Mit dem Velo und Hunden um die Welt, Teil 2

Michael und Sybille Fleischmann sind seit Juni 2010 unterwegs, um per Fahrrad ferne Länder zu bereisen. Ihr Ziel: einmal um die Welt! Mit dabei: Rhodesian Ridgeback Rüde Gomolf und Mischlingshündin Diu.
Exklusiv für das Schweizer Hunde Magazin berichten die Weltenbummler von ihren Erlebnissen. Lesen Sie heute von einer Zugfahrt mit Hindernissen, dem ungeplanten Abstecher nach Wien und den ersten Eindrücken vom Donauradweg.

Text und Fotos: S. und M. Fleischmann

«Sprechen Sie deutsch oder englisch?», fragte ich hoffnungsvoll die Dame vom Fahrkartenschalter in Milevsko. Ich erntete nur ein kommentarloses Kopfschütteln und stellte mich schon darauf ein, mein Begehren pantomimisch darstellen zu müssen: Zugtickets von hier nach Brno für meinen Mann und mich, zwei Hunde und zwei Fahrräder. Schon vor drei Tagen hatten wir uns entschieden, eine Etappe mit der Eisenbahn zurückzulegen. Denn nachdem wir die Moldau überquert hatten, wird es noch bergiger – also ab zum nächsten Bahnhof.

Wir hatten uns beide auf eine gemütliche Zugfahrt gefreut, doch davon konnte keine Rede sein. Der Fahrkartenkauf war noch die kleinste Hürde. Nachdem ich angefangen hatte auf die Hunde und die Räder zu deuten, sah ein Jugendlicher von seinem Videospiel auf und fragte in fast akzentfreiem Deutsch, ob ich Hilfe bräuchte. Er übersetzte der Dame hinter dem Schalter und so hielten wir bald unsere Tickets nach Brno in den Händen. Doch wir werden drei Mal umsteigen müssen – und das mitsamt Fahrrädern, Anhängern, Hunden und Gepäck. Michael zerlegte flink meinen Anhänger und schnallte ihn auf seinen drauf, so war es schon ein bisschen kompakter.

Im ersten Zug hatten wir noch einigermassen Platz, doch als wir den zweiten sahen, fiel uns beiden die Kinnlade herunter: eine winzige Bimmelbahn mit nur einem Waggon, kaum grösser als ein Omnibus. Die Schaffnerin hätte am liebsten gleich das Signal zum Losfahren gegeben, als sie uns erblickte, doch ich begann stur, mein Rad und einen Hund in den winzigen Bereich bei der Tür zu verstauen. Als Michaels Rad, der Doppel-Anhänger und der zweite Hund drinnen waren, konnte sich keiner von uns mehr bewegen und die hinteren Zugtüren waren komplett blockiert. Beim zweiten Mal Umsteigen mussten wir den Bahnsteig wechseln – durch die Unterführung. Der Aufzug war natürlich viel zu klein, also schoben wir alles in einem Kraftakt über die Treppen. Der letzte Zug schliesslich hatte sogar einen Gepäckwagen, doch als wir gerade das erste Rad einladen wollten, kam der Schaffner daher und redete in tschechischer Sprache auf uns ein. Wir verstanden nicht, also sagte er nur: «Bags no!» Keine Taschen – nur Fahrräder. Es half alles nichts, er zwang uns, alle acht Fahrradtaschen plus Lenkertaschen und Packsäcken abzumontieren und getrennt von den Rädern unterzubringen.

Begegnungen in Tschechien

Als Krönung verpassten uns die Hunde einen Schock: Michael war auf der Toilette, als der Zug einen Stopp machte. Unsere Tiere kamen auf die Idee, ihr Herrchen zu suchen – draussen auf dem Bahnsteig! «Hierher, alle beide – aber flott!», schrie ich panisch. Glücklicherweise gehorchten sie, bevor sich die Türen schlossen.

Nach dieser Tortur fragten wir uns ehrlich, ob es nicht doch einfacher gewesen wäre, die knapp zweihundert Kilometer in ein paar Tagen selbst zu erradeln. Jedenfalls waren wir froh, Tschechien nun bald hinter uns lassen zu können. Die meisten Menschen waren zwar schon freundlich zu uns, doch an manchen Orten zeigten sie uns deutlich ihr Missfallen darüber, dass unsere Grosseltern einmal ihre Grosseltern angegriffen hatten.
In Belcice stoppten wir in einem Gasthaus auf ein Bier und einen Imbiss. Die Bedienung begrüsste uns nicht, sondern fuhr uns nur an, dass wir die Hunde anleinen sollten. Das Bier brachte sie sichtlich widerwillig, die Speisekarte gar nicht. So fuhren wir missmutig und mit leerem Magen weiter, um einen Schlafplatz zu suchen. Auf einer grossen Wiese wurden wir fündig, glücklicherweise hatten wir auch noch ein paar Nudeln und eine Dose Thunfisch im Gepäck, sodass wir uns nicht hungrig schlafen legen mussten.

