Wegweiser durch den Futtermitteldschungel (Teil 2/2)

Im ersten Teil des Wegweisers beschäftigten wir uns mit den Kriterien für ein gutes Trockenfutter. Im zweiten Teil geht es um Feuchtfutter und um Ergänzungsmittel für Selbstgekochtes beziehungsweise BARF.

 

Während die Produktion von Trockenfutter einigermassen anspruchsvoll ist und teure Anlagen braucht, ist die Herstellung von Feuchtfutter in Dosen, Schalen oder Tetrapacks vergleichsweise einfach. Entsprechend häufig hat man beim Durchlesen der Zutaten auch den Eindruck, hier werde Hausmannskost für die ganze Familie gekocht, so lecker tönt das manchmal. Das ist natürlich gewollt, denn schliesslich kaufen die Menschen das Futter und nicht der Hund. Eine Ernährungsberatungskollegin, die einen Online-Futtershop führt, hatte neulich ein Dosenfutter im Sonderverkauf, das sich für mich sensationell gut anhörte und spottbillig war. Ich fragte sie danach und sie erklärte mit einem Seufzen, dass sie das Futter zum halben Preis verkaufen müsse, weil es nie ein zweites Mal gekauft würde. Es rieche sehr streng. Die Hunde liebten es zwar… Das Futter enthielt neben Fleisch allerlei Innereien, Blut und Pansen sowie Knochen. Eigentlich wirklich alles, was ein Hund braucht. Allerdings keine feinen Kräuter, keine Granatapfelkerne und keine Bio-Quinoa.

Letztlich gilt für sogenannte Komplettmenüs unter den Feuchtfuttern, egal ob sie in Dosen, Schalen oder als Würste angeboten werden, das Gleiche wie für selbst gekochte Mahlzeiten. Sie müssen in der richtigen Menge die richtigen Zutaten enthalten, damit der Hund alles bekommt, was er braucht. Sind keine Innereien enthalten, müssen die fehlenden Vitamine und Spurenelemente mindestens mit Lebertran ergänzt werden. Sind keine Knochen enthalten, gehören Eierschalen oder andere Mineralstofflieferanten hinein. Oder die Futtersorten werden wie beim Trockenfutter mit einer Vitamin- und Mineralstoffmischung ergänzt, die dann unter «Zusatzstoffe» entsprechend aufgelistet werden. Viele, vor allem neuere teure Feuchtfutter mit speziell für den Besitzer appetitlich anmutenden Rezepturen ohne zugesetzte Vitamine und Mineralstoffe erfüllen diese Bedingungen nicht und fallen deshalb bei unabhängigen Labortests mit schöner Regelmässigkeit durch – zuletzt bei der Stiftung Warentest (Nr. 03/2015, «Nur acht geben alles»). Zusammengefasst muss Feuchtfutter entweder aus den Zutaten, wie die nachfolgende Tabelle sie zeigt, zusammengesetzt sein oder entsprechende Zusätze, deklariert als Zusatzstoffe, enthalten, um ausgewogen zu sein.

 

Selber Kochen – Know-how ist nötig

Man kann Hunde mit selbst gekochten oder roh gefütterten Rationen sehr gut ernähren. Der grosse Vorteil ist der Überblick und die Kontrolle über alle Bestandteile sowie in den meisten Fällen eine bessere Qualität der Zutaten. Vor allem bei Unverträglichkeiten oder Krankheiten kann man das Hundemenü individuell an die speziellen Bedürfnisse anpassen. Viele Hundebesitzer unterschätzen aber den Aufwand, den das mit sich bringt. Es genügt nicht, Fleisch, Flocken und ab und zu mal ein paar Knochen in den Napf zu werfen. Hier finden Sie eine Tabelle der Bestandteile, die in eine ausgewogene Hundemahlzeit gehören und wie man sie ersetzen kann, wenn man die Komponenten nicht füttern kann oder will, zum Beispiel weil der Hund sie gar nicht verträgt oder die Lager- und Einkaufsmöglichkeiten fehlen. Diese Tabelle eignet sich auch als Checkliste, wenn man ein Feuchtfuttermenü, das keine zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe enthält, daraufhin überprüfen will, ob es sich wirklich von seiner Zusammensetzung her als Alleinfutter eignet.

 

Futtermittel Wichtig für Ersatz/Ergänzung
Innereien wie Leber, Niere, Milz, Herz fettlösliche Vitamine, einige Spurenelemente Lebertran für die Vitamine A und D plus Mineralstoff-Ergänzungsmittel für die Spurenelemente oder Vitamin-Mineralstoff-Ergänzungsmittel oder Flocken mit Vitaminen und Mineralstoffen
Meeresfisch Protein, Jod Seealgen oder geeignetes Mineralstoff-Ergänzungsmittel
Knochen Kalzium und Spurenelemente Eierschalen, Algenkalk, Knochenmehl oder geeignetes Mineralpulver
Muskelfleisch Proteine, Phosphor, B-Vitamine Eier, Milchprodukte, Soja-Eiweiss
frisches Gemüse Ballaststoffe, Vitamine getrocknetes Gemüse
Kohlenhydrate wie Reis und Kartoffeln Vitamine, Mineralien, Eiweiss, Energie kann beim BARFEN weggelassen werden
     

 

 

Womit Mängel ausgleichen?

