Mit dem Velo und Hunden um die Welt, Teil 19

Michael und Sybille Fleischmann sind seit Juni 2010 unterwegs, um per Fahrrad ferne Länder zu bereisen. Ihr Ziel: einmal um die Welt! Mit dabei: Rhodesian Ridgeback Rüde Gomolf und Mischlingshündin Diu. Heute geht es nach Luang Prabang und Vientiane, wo den Fleischmanns viel begegnet, was es sonst so gar nicht gibt: viele Touristen, gutes Essen und sogar ein bisschen Familienleben.

Text und Fotos: S. und M. Fleischmann

«Original German Bockwurst» lesen wir auf einem handgeschriebenen Schild. Wir bremsen aus voller Fahrt ab – das können wir uns unmöglich entgehen lassen. Lange genug waren wir durch die laotischen Berge geradelt, wo die Verpflegung meist quälend karg und eintönig ist, eine schöne, dicke Bockwurst erscheint uns also gerade recht als Ausgleich für all die Strapazen.

Der Anbieter dieser Köstlichkeit erweist sich als ein Ehepaar aus Ostdeutschland, das sein Glück mit einem Restaurant in Luang Prabang versucht. Dass wir zwei Hunde dabei haben, stört die Gastwirte nicht weiter, obwohl Diu typischerweise sofort den Weg zur Küche sucht. Bevor sie fündig wird, dirigieren wir sie und Gomolf auf einen Schattenplatz neben dem Tisch. Dann sind Herrchen und Frauchen dran und vertiefen sich in die Speisekarte. «Macht denn die Bockwurst richtig ‹knack›, wenn man draufbeisst?», frage ich mit leiser Ehrfurcht. «Natürlich», erklärt der Wirt lächelnd, «die bekommen wir hier von einem deutschen Metzger. Schmeckt ganz genau wie zu Hause.» Mehr wollte ich nicht hören. «Zweimal Bockwurst bitte», verkünde ich zufrieden.

Bockwurst für die Entbehrungen

Der Wirt hatte nicht zu viel versprochen, obwohl die Wurst für unseren Radler-Hunger definitiv um die Hälfte zu klein war. Auf eine andere Delikatesse des Hauses verzichten wir dagegen freiwillig: hausgemachtes Bier-Eis. Wir hatten erst vermutet, dass das ein Scherz sei – doch weit gefehlt. «Da nehmen wir einfach den Inhalt einer solchen ‹Beer Lao›-Dose», erklärt der Gastwirt bereitwillig auf unsere Nachfrage, «und das kommt dann in die Eismaschine.» Ich war schon neugierig, ob das wohl schmecke, doch für Michael lag eine solche Behandlung von Bier ausserhalb des Zumutbaren. Auch von der Wurst war er weit weniger begeistert als ich. «Sie war nur lauwarm und ausserdem ganz schön teuer», sagte er später. Vielleicht sind das auch die Gründe dafür, warum wir die einzigen Gäste im Restaurant waren. «Früher ging das Geschäft besser», hatte der Thüringer geklagt, «doch nun kommt niemand mehr. Und das obwohl immer mehr Touristen hier sind.»

Als wir halb gesättigt weiter ins Zentrum der Stadt fahren, erahnen wir, warum man hier mit handgeschriebenen Schildern und überteuertem Essen kein Geld mehr machen kann. «Wahnsinn, ich erkenne fast nichts wieder», sagte Michael kopfschüttelnd. Er war im Jahr 2003 schon einmal in Luang Prabang gewesen, seitdem träumte er davon, hierher zurückzukommen, und so schliesst sich heute endlich dieser Kreis. Dass er allerdings mit Frau, Hunden und per Fahrrad kommen würde, hätte er sich nicht träumen lassen.

Kaum wiederzuerkennen: Luang Prabang

Doch nicht nur in seinem Leben hat sich einiges verändert, auch in Luang Prabang hat sich viel getan. Von der verschlafenen Atmosphäre, die Michael mir so oft beschrieben hatte, ist nicht mehr viel zu spüren. Damals wagten sich nur wenige abenteuerlustige Reisende hierher, heute steht alles im Zeichen des Tourismus. Wenn abends der Nachtmarkt beginnt, schieben sich Besucher und Bewohner in teilweise dichtem Gedrängel zwischen den vielen Ständen hindurch. Überall Rucksackreisende oder Familien mit Kindern, Europäer, Amerikaner, Russen oder andere Asiaten. Für uns ein ganz und gar ungewöhnlicher Anblick, hatten wir doch nun seit Monaten fast nur Einheimische gesehen. Umgekehrt ist es genauso: Für die anderen Reisenden sind wir mit unseren bepackten Fahrrädern eine höchst seltsame Erscheinung, die es näher zu inspizieren gilt. Wo immer wir anhalten, sammeln sich Menschen um uns, Kameras werden gezückt und zahllose Fragen gestellt. Gomolf ist wie so oft die Hauptattraktion, während Diu die Umgebung nach Essensresten absucht. Die Fragen der Leute zeugen von ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: «Das ist ja toll, mit den Hunden zu reisen», meinen die Einen, «oh je, mit Hunden, das muss ja echt schwierig sein», die Anderen. «Ist das denn nicht unglaublich anstrengend?», fragen manche. Und wieder andere: «So lange Urlaub, wie herrlich!»