Als wir am nächsten Morgen zusammenpackten, kam ein Mann daher und winkte uns freundlich zu. Wir überlegten schon, ob wir englisch sprechen sollten, um unsere Herkunft zu verbergen, doch unsere Sorgen waren ganz unbegründet. Der 65-Jährige freute sich ganz ausserordentlich, «Landsleute» zu treffen – er war Sudetendeutscher. «Mein Name: Maximilian», stellt er sich vor und lädt uns sogleich auf einen Kaffee in seinen Schrebergarten ein. In bruchstückhaftem Deutsch erzählt er uns von Vertreibung, Enteignung und Zwangsarbeit.

So wird es wieder einmal früher Nachmittag, bis wir auf unseren Fahrrädern sitzen. Nicht sehr geschickt, denn bei jeder Anstrengung erinnert uns die sengende Hitze daran, dass schönes Wetter manchmal eine Qual sein kann. Der Juli ist hier zwar angeblich der regenreichste Monat des Jahres, doch das kühle Nass lässt uns beinahe gänzlich im Stich. Vor mir baut sich der nächste Berg auf und ich bemühe mich, meine Kräfte gut einzuteilen. Der Anstieg beginnt gerade erst, da rinnt mir schon der Schweiss in die Augen. Ein Rennradfahrer überholt uns, er ist mehr als doppelt so schnell und wirft uns einen ungläubigen Seitenblick zu. Hat er richtig gesehen? Ja, er hat: In unseren Fahrradanhängern sitzen zwei Hunde und lassen sich kutschieren.

Eine blutige Vorderpfote

«Da vorne ist der Berg zu Ende», raune ich Michael atemlos zu. Ein kläglicher Versuch, ihn zu motivieren, denn gerade hier im hügeligen Tschechien lässt die nächste Steigung nicht lange auf sich warten. Dann die absolute Geduldsprobe: Gomolf, unser Rhodesian Ridgeback Rüde, wird unruhig und fängt in seinem Hänger an zu quietschen. «Was ist denn mit dem Hund?!», knurrt Michael, dem das Gequietsche wie ein Hohn erscheinen muss, schliesslich kostet es ihn all seine Kraft, das 45 Kilo schwere Tier bergauf zu ziehen. «Wahrscheinlich geht’s ihm zu langsam», versuche ich zu scherzen. Doch es ist nicht sehr lustig, denn so haben wir uns die Radreise nicht vorgestellt. Bis vor Kurzem haben wir die Hunde bergauf noch selbst laufen lassen. Doch für Gomolf, der als Rhodesian Ridgeback von Haus aus schon empfindliche Pfoten hat, war das zuviel.

Obwohl unsere Tiere nur 8 bis 10 Kilometer pro Tag gelaufen sind, hat er kurz vor Tschechien angefangen, leicht zu humpeln. Nach zwei Tagen Schonzeit im Hänger war es fast vorbei – und dann das: Eines Abends sprangen die Tiere aus ihren Gefährten und begrüssten sich zunächst gegenseitig. Wie immer freuten sie sich total, dass der andere auch noch da ist. Diu, unsere Mischlingshündin aus Indien, rannte über das Feld und forderte Gomolf zum Spielen auf. Der ignorierte Michaels Ermahnungen, langsam zu machen, jagte ihr hinterher, schrie plötzlich auf und kam winselnd zu uns zurück. Er reckte uns seine blutige rechte Vorderpfote hin – eine Kralle war halb abgerissen und stand ab.

So verbringen unsere Vierbeiner die nächsten Tage erst einmal in ihren Hängern. Die Kralle wächst natürlich nach, doch es dauert vermutlich ein paar Wochen, bis alles wieder in Ordnung ist. Diu wird auch gezogen, zum Einen aus Solidarität mit Michael, zum Anderen können wir so wesentlich sorgloser radeln und müssen nicht ständig darauf achten, dass sie schön am Strassenrand läuft. Diu quietscht zum Glück nicht in ihrem Anhänger. Meist liegt sie ruhig und entspannt drin, den Blick immer nach vorne gerichtet.

Doch manchmal wird auch ihr langweilig, dann steht sie auf oder dreht sich nervös hin und her. Das ist fahrtechnisch nicht ganz ohne, der Einradanhänger ist sowieso schon schwierig auszubalancieren. Wenn sich dann auch noch der Hund bewegt, muss ich das mit grösseren Schlenkern ausgleichen. Auch Michael hat mit diesen Problemen zu kämpfen – er hat zwar einen zweirädrigen Anhänger, doch der doppelt schwere Hund versetzt seinem Rad auch immer wieder ziemliche Schläge. Zum Glück kommt es nicht zu oft vor, meist geniesst Gomolf in aller Ruhe den Ausblick nach hinten.

