Michael und Sybille Fleischmann sind seit Juni 2010 unterwegs, um per Fahrrad ferne Länder zu bereisen. Ihr Ziel: Einmal um die Welt! Mit dabei: Rhodesian Ridgeback Rüde Gomolf und Mischlingshündin Diu. Exklusiv für das Schweizer Hunde Magazin berichten sie von ihren Erlebnissen. Heute dient der EU-Heimtierausweis zur Belustigung eines Zöllners, ausserdem muss die Strassenseite gewechselt werden: In Thailand herrscht Linksverkehr.
Text und Fotos: S. und M. Fleischmann
«Gomolf, Diu, Strasse nein, liiiiiiiinks!» rufe ich laut, als unsere Hunde das erste Mal in ihrem Leben ihre Pfoten auf thailändischen Boden setzen. Wir fahren über die Friendship Bridge, die über den Mekong führt und einen der wichtigsten Grenzübergänge zwischen Laos und Thailand bildet. Mitten auf der Brücke findet sich ein Schild und eine ungewöhnliche, x-förmige Kreuzung: Wie alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen wir hier die Strassenseite wechseln, ab jetzt herrscht für uns Linksverkehr. Die Hunde folgen uns treu zur linken Seite, driften aber wie erwartet ständig zurück nach rechts – kein Wunder, schliesslich hatten wir ihnen vom Beginn unserer Reise an eingebläut, dass sie rechts gehen sollen. Auf den restlichen paar hundert Metern der Brücke üben wir das neue Kommando; es wird aber eine Weile dauern, bis es wirklich sitzt.
Dog … passport?
Die Einreiseformalitäten in Thailand laufen ähnlich zügig und reibungslos ab wie die Ausreise aus Laos. Wie an jeder Grenze sorgen unsere Hunde für Belustigung unter den Beamten und den anderen Reisenden. Und wie immer begleitet uns eine leichte Nervosität, denn wir können nie genau wissen, ob vielleicht doch einem Zöllner einfällt, dass wir für die Hunde eigentlich noch dieses oder jenes Formular benötigen. Zunächst sieht es nicht so aus, doch als wir gerade darauf warten, dass die Visa in unsere Pässe geklebt werden, kommt ein uniformierter Beamter auf Michael zu. «Dog … passport?», fragt er ihn. Anhand seines Gesichtsausdruckes erkennen wir, dass die Frage nur halb ernst gemeint ist, doch natürlich tun wir dem Mann den Gefallen: «Of course», antwortet Michael und zückt die beiden EU-Heimtierausweise. Mit wichtiger Miene blättert unser Gegenüber darin herum, doch als er Gomolfs Foto erblickt, muss er schliesslich grinsen. Mit erstaunt-belustigter Stimme erzählt er den Umstehenden, dass die beiden Deutschen tatsächlich Ausweise für ihre Hunde haben, mit Foto, Hologrammen und vielen verschiedenen Stempeln. Dann gibt er uns die Dokumente zurück: alles in Ordnung. Schliesslich sind auch unsere Papiere fertig; wir bekommen unsere visierten und gestempelten Pässe zurück und schwingen uns auf die Räder. Das vierzehnte Land dieser Reise wartet auf uns!
Grosse Umstellung für Mensch und Tier
Die grösste Umstellung ist der Linksverkehr, nicht nur für die Hunde. Es fühlt sich seltsam an, auf der «falschen» Seite zu fahren, besonders auf Kreuzungen oder beim Losfahren. Da es nach der Grenze aber zunächst sehr lange geradeaus geht, ist genügend Zeit, um darüber nachzudenken, warum die Thais eigentlich links fahren. Im Gegensatz zu allen Nachbarländern wurden sie niemals kolonialisiert, der Linksverkehr ist also kein Andenken an eine westliche Besetzungsmacht, wie etwa bei den Indern, die dank der Briten links fahren.
Michael hat Thailand schon sehr oft bereist, weiss aber auch keine Antwort auf diese Frage. «Da schauen wir bei Gelegenheit mal nach», schlägt er vor, während sein kritischer Blick auf Gomolf ruht, der seinen Abstand zum linken Rand schon wieder gefährlich vergrössert. «Genug jetzt!», entscheide ich schliesslich, «ab mit ihnen.» Wir halten an, deuten jeweils auf die Anhänger und geben das entsprechende Kommando: «Gomolf, Diu, ab mit euch!» Heute lassen sich unsere Hunde nicht lange bitten und krabbeln routiniert in ihre Gefährte, so dass Herrchen und Frauchen sich ganz auf die Strasse konzentrieren können. Und das ist auch gut so, denn wir müssen uns auch an die vielen Nebeneffekte der neuen Perspektive gewöhnen. Zunächst sorgen die nämlich noch für Verwirrung: «Schau mal, das kleine Kind fährt das Auto», will ich Michael erschrocken zurufen, doch ich erkenne meinen Fehler rechtzeitig: Das Lenkrad ist natürlich auf der rechten Seite und das Kind sitzt auf dem Beifahrersitz. Dagegen erweist sich unsere Angewohnheit, beim Wechseln der Strassenseite zuerst nach links zu sehen, als ziemlich nützlich, denn vor allem Mopeds fahren oft am äussersten rechten Strassenrand. Das ist bei Kurzstrecken einfacher, als die belebte Strasse zwei Mal zu überqueren.
