder für grosse und schon gar nicht für kleine Hunde gilt. In einer Hundegruppe, die schon länger zusammenlebt, kann man bei Unstimmigkeiten unter Umständen mal abwarten und sehen, ob sich die Vierbeiner einig werden und sich die Stimmung beruhigt. Aber auch da kann es nötig sein, regulierend einzugreifen, so wie es in einem Rudel auch von souveränen, erfahrenen Tieren gemacht wird.

Scheuen Sie sich nicht, Ihren Winzling aktiv zu schützen, denn Sie sind für seine Sicherheit verantwortlich und Ihr Kleiner soll Ihnen vertrauen können. Bringen Sie Ihrem Hund bei, auf Geheiss hinter Ihnen zu gehen und schicken Sie aufdringliche Hunde, die Ihren Zwerg belästigen, mit klarer Körpersprache und bei Bedarf entsprechend scharfem Tonfall weg. Es kann auch sinnvoll sein, den Kleinen auf den Arm zu nehmen. Überfallen und erschrecken Sie ihn aber nicht mit plötzlichem Hochheben. Rufen Sie Ihren Hund zu sich und kündigen Sie diese Handlung immer mit demselben Kommando an.

Sie gehen hierbei zwar das Risiko ein, dass ein neugieriger Hund Sie anspringt und schmutzig macht, doch Ihr Hund weiss dafür, dass er sich auf Sie verlassen kann. Bedenken Sie aber, dass bei einem ernsten Angriff die Gefahr besteht, dass Sie anstatt Ihr Hund auf Ihrem Arm, gebissen werden. Hier ist gesunder Menschenverstand gefragt und es gilt das Risiko abzuwägen.

Ein Hund, der es gewohnt ist, vom Halter auf den Arm genommen zu werden, fühlt sich in der Regel sehr wohl und geborgen dort. Hat man bei einem Restaurantbesuch keine Hundetasche dabei, kann es sinnvoll sein, den Kleinen hochzuheben und auf den Schoss zu nehmen, wenn kein ruhiges, zugfreies Plätzchen vorhanden ist. Für einen Zwerg kann der Platz unter dem Tisch mit sich dauernd unberechenbar bewegenden Füssen und lauten Stimmen der Gäste alles andere als gemütlich sein. Der Hund soll im Schoss ruhig liegen, sich nicht schütteln und die Nase nicht auf den Tisch halten. So werden andere Gäste nicht gestört.

Wie Udo Gansloßer und Sophie Strodtbeck im Beitrag «Rassentypische Verhaltens- und Hormonprobleme bei Kleinhunden» im SHM 1/13 berichteten (den Beitrag können Sie auf www.hundemagazin.ch nachlesen) scheint es, dass die Kleinhunde ein Gen für Grössenwahn haben.

«(…), dass Kleinhunde bisweilen geradezu grössenwahnsinnig sind. Möglicherweise liegt die Ursache dabei schon im Erbgut selbst. Es wurde nachgewiesen, dass ein einziges Gen auf einem der Chromosomen der Hunde für die Wachstumsbremse verantwortlich ist. Das bedeutet, dass diese Genvariante eben dafür sorgt, dass kleine Hunde früher aufhören zu wachsen als grössere Rassen. Dasselbe Gen steuert auch den Persönlichkeitsfaktor Kühnheit bzw. Wagemut. (…)»

So ist anzunehmen, dass nicht unbedingt mangelnde Sozialisierung schuld daran ist, wenn sich Kleinhunde keifend auf viel grössere Artgenossen stürzen. Solche Exemplare sind nicht unerziehbar, brauchen aber vielleicht etwas länger, um gewünschtes Verhalten zu erlernen. Bevor der Kleine bei jeder Artgenossensichtung rotsieht und sich der Besitzer mit seinem Hund kaum mehr hinrauswagt, ist es sinnvoll, sich bei einem guten Hundetrainer Hilfe zu holen.

 

Klein und gross im selben Haushalt?  

Bei der Haltung von kleinen und grossen Hunden sollte vor allem anfangs das Verhalten zwischen den Vierbeinern gut beobachtet werden. Besonders wenn der Grosse sehr lebhaft oder noch jung und etwas ungeschickt ist, besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko für den Kleinen. Einfache Schubser oder Pfotenhiebe können unter Umständen für den Winzling schon gefährlich werden. Bei Rennspielen ist besondere Vorsicht geboten. Wenn sich die Grossen dabei mal anrempeln, ist das in der Regel kein Problem, aber für einen Zwerg kann das ungut ausgehen.

Oft lernen die grossen Vierbeiner schnell, sich im Spiel an den Kleinen anzupassen. Sie begeben sich dann auf Augenhöhe und legen sich zum Spielen hin. Beobachten Sie vor allem am Anfang der Beziehung, wie die beiden miteinander umgehen. Sind beide jung, kann das lustige Treiben auch mal überborden und Sie müssen eine Zwangspause erwirken. Haben sich beide Tiere im Griff, reagieren sie auch auf die Signale des Spielpartners und nehmen sich bei Bedarf selbst zurück.