Schliesslich treibt uns der Hunger weiter, immerhin sind wir hier im Paradies. Nicht nur Bockwurst, nein, es wird alles angeboten, was der westliche Gaumen begehrt. Knusprige Baguettes, knackige Salate, leckere Schnitzel … und heute zwei riesige, saftige Pizzen. Gomolf und Diu war es unterwegs nicht viel besser ergangen als uns, so besorgt Michael vom Essensmarkt ein ganzes Brathähnchen mit Reis, das sie sich genüsslich einverleiben. «Das haben sie sich verdient», sind wir uns einig.

Nach einigen Tagen haben wir schon einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Stadt erreicht. Viele hatten über andere Leute von uns gehört oder unser Zelt am Flussufer gesehen. Dieser Schlafplatz war perfekt für uns – doch leider nicht sehr lange. Am vierten Tag werden wir von der Polizei vertrieben, alle Touristen haben in einem Hotel zu schlafen. Dass wir wegen der Hunde keins finden, interessiert sie nicht weiter.

In einer einfachen Herberge haben wir dann aber doch Glück; wir dürfen das Zelt für den Preis eines halben Zimmers im Garten aufstellen. Zwar krähen dort schon frühmorgens die Hähne direkt neben unseren Köpfen, doch es ist besser als nichts.

Weiterfahrt in die Hauptstadt – per Bus

Weitere drei Tagen darauf verspüren wir immer noch keine rechte Lust, weiterzufahren, doch eigentlich drängt die Zeit, denn unsere Aufenthaltsdauer in Laos ist auf vier Wochen begrenzt. Die Vorstellung, unter Zeitdruck durch die Berge zu fahren, gefällt uns gar nicht, also wagen wir ein Experiment: eine Busfahrt in die Hauptstadt – mit Fahrrädern, Hunden und Gepäck. Ob man uns überhaupt mitnehmen würde? Obwohl die Ticketverkäufer äusserst erstaunt sind, werden wir nicht abgewiesen. Wir zahlen etwas mehr, aber nicht einmal unverschämt viel mehr und sollen unser «Gepäck» selbst einladen. Irgendwie gelingt Michael das Kunststück, unsere Fahrräder und die Anhänger so weit zu zerlegen, dass sie im Kofferraum des Reisebusses Platz finden. Unsere Gepäcktaschen wandern hinterher – perfekt. Gomolf und Diu dürfen mit in den Bus, die Leute sind überrascht, aber niemand stört sich an ihnen, im Gegenteil. Sie bekommen ein paar Streicheleinheiten, bevor sie es sich zwischen unseren Füssen bequem machen. Wir können nur staunen, so einfach hätten wir es uns nicht vorgestellt.

In unserer ersten Nacht in Vientiane lief es dagegen nicht so gut wie bei der Anreise. Zum Glück hatten wir uns nicht die Mühe gemacht, das Zelt aufzubauen. Erst hielten wir es für einen Fehler, denn die zahlreichen Mücken schwirrten uns um die Ohren, so dass wir kaum Schlaf fanden. Wir waren abends angekommen und hatten zum Schlafen kurzerhand unsere Matten auf den breiten Steinstufen am Ufer des Mekong ausgebreitet.
Bisher hatten wir uns in Laos sehr wohl und sicher gefühlt. Die Menschen waren ruhig, friedlich und sehr freundlich. Doch in nun zeigte sich, dass es in grösseren Städten immer anders ist als draussen auf dem Land.

Brenzlige Begegnung in Vientiane

Wir wurden aus dem Halbschlaf geweckt, weil unsere kleine Diu bellte. Unwillig sahen wir uns nach der Ursache für die Störung um. Vielleicht – wie so oft – nur ein anderer Hund? Als ich nach oben blickte, sah ich dort drei Männer stehen. «Was wollen die denn?», knurrte ich unwillig. Michael folgte meinem Blick und sah wie so oft mehr als ich: «Der Eine hat ein Sturmgewehr!», flüsterte er in alarmierendem Tonfall. – «Quatsch…», murmelte ich erst unsicher, doch dann sah ich es auch. Er hielt es in der Hand, zielte zwar nicht, doch er trug es auch nicht unverbindlich am Schultergurt – definitiv ein ziemlich beunruhigender Anblick. Die Männer wirkten unschlüssig, machten dann aber Anstalten, sich zu nähern. «Gomolf, gib Laut!», zischte Michael überflüssigerweise, denn unser Grosser hatte die Leute längst erspäht, war aufgesprungen und bellte sie jetzt zusammen mit Diu laut an. «Komm, packen wir zusammen und gehen, das wird mir unheimlich», drängte mein Mann schliesslich. Zügig sammelten wir unsere Sachen ein und stopften Matten und Schlafsäcke kurzerhand in die Hundeanhänger. Gomolf und Diu hielten unsere Besucher währenddessen erfolgreich auf Abstand, da legte der Mann mit dem Gewehr plötzlich an und zielte auf die beiden. Unsere Hunde waren ziemlich unbeeindruckt und sprangen weiter im Zwielicht hin und her, so dass sie glücklicherweise ein sehr schwieriges Ziel abgaben. Bei Michael siegte nun der Ärger über die Angst. «Hey, willst du meinen Hund erschiessen?», fragte er wütend auf Englisch.