Breite Seitenstreifen und unliebsame Suppeneinlagen
Unser Weg durch Ostthailand, genauer die Isaan-Region, führt uns über einen relativ viel befahrenen, oft vierspurigen Highway, doch das Gute daran sind die breiten Seitenstreifen, die für Mopeds und Fahrräder reserviert sind. Neben uns ziehen Reisfelder und eine dünn bewaldete, grüne, flache Landschaft vorbei. Wenn sich das wohlbekannte Loch in unseren Bäuchen langsam bemerkbar macht, müssen wir nicht lange fahren. Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, etwas zu essen zu bekommen. Viele Tankstellen haben Restaurants, in denen scharf-würzige Gemüse- und Fleischeintöpfe hinter Glasvitrinen dargeboten werden, auf die wir dann nur deuten müssen. Daneben gibt es unzählige Strassenstände mit ein paar Plastikstühlen, an denen wir Reis- und Nudelgerichte mit Huhn, Meeresfrüchten oder Eiern bekommen. In grossen Töpfen kocht kräftige Fleischbrühe für Nudelsuppe, die mit klein gehacktem Fleisch und Gemüse angeboten wird. Der Geschmack ist sehr gut, doch leider finden sich oft Knochensplitter und Knorpelstücke nebst undefinierbaren Brocken in unseren Schüsseln, was mir den Genuss manchmal etwas verdirbt. Heute versuche ich deswegen, vegetarisch zu bestellen – kein einfaches Unterfangen. Das wenige Englisch, das hier gesprochen wird, reicht nicht für solche Anfragen, also versuche ich es mit Pantomime: Ich deute auf das Fleisch und schüttele nachdrücklich den Kopf, anschliessend zeige ich deutlich nickend auf Zwiebeln, Blumenkohl und Tomaten.
Leider verhält es sich in Thailand nicht anders als in den anderen Ländern, die wir bisher durchquert haben: Fleischlose Kost ist höchst unpopulär. Die Leute können sich nicht vorstellen, dass jemand freiwillig auf Fleisch verzichtet. Immerhin ist es das Teuerste am ganzen Essen, also auch das Beste. Meine kleine Pantomime-Show sorgt zwar für Unterhaltung, doch am Ende bekomme ich genau die gleiche Suppe wie mein Mann – inklusive Schwarten, Knochen und Co. Ich lehne Fleisch zwar nicht grundsätzlich ab, doch die naturbelassene Zubereitung macht mir zu schaffen und so sortiere ich geduldig die unliebsamen Stücke aus meiner Schüssel. Sehr zur Freude von Gomolf und Diu landen sie später in den Hundeschüsseln, denn unsere beiden Reisegefährten halten von fleischloser Kost genau so viel wie die Thai – nämlich gar nichts.
Internationale Schönheitsideale
Während wir essen, versucht Michael mich von meinem Misserfolg bei der Bestellung abzulenken: «Siehst du die Frau da vorne? Sie reibt ihr Gesicht mit einem Puder ein, um hellere Haut zu bekommen. Das ist das Schönheitsideal aller Asiatinnen: möglichst weisse Haut.» – «Unglaublich!», antworte ich kopfschüttelnd und verweile gedanklich ein bisschen in der Heimat, wo Menschen sich in Solarien und in der Sonne räkeln, um möglichst braun zu werden. Als ich später in einem Supermarkt das Sortiment an Kosmetika inspiziere, komme ich nicht umhin, das Ganze ein wenig absurd zu finden. Dieselben Hersteller, die in unseren Breiten Selbstbräuner und dunkel tönendes Make-up verkaufen, bieten hierzulande aufhellende und bleichende Cremes an. Genaugenommen kann man eigentlich kein Pflegeprodukt ohne «Whitening-effect» kaufen. Wir witzeln ein bisschen darüber, ob Gomolf sich wohl insgeheim auch ein schwarzes Fell wünscht und Diu davon träumt, weiss oder braun zu sein, doch solche Allüren sind wohl der menschlichen Rasse vorbehalten.
