Schweizer Hunde Magazin

To chip or not to chip – Chippen oder vielleicht doch nicht?

Die Kontrolle über Tiere, die im «Umlauf» sind, ist, seit ich mich erinnern kann, ein Thema. In der Geschichte waren es immer bestimmte Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen wurden, Rassezugehörigkeit oder Besitzer, die den Menschen dazu bewogen haben, Tiere zu kennzeichnen.

Von Nadja Maurer, Referentin für Ethologie und Tierhomöopathin

Im 19. Jahrhundert wurde der tollwutfreie Hund durch ein Halsband gekennzeichnet. Später konnte beispielsweise dem gegen Tollwut geimpften Hund eine Marke ans Halsband geheftet werden, die versicherte, dass der Hund keine Tollwut hat. Später war es nur möglich, die Hundesteuer zu bezahlen, wenn der Hund geimpft war. Doch am Ende des 20. Jahrhunderts war es eine Realität, dass die Tollwut keine Gefahr mehr darstellte und somit wurde diese Impfpflicht im Zusammenhang mit der Hundesteuer aufgehoben. Und just in dieser Zeit kam der Mikrochip auf den Markt. Eigentlich gab es keinen brennenden Grund, alle Tiere mittels Mikrochip zu kennzeichnen. Im Sinne des Tierschutzes fand der Chip jedoch rasch Akzeptanz. Ein weiterer Grund schien die «Tatsache», dass der Chip oft keine offensichtlichen Probleme bereite und der sicherheitsliebende Durchschnittsbürger somit nichts zu befürchten hat.

Inzwischen gibt es Studien über gechippte Labormäuse, die «etwas länger» beobachtet wurden. (Die Lebenserwartung einer Labormaus beträgt etwa 18 bis 24 Monate.) Darin wird festgehalten, dass eine vermehrte Tumorbildung gegen Ende des Mäuselebens als «wahrscheinlich» gilt. Mehrere Studien ergeben aber auch mehrere Resultate, und somit wiederum Stimmen die aussagen, solche Studien seien nicht auf andere Tiere zu Übertragen. Dass aber unzählige Versuche an Labortieren auf Menschen und andere Tiere übertragbar sind… – dies scheint möglich. Die Wissenschaft ist sich seit ihrer «Erfindung» vor allem in einem einig: Studien so auszulegen «wie es passt» oder besser noch, dass «es passt».

Die möglichen Nebenwirkungen oder die Schädlichkeit werden vor allem aufgrund von kurzfristigen Reaktionen beschrieben. Zum Beispiel Entzündungen und Infekte rund um die Einstichstelle oder die Abkapselung eines Fremdkörpers. Diese Symptome sind nur am Anfang problematisch. Dass der Chip wandert, ist sowohl bei Hunden wie Pferden bestätigt. Was er dabei tut, weiss niemand genau, es ist individuell. Individuell wohin er wandert und entsprechend individuell sind auch die Auswirkungen.

Wie so oft gibt es keine Langzeitstudien, die den Chip als wirklich ungefährlich einstufen könnten. Dafür wird mit Zahlen bestätigt, wie viele verlorene Hunde wieder zu ihren Besitzern zurückgefunden haben, während Katzen, die noch keiner Chippflicht unterstehen, zahlenmässig weniger häufig wieder nach Hause fanden. Für mich ist dies das Pferd von hinten aufgezäumt: Es liegt schon allein in der Verhaltensnatur der Katze, allenfalls für immer zu verschwinden. Die Katze geht weniger Bindung zum Menschen ein; wenn ihr die Lebensumstände nicht zusagen, geht sie ihren eigenen Weg, sofern sie die Möglichkeit dazu hat. An dieser Tatsache ändert der Chip kaum etwas.

Diffuse Nebenwirkungen

Vor rund zehn Jahren hatte ich ein Importpferd aus Irland in Ausbildung. Dieses Pferd war sozusagen ausbildungsresistent. Wir machten alle möglichen schulmedizinischen Abklärungen ohne Ergebnisse. Dann kam mir ein kritischer Bericht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) über den Mikrochip bei Tieren in die Finger. Die unbeantworteten Fragen, die in den Raum gestellt wurden, entsprachen den Problemen, die dieses Pferd hatte. Zeitgleich bekam ich eine Importstute aus Island in die Ausbildung. Diese hatte dieselben Probleme wie ihre Kollegin aus Irland. Was ich bis zu diesem Tag nicht wusste: Die beiden Stuten waren gechippt. Bei der Isländerin waren die Probleme so stark, dass die Besitzerin den Chip entfernen wollte. Der zuständige Tierarzt musste den Chip zuerst orten. Das Lesegerät erkannte zwar, dass sich ein Chip im Pferd befand, aber es waren nur Teile des Codes zu erkennen. Der genaue Sitz des Chips konnte nicht festgestellt werden. Somit riet der Arzt von einer Entfernung ab. Die Stute zitterte während der Suche am ganzen Körper und drohte, das Bewusstsein zu verlieren, was eine weitere Suche verunmöglichte.

Der Tierarzt erzählte, dass er seinen verstorbenen Hund seziert habe, um den Chip zu finden. Er musste, ohne fündig geworden zu sein, aufgegeben …

Die «Wanderung»

1999 kam die Podenco Canario Hündin Samira aus Portugal zu uns. Sie hatte einen Chip, der von aussen sichtbar war. Samira war nicht sozialisiert, kannte keine Erziehung und so hatten wir Gewähr auf turbulente Zeiten.
Samira machte eine erschreckende Erfahrung, die auch uns relativ hilflos machte: Der Chip funkte durch das Hundefell blau, wenn sie in der Nähe des Elektrozauns der Pferdeweiden stand. Die Schmerzen waren gross und für sie nicht einzuordnen. Der Tierarzt empfahl, den Chip zu entfernen, da er gut sichtbar war. Doch bevor es dazu kam, war der Chip nicht mehr zu sehen und damit war auch das Elektrozaunproblem verschwunden. Und so verging eine Zeit, ohne dass der Chip je unangenehm aufgefallen wäre.

Im Herbst 2008 war von einer Minute zur anderen alles anders. Samira stand auf, streckte ihr linkes Vorderbein nach vorne und schrie laut und ergreifend zirka eine Minute lang. Am selben Tag wiederholte sich dieses Ereignis mehrmals, immer nach dem Aufstehen. Sie wollte nicht mehr auf ihren Platz und versuchte überall im Haus und draussen, sich zur Ruhe zu legen. Es wurde zum Alptraum. Wir fuhren notfallmässig zum Tierarzt. Sämtliche Untersuchungen waren ohne Befund, die Röntgenbilder wurden von weiteren Spezialisten beurteilt – nichts. Samira legte sich nicht mehr hin, sie schlief buchstäblich im Stehen ein. Wir konnten sie keine Minute mehr alleine lassen, und ganz entgegen ihrem sonstigen Verhalten suchte sie den Körperkontakt und wir mussten sie festhalten. Unsere Vermutung, der Chip könnte vielleicht etwas damit zu tun haben, wurde trotz guten Gesprächen mit den Tierärzten verworfen. Samira bekam zehn Tage lang Schmerzmittel und Entzündungshemmer, um vielleicht daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Leider gänzlich ohne Erfolg. Mein Drängen, den Chip zu entfernen und danach neue Entscheide zu treffen, wurde von keinem Tierarzt ernst genommen. Der nächste Schritt war, Samira mittels MRI zu untersuchen, ob sie vielleicht an einem Hirntumor