In der Tabelle findet sich immer wieder ein «geeignetes Vitamin- und Mineralstoff-Ergänzungsmittel». Was heisst das und was genau ist geeignet? Hier kommt es genau darauf an, welche Komponenten ersetzt werden müssen. Damit das Produkt in sinnvoller Menge als Ergänzung gegeben werden kann, müssen zwingend die Gehalte an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen mit Mengenangaben auf der Packung stehen. Sonst sind Über- oder Unterdosierungen vorprogrammiert. Stehen aber die Analysedaten auf der Packung, schrecken viel Selberkocher oder BARFER vor dem Produkt zurück, weil sie meinen, das sei ein chemisches Präparat und deshalb ungeeignet für eine natürliche Ernährung. Meistens stimmt das so nicht, sondern es ist eine Mischung aus Mineralien natürlichen Ursprungs, allenfalls mit synthetischen Vitaminen gemischt. Es gibt keinerlei wissenschaftlich einigermassen haltbaren Hinweis, dass solche vitaminisierten Mineralpulver den Hunden schaden. Geeignet vor allem für Selberkocher sind auch vitaminisierte Flockenmischungen, die man gut mit gekochtem Fleisch oder Dosenfleisch kombinieren kann. Es gibt Futtermittelfirmen, die beides anbieten, das Dosenfleisch und die Flockenmischungen, meist dann beides vitaminisiert.

Trotzdem hält sich vor allem in BARFER-Kreisen hartnäckig die Ansicht, es brauche keinerlei Ergänzung, wenn man «natürlich» füttere. Unter «natürlich füttern» wird aber alles Mögliche verstanden. Am liebsten greifen die Befürworter auf die Beutetiere des Wolfes zurück. Sei ein Futter so oder doch ähnlich zusammengesetzt, könne gar nichts passieren und die ganze Rechnerei und Abgleicherei mit öden Bedarfswerten unnötig.

 

Das Beutetierkonzept

Der Beutetiervergleich hinkt jedoch auf allen vier Hundepfoten gleichzeitig. Mal abgesehen davon, dass einige Verfechter dieser Theorie und ihre Nachahmer keine fundierten Kenntnisse der genauen Zusammensetzung eines Kaninchens oder anderen Beutetiers haben, sind unsere Hunde definitiv keine Wölfe mehr. Ihre Lebensweise ist komplett anders, ihr Verdauungssystem hat sich in Jahrtausenden des Zusammenlebens mit den Menschen angepasst und ausserdem stellen wir an die Gesundheit und die Lebenserwartung unserer Stubenwölfe auch andere Ansprüche. Und selbst wenn wir daran glauben wollen, dass ein klassisches Beutetier die optimale Ernährung auch für unsere Hunde wäre – wir können es in den seltensten Fällen bieten und somit müssen wir uns der richtigen Hundenahrung auf andere Art annähern. Wissenschaftler haben über die Bedarfswerte von Hunden in verschiedenen Lebensphasen über Jahre Zahlen zusammengetragen. Solange wir nichts Besseres haben, plädiere ich dafür, sich daran zu halten.

Der verständliche Wunsch nach möglichst naturnaher Hundeernährung ruft auch allerlei Produkte hervor, deren Nutzen – freundlich gesagt – höchst umstritten ist. So werden derzeit immer wieder Kräuterpräparate angeboten, die als einzig notwendige Ergänzung zu wie auch immer zusammengesetzten BARF-Rationen angepriesen werden, ohne genau darauf einzugehen, was überhaupt ergänzt werden muss. Oftmals sind es Mischungen aus sehr vielen verschiedenen Kräutern, die keinerlei Nutzen in Bezug auf eine wirksame Ergänzung einer mangelhaft zusammengesetzten Futterration haben. Es gibt keine Kräuter, die genügend fettlösliche Vitamine oder Mineralien enthalten, um einen diesbezüglichen Mangel auszugleichen. Mein dringlicher Rat deshalb: Finger weg von Ergänzungsmitteln, auf denen keine detaillierten Analysedaten zu finden sind. Küchenkräuter und Rosenblätter oder Bierhefe in Milligrammdosierung bringen Hunden keinerlei erwiesenen Nutzen und können sogar schaden, wenn man sie statt eines vernünftig zusammengesetzten Mineralstoff- und Vitaminpräparats verwendet. Sind sie als Trägersubstanz und für das persönliche Wohlgefühl des Tierbesitzers zusätzlich zu nachgewiesenen Mineralstoffen und Vitaminen in dem Produkt, ist dagegen nichts einzuwenden. Möglicherweise enthalten sie ja wenigstens ein paar magenfreundliche Kräuter oder sekundäre Pflanzenstoffe, deren genaue Bedeutung für den Organismus man allerdings nicht einmal für den Menschen bisher richtig erforscht hat.

Warnen möchte ich davor, Welpen zu barfen oder selber zu bekochen, ohne den Nährstoffbedarf genau zu kennen und zu berücksichtigen. Verlässt man sich hier auf das Kräuterpulver aus dem BARF-Shop und gibt zum Beispiel zu wenig Knochen oder ein entsprechendes Mineralstoffpräparat, kann es zu Mangelerscheinungen kommen, an deren Folgen der Hund im schlimmsten Fall ein Leben lang zu leiden hat.

 

Text: Anja Marti-Jilg

Fotos: fotolia.de

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

geschrieben von:
Anja Marti-Jilg

Anja Marti-Jilg

Anja Marti-Jilg ist 1961 geboren und hegte den Wunsch nach einem Hund von Kindesbeinen an. 1997 bekam sie ihren ersten Hund, den Mischling Julia. 1998 gesellte sich ihr Mann Stefan mit Labrador Aiki dazu. Seit Juli 2010 lebt nur noch Cavalier King Charles Melvin bei dem Paar. Beruflich: journalistische Arbeiten seit den siebziger Jahren, Studium der Germanistik, Ausbildung am MAZ in Luzern, diverse Jobs in Medienarbeit und Fundraising. Seit 2014 zertifizierte Ernährungsberaterin Hund und Katze Anisanum. www.futterratgeber.ch

Ihre Meinung interessiert uns – Kommentar schreiben


Name (erforderlich)

Webseite