Links fahren ist gar nicht so falsch
Thailands dichte Infrastruktur kommt uns sehr gelegen: Gutes und günstiges Essen ist überall verfügbar, so dass wir unseren Campingkocher nur noch für den Morgenkaffee auspacken. Vormittags gilt unser erster Stopp oft einem kleinen Café für den zweiten Koffeinschub des Tages. Mit etwas Glück gibt es auch eine Internetverbindung und damit die Gelegenheit, das Rätsel um den Linksverkehr zu lösen. Ganz eindeutig lässt sich die Frage zwar nicht klären, aber einer Anekdote nach bekam König Chulalongkorn einst von den Engländern ein Auto geschenkt. Dieses hatte das Steuer auf der rechten Seite und gab somit den Ausschlag, das englische System zu übernehmen. Interessanterweise passt Linksverkehr aber viel besser zu uns Menschen als das Fahren auf der rechten Seite; es kann also auch sein, dass sich in Thailand einfach die historisch sinnvollere Variante etabliert hat.: Die ersten Verkehrsteilnehmer waren Ritter auf ihren Pferden. Damals wie heute gab es mehr Rechtshänder, also trugen Ritter ihr Schwert links, um es mit rechts ziehen zu können. Wollte man sich unterwegs zur Wehr setzen, befand man sich also idealerweise auf der linken Strassenseite und der Feind kam rechts daher. Das Schwert ist links, also bestieg man sein Pferd damals auch von links – und tut das noch immer. Nicht nur Pferde, auch Motorräder und natürlich unsere Drahtesel besteigen wir von der linken Seite. Auch ohne Schwert sind wir aus diesen Gründen auf der linken Strassenseite deutlich besser aufgehoben.
Beflügelt vom Koffein und wissend, dass wir gar nicht auf der falschen Seite fahren, können wir ein paar Stunden zügig in die Pedale treten. Kurz bevor unsere Motivation wieder schwindet, findet sich eine weitere Gelegenheit für einen Energieschub: ein Massagesalon. Wir gönnen uns für ein paar Euro eine schöne Fussmassage, herrlich entspannend und vitalisierend zugleich.
Die wenigen grösseren Städte, die auf unserem Weg liegen, durchqueren wir meist zügig, doch dort gibt es etwas zu kaufen, was uns das Reisen extrem vereinfacht: Trockenfutter für Gomolf und Diu.
Seit wir Kasachstan verlassen hatten, haben wir kein Hundefutter gefunden und so fütterten wir die Tiere seit mehreren Monaten mit den gleichen Dingen, die auch wir assen: Reis und Nudeln, Huhn und Schwein, manchmal Fisch, selten Gemüse. Das war paradiesisch für die Hunde, aber schwierig für unsere Reisekasse. So freuen wir uns deutlich mehr über die Verfügbarkeit von Hundefutter als Gomolf und Diu. Doch der Abend dieses Tages hatte für uns alle noch eine kulinarische Überraschung parat.
Ein kulinarisches Highlight
Wir fahren mit knurrenden Mägen in eine mittelgrosse Stadt und halten Ausschau nach einer Gelegenheit, Kalorien zu tanken. «Vielleicht gibt’s heute mal etwas Anständiges…?», verleiht Michael seiner Hoffnung Ausdruck, unsere streng asiatische Ernährungsweise einmal unterbrechen zu können. Und da sehen wir es: «Schau mal, ein Steakhouse», sagt er zu mir mit leuchtenden Augen. Schnell sind unsere Fahrräder geparkt, die Hunde instruiert, dass sie in den Hängern bleiben sollen und wir im Inneren des Restaurants. Ein paar kichernde Kellner, jede Menge Tische und ein riesiges Buffet mit Salaten, Suppen und Beilagen aller Art. Daneben eine Theke, an der T-Bone-Steaks, Schweineschnitzel und Hühnerbrust frisch gebraten wurden. Das Wasser läuft uns im Mund zusammen, aber was dürfen wir nehmen und was kostet das alles? Alle Schilder sind ausschliesslich mit thailändischen Schriftzeichen bedeckt, das Personal der englischen Sprache nicht mächtig. Sie deuten lächelnd auf die Teller und das Buffet, so langten wir einfach mal kräftig zu. Als unsere voll beladenen Teller weder gewogen noch sonst irgendwie beachtet wurden, dämmerte uns langsam, dass es tatsächlich so war, wie wir kaum zu hoffen gewagt hatten: Es handelt sich um ein All-you-can-eat-Buffet mit Pauschalpreis. Das Beste, was zwei hungrigen Reiseradlern passieren kann.
Und unsere Hunde? Es wäre irgendwie unfair gewesen, so zu schlemmen und sie dann mit Trockenfutter abzuspeisen. So wickelten wir möglichst unauffällig ein paar Steaks in Servietten ein. Trotz aller Vorsicht weiss das Personal aber schnell, was los ist, denn dass draussen in den Fahrradanhängern zwei Hunde sitzen, hat längst die Runde gemacht. Die Blicke der Kellner bleiben dennoch freundlich und wohlwollend, also machen wir bald kein Geheimnis mehr aus unserem Tun. So freut sich die halbe Belegschaft mit uns und den Hunden, als wir ihnen das Festessen servieren. Wir lassen Gomolf ein paar Fleischstücke aus der Luft fangen, was Staunen und Kichern auslöst. Und als die Hunde am Ende wieder in ihre Anhänger kriechen, gibt es sogar einen spontanen Applaus. Satt und mehr als zufrieden steigen wir auf die Räder – von links – und fahren winkend davon.
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