Ungeplanter Abstecher nach Wien

Ein paar Tage später verlassen wir Tschechien über Hodonin nach Holic in der Slowakei. Dann nehmen wir Kurs in Richtung Österreich, denn eines vermissen wir schon jetzt nach fünf Wochen Ausland: deutschsprachigen Lesestoff. Wir freuen uns so sehr auf eine lesbare Zeitschrift, dass wir noch am selben Tag über Hohenau an der March nach Österreich einreisen. So schaffen wir unsere bisherige Tagesbestleistung von 46 Kilometern.

Weiter fahren wir über Gänserndorf nach Wien und geniessen die flache Landschaft, teilweise starken Rückenwind und durch und durch positive Kontakte mit den Menschen hier. Mit den Hunden im Anhänger und unserem vielen Gepäck ernten wir überrascht-freudige Blicke, werden oft angesprochen und mit den besten Wünschen für unsere ungewöhnliche Reise verabschiedet. Fast wie in Bayern, denken wir, wäre da nicht der freundliche, unverkennbare Dialekt. Vor allem unsere Vierbeiner ernten viel Verständnis von den Leuten. «Ist das denn nicht anstrengend für die Hunde», fragt die Bedienung in einem Café, als wir von unserer Reise erzählen. «Sicher», lachen wir, «vor allem wenn sie uns antreiben müssen, schneller zu fahren.»

Unsere Suche nach deutschsprachiger Literatur führt uns durch Hochhaussiedlungen und zweifelhafte Viertel von Wien. Aus Gründen der Sparsamkeit haben wir uns entschieden, einen Flohmarkt zu suchen – dort sollten wir für kleines Geld die grösste Menge an deutsch bedrucktem Papier bekommen. Nach einer längeren Irrfahrt erreichen wir auch den nächstgelegenen Markt, doch es ist wohl eher ein Flohmärktchen. Nur eine Handvoll Stände reihen sich aneinander – von guten Büchern fehlt jede Spur. Ein Mann erbarmt sich und sucht extra in seinem Auto. «Ich habe eigentlich nur Kochbücher…», lautete das erste Fazit. Doch dann zaubert er immerhin ein Buch über Israel hervor: Das Werk «Dieser Frieden heisst Krieg» von 1997 behandelt die politische Situation im nahen Osten. Nicht unbedingt unsere Traumlektüre nach einem anstrengenden Radltag – aber immerhin etwas. Schliesslich bringt mich der Mann noch zu einer Dame, die tatsächlich eine ganze Kiste Bücher besitzt. Gierig wühle ich zwischen Biographien der Kelly-Family, Liebesromanen und zahllosen Diät-Ratgebern. Am Ende finde ich sieben einigermassen lesbare Bücher – das alles für zwei Euro.

Hunderte von Mücken und freundliche Polizisten

Literarisch gut versorgt, schlagen wir unser Zelt auf der Donauinsel auf, inmitten von Parkbänken und Spielplätzen. Zelten ist hier natürlich verboten, doch es mangelte an Alternativen. Dummerweise war ich tagsüber zu viel in der Sonne und trank nicht genug. Mich plagen starke Kopfschmerzen und ständige Übelkeit – ein Hitzschlag. Als das Zelt endlich steht, schlüpfen Gomolf und Diu ganz schnell hinein, denn sie sind von Stechmücken übersät. Aus Mitleid lassen wir sie ausnahmsweise ins Innenzelt, werden aber schnell mit den Konsequenzen dieser Entscheidung konfrontiert: Hunderte Mücken, die vorher auf den Hunden gesessen hatten, tummelen sich nun in unserer Schlafstatt. Wir brauchen fast eine Stunde, um sie alle zu erschlagen – Naturliebe hin oder her! Es ist eine blutige Angelegenheit, da die Biester sich schon am Blut von unseren Tieren gelabt haben.

Kaum ist diese Massenhinrichtung überstanden, nähert sich ein Auto. Drei Polizisten steigen aus und nähern sich unserem Zelt. Wir begrüssen sie so freundlich, wie wir können, sind aber nicht gewillt, den Reissverschluss zu öffnen – das wäre eine Einladung für die Mücken gewesen. «Normalerweise geht man aus dem Zelt, wenn die Polizei kommt!» quittiert einer der Beamten unser Verhalten. «Ich weiss», antwortet Michael durch die Zeltwand, «aber wir haben gerade unzählige Mücken erschlagen! Bitte, meine Frau hat einen Hitzschlag, wir wollen nur eine Nacht hier schlafen», fügt er schnell hinzu. Der Polizist erklärt streng, dass das verboten sei, und fragt nach unseren Papieren. «Wir sind von München hierher geradelt, mein Ausweis ist in der Fahrradtasche, bitte sehen Sie doch einfach nach», erklärt Michael und bemüht sich, möglichst sehr bayerisch zu sprechen. Da siegt schliesslich das Mitgefühl bei unseren Besuchern. «Nein nein», antwortet der Mann. «Aber wenn uns jemand ruft, müsst ihr gehen», fügt er schnell hinzu.

