«Nevada gibt meiner Tochter Lin die Sicherheit, die ich ihr nicht geben kann.» Diese Aussage einer Mutter ist doch eher ungewöhnlich und mag erstaunen. Nicht aber, wenn man weiss, dass das Kind eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) hat und Nevada ein ausgebildeter Autismusbegleithund ist.
Einen Meter vor der viel befahrenen Strasse legt sich die dreieinhalbjährige Hündin hin und signalisiert so dem mit einem speziellen Bauchgurt mit ihr verbundenen Kind: Hier müssen wir warten. Die sechsjährige Lin akzeptiert das problemlos, denn was ihre Freundin Nevada entscheidet, gilt. «Autistische Kinder können die Gefahr im Strassenverkehr nicht einschätzen und rennen oft plötzlich und unkontrolliert auf die Strasse», erklärt Instruktor Peter Kaufmann von der Blindenführhundeschule Allschwil. Dazu kommt, dass sich viele Kinder mit ASS nicht gerne festhalten lassen, auch nicht von ihren Eltern, es aber problemlos tolerieren, vom Hund am Weglaufen gehindert zu werden. So ist es auch bei Lin. Deswegen entfällt für Mutter Sandra, die den Hund an der Leine führt, auch der Dauerstress, ihre Tochter immer wieder zurückhalten zu müssen und dadurch bei ihr oft Geschrei und Widerstand auszulösen.
Dass die drei ein eingespieltes Team sind, spürt man auf dem ganzen Schulweg, sei es an der Bushaltestelle, wo Nevada ruhig wartet und immer wieder Blickkontakt zu ihrer Führerin Sandra sucht, beim Einsteigen in den Bus oder beim Überqueren der Strassen. Auch wenn Lin sich unterwegs von allem Möglichen ablenken lässt, so hält sie doch den Hund am speziellen Handbügel fest. Das gibt ihr zusätzlich Sicherheit, festigt die Bindung und lässt sie glauben, den Hund zu führen und für ihn verantwortlich zu sein.
Einfach nur Hund sein
Bald ist das Schulhaus erreicht und Lin im Schulzimmer verschwunden. Nun heisst es für Nevada ohne Geschirr spazieren zu gehen und einfach Hund zu sein. Und nicht nur das, denn wie jeden Mittwoch trifft sie ihre Kollegen Malek, Nilas, Lumos und Dwayne, alles Autismusbegleithunde im Alter zwischen drei und sechs Jahren. Die vier Hundehalterinnen haben sich in der Blindenführhundeschule kennengelernt, wo sie vor der Übernahme ihrer Hunde den Einführungskurs besuchten. Da sie alle in derselben Gegend wohnen, beschlossen sie, sich einmal in der Woche zu treffen, um auf einem langen Spaziergang den gemeinsamen Austausch und das Zusammensein zu pflegen, während ihre Hunde sich in vielen ausgelassenen Spielrunden austoben und so ihre sozialen Kontakte zu Artgenossen ausleben können. Diese Begegnungen sind für die Mütter und Hunde sehr wertvoll, bieten sie doch Ausgleich, Freiraum und sicher auch manch hilfreichen Tipp für den Alltag. Alle sind sich jedoch einig: Alles wurde viel einfacher, seit die Hunde bei ihnen sind. Aber was ist, kann und bewirkt eigentlich ein Autismusbegleithund?
Anker und Beschützer
In erster Linie ist er ein guter Familienhund mit einer Ausbildung, die es den Eltern eines Kindes mit ASS wieder erlauben soll, ihr Kind möglichst überallhin mitzunehmen, ohne dass es dauernd an seine Grenzen stösst. Seine Hauptaufgabe besteht darin, das Kind vor Gefahren zu schützen, aber auch ihm in Situationen, in welchen es überfordert ist, Sicherheit und Halt zu geben und es bei seinen Schwierigkeiten zu unterstützen. Und das kann bei einem Kind mit ASS fast überall sein. (…)
Den vollständigen Beitrag können Sie in der Ausgabe 8/18 lesen.