«Wenigstens können sie uns ohne Licht nicht richtig sehen», schoss es mir durch den Kopf, als zunächst niemand etwas sagte. «Gib mir Geld!», antwortete einer der Männer schliesslich, wohl die einzige englische Floskel in seinem Wortschatz. Wir gaben uns versändnislos und machten uns dann schleunigst im Schutz der Dunkelheit davon. Mit Herzklopfen schwangen wir uns auf die Räder und fuhren zunächst am Flussufer entlang, Gomolf und Diu rannten munter nebenher. In einem grossen Bogen lenkten wir wieder auf die Strasse, wo um diese Zeit kein Mensch mehr zu sehen war. Zum Glück wurden wir nicht verfolgt und suchten uns ein paar Kilometer weiter einen Platz zum Schlafen. Der Boden war furchtbar schief, so dass wir ständig auf eine Seite kullerten, doch die Hauptsache war, dass wir uns einigermassen sicher fühlten, denn es war ein grösseres Hotel in der Nähe, in dem es Wachpersonal gab. «Wie gut, dass wir unsere Hunde haben», murmelte Michael, als wir die Geschehnisse noch einmal rekapitulierten.

Obwohl wir irgendwann wieder zur Ruhe kamen, war die Stimmung am Morgen danach ziemlich gedrückt. Wir verbrachten zwei Tage damit, von einem Café ins nächste zu pilgern, später in ein Restaurant, abends in eine Bar auf ein Bier. Bei einer dieser Gelegenheiten lernten wir Richard kennen. Wie so oft begann das Gespräch mit der Frage, wie wir denn den riesigen Hund hergebracht hätten. Michael unterhielt sich eine Weile mit dem gutmütigen Neuseeländer, erzählte ihm auch von dem beängstigenden nächtlichen Besuch der bewaffneten Männer. «Wir haben ein grosses Haus hier», sagte Richard daraufhin, «wenn ihr wollt, könnt ihr gerne dort übernachten.» Wir hatten zwar für diesen Tag unsere Weiterfahrt geplant, waren aber immer noch nicht recht in Stimmung dafür, daher wechselten wir nur einen kurzen Blick und nahmen dann das Angebot dankend an.

Zu Gast bei Neuseeländern

Kurze Zeit später finden wir uns in einem wunderschönen Haus mit grossem Garten wieder. Hier leben Richard und Kate, die vor vier Monaten mit dem gemeinsamen Nachwuchs aus Neuseeland ausgewandert waren. Beide sind Umweltwissenschaftler; Kate hat eine Stelle bei der WHO bekommen. Ihr Hauptaugenmerk gilt der Verfügbarkeit und Qualität von Trinkwasser in Laos. Dass es hier extremen Nachholbedarf gibt, haben wir mit eigenen Augen gesehen.

Richard kümmert sich momentan darum, der Familie ein gemütliches Heim zu schaffen. Wegen Kates gutem Einkommen muss er nicht arbeiten – und geniesst es. Die Kinder Ana (3) und George (1) brauchen eine Weile, um ihre Scheu vor unseren Hunden zu überwinden, doch dann sind sie kaum mehr zu halten: Gomolf und Diu werden am Schwanz gezogen, schrill angeschrien und mal mehr, mal weniger zärtlich gestreichelt – zum Glück nehmen sie es gelassen. «Wir leben gerne hier», erzählt uns Richard bei einem Bier. «Wir verbringen viel Zeit mit unseren Kindern, das Leben ist nicht so stressig und auch die Menschen sind sehr gelassen. Und vor allem ist es immer warm hier.»

Auch uns gefällt es bei der sympathischen Familie so gut, dass wir gleich noch einen Tag bleiben. Wir nutzen die Zeit, um all unsere Kleidung gründlich zu waschen, denn es gibt eine Waschmaschine. Es ist ein halbautomatisches Modell, bei dem man je nach Farbe des Schmutzwassers entscheiden muss, ob man noch einmal spülen möchte. Unser Gastgeber kümmert sich darum und erklärt nach dem dritten Spülgang schmunzelnd: «Diese Kleidung ist wirklich schmutzig.» – «Na ja», antworten wir leicht beschämt, «so lohnt es sich wenigstens.»

Bevor wir die Familie verlassen, dürfen Ana und George noch eine Runde im Hundeanhänger fahren, ein Highlight für die Kleinen. Danach rollen wir vom Hof: wunderbar erholt, motiviert für die nächste Etappe – und ungemein wohlriechend.

Mehr Infos unter: www.cycle-for-a-better-world.org

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