Auf dem Donauradweg

«Die Mücken binden sich wahrscheinlich schon die Servietten um, wenn sie euch sehen», bemerkte am nächsten Tag ein Wiener Spaziergänger sehr treffend. Der nette Mann war so begeistert von unserem Vorhaben, dass er uns gleich mit Proviant versorgte: Er brachte eine grosse Einkaufstüte, darin befanden sich zwei kühle Bier, Wasser und Saft, ein kalter Braten, ein schönes Stück Käse und Hundefutter für Gomolf und Diu – das alles schenkte er uns. Mit diesen positiven Eindrücken verliessen wir das schöne Wien und halten uns nun auf dem Donauradweg Richtung Ungarn. Hier gibt es so gut wie keine Steigungen.

Am nächsten Tag hatten wir nicht ganz so viel Glück wie auf der Donauinsel. Wir hatten Wien bereits verlassen und radelten mitten im Grünen auf dem Flussdamm. Der Weg war nicht geteert, der Rollwiderstand auf den Steinen grösser, als uns lieb war. Die Hunde wurden immer noch im Anhänger gezogen, wir wollten nichts riskieren. Gomolfs Pfote sollte komplett verheilen, bevor er wieder viel laufen darf. Am Abend wählten wir eine ruhige Wiese als Schlafplatz und bauten unser Zelt auf. Als es gerade stand, kam ein Beamter im Geländewagen. Ohne uns zu begrüssen stellte er sachkundig fest: «Sie möchten hier zelten? Das ist nicht erlaubt, hier ist Naturschutzgebiet!» Wir hatten kein Bedürfnis, das Zelt wieder ab- und woanders nochmals aufzubauen, daher versuchten wir, ihn umzustimmen: «Es ist nur für eine Nacht, morgen fahren wir weiter. Sogar die Wiener Polizei hat uns auf der Donauinsel schlafen lassen.» «Nein, hier geht das nicht!» Der Mann blieb unnachgiebig, erklärte aber nicht, warum das Zelten hier nicht erlaubt ist. «Wir nehmen immer all unseren Müll mit», versuchte ich es noch einmal, «oft klauben wir sogar den Dreck von anderen Leuten mit auf.» Doch es half alles nichts – so blieb uns nichts anderes übrig, als abzubauen und wegzufahren.

Wir mussten eine Weile suchen, um einen neuen Schlafplatz zu finden. Möglichst abseits der Strasse sollte es sein, denn Gomolf und Diu sollten frei laufen dürfen. Optimal ist es, wenn ein Fluss, Bach oder See in der Nähe ist, das spart unglaublich viel Wasser: Die Hunde können daraus trinken, wir können unser Geschirr darin abspülen und gutes Wasser taugt auch zum Kochen. Bei trockenem Wetter können wir auch uns selbst und die Wäsche darin waschen – fast so gut wie eine schöne Dusche.

Schliesslich erspähte Michael eine Grünfläche neben dem Parkplatz eines Bürogebäudes. Nicht optimal aber in Ordnung für eine Nacht. So bewies sich wieder einmal, dass für ein Zelt und zwei Fahrräder fast überall ein Plätzchen zu finden war – diesmal sogar fast mückenfrei.

Mehr Infos unter: www.cycle-for-a-better-world.org

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

Ein Kommentar zu “Mit dem Velo und Hunden um die Welt, Teil 2

  1. Mächler Hildi

    hallo ihr welten-bummler,
    da kann man nur gratulieren, bravo……habe per zufall, das hundemagazin bei meiner tierärtztin angeschaut und mit grossem interesse eure berichte gelesen, sofort die internet-adresse ins handy geschrieben. bin nun fleissig am lesen, es ist ja schon der 22zigste bericht von eurer „tollen“ reise, die bestimmt nicht immer nur traumhaft und einfach ist, aber das ist ja das interessante am reisen. ich wünsche euch zweien mit den 2 süssen 4 beinern weiterhin alles gute, glück und vor allem gesundheit.
    freue mich auf weitere reiseberichte.
    herzliche grüsse. hildi

    Antworten

Ihre Meinung interessiert uns – Kommentar schreiben


Name (erforderlich)

Webseite