Wollen Sie einen Klein- oder Kleinsthund, damit Ihr Grosser ein «Gspändli» hat, dann müssen vor allem Sie entsprechend mehr Zeit für die Erziehung einplanen, denn auch beim Zwerg und dem Riesen entsteht schnell eine Gruppendynamik. Unabhängig von der Grösse sind zwei Hunde in der Regel anspruchsvoller als einer zu führen.

 

Senioren und Kleinhund – ein Dreamteam? 

Kleinhunde bieten für Senioren viele Vorteile: Sie haben auch in einer kleinen Wohnung Platz; auch wenn der Hund mal an der Leine zieht, sind sie noch zu halten, sie fressen weniger, dadurch sind die Futterkosten etwas günstiger; bei Bedarf schafft der Senior es, seinen Hund hochzuheben und über kleine, niedliche Hunde kommt man mit Nichthundehaltern leichter ins Gespräch als über einen grossen Artgenossen.

Da es in der Natur des Älterwerdens liegt, haben viele ältere Menschen mehr Mühe sich zu bücken und auch die Feinmotorik lässt nach. So kann das An- und Ableinen des kleinen Hundes eine mühselige Sache werden. Dem Kleinen von Anfang an beizubringen beispielsweise auf eine Kiste zu springen, damit ihm das Geschirr angelegt und der Karabiner der Leine am Ring befestigt werden kann, erfreut auch den Rücken jüngerer Menschen.

Auch wenn es ein kleiner Hund für den Senior sein, ist die Auswahl der passenden Rasse beziehungsweise eines Mischlings wichtig, wobei der Charakter und das Temperament des Individuums berücksichtigt werden sollten. Terrier haben in der Regel viel Power und brauchen nebst genügend Bewegung auch viel geistige Auslastung, sonst suchen sie sich ihre «Action» selbst. Möchte man als Senior vorwiegend gemütliche, ruhige Spaziergänge unternehmen, sollte man sich einen Hund suchen, der es auch lieber gemütlich hat. Die Wünsche und Vorstellungen des Seniors müssen zum Charakter des Hundes passen. So können beide glücklich werden.

 

Die Tasche – zwingendes Equipment? 

Nicht umsonst haben auch kleine Hunde vier Beine, mit denen sie in der Regel wunderbar laufen können ‒ wenn man sie dann lässt. Doch kann eine Tasche für sehr kleine Hunde gute Dienste leisten. In öffentlichen Verkehrsmitteln fahren Hunde in der Tasche in der Regel kostenlos mit. Zudem kann ein Kleinhund beim Eilen auf den Zug auch von tierliebenden Menschen übersehen und getreten werden. Ist der Kleine an die Tasche gewöhnt, bietet diese ihm Zuflucht in stressigen Situationen, sei es beim Restaurantbesuch oder wenn er mit zur Arbeit darf. Grundsätzlich gilt es auch hier wie bei jedem anderen Hund auchabzuwägen, ob es für den Vierbeiner sinnvoll ist, ihn mitzunehmen oder ob er sich zu Hause nicht wohler fühlen würde.

Beobachten Sie Ihren Hund, wenn Sie ihn in der Tasche tragen. Wie ist seine Mimik? Schaut er die Welt gelassen von oben an? Oder sind die Ohren auf «Halbmast» und der Blick gequält? Bedenken Sie auch, dass eine Umhängetasche seitlich getragen beim schnellen Gehen hin und her schwankt wie ein Boot bei hohem Seegang. Darum ist es besser, die Tasche mit dem Hund vor sich zu tragen und mit beiden Händen zu umarmen – das gibt Halt.

 

Wenig Bewegung für kleine Hunde? 

Oft ist ein Anschaffungsargument für einen kleinen Hund, dass man nicht so oft mit ihm raus und schon gar keine grossen Spaziergänge unternehmen muss. Wer das möchte, schafft sich besser keinen Hund an – egal in welcher Grösse, denn auch der Zwerg möchte täglich die Duftmarken der Artgenossen, die Spuren der Katzen oder die Hinterlassenschaften von Wildtieren erkunden. Und je nach Rasse oder Körperbau können die Kleinen locker mit ihren grossen Artgenossen mithalten und begleiten ihre Besitzer auch gerne auf Wanderungen. Ein Hund, der nicht regelmässig die Eindrücke seiner Aussenwelt verarbeiten kann, verkümmert und wird hyperaktiv oder depressiv.

Vermeiden Sie die Überbehütung Ihres Klein- und Kleinsthundes. Lassen Sie ihn die Welt erkunden. Er soll lernen, im Rahmen seiner Möglichkeiten mit den Herausforderungen, die ein Hundeleben mit sich bringt, selbst zurechtzukommen. Dort, wo das (noch) nicht geht, kann er sich auf Sie verlassen. So steht einem glücklichen Leben als Klein- oder Kleinsthund (fast) nichts im Weg.

 

 

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

geschrieben von:
Sandra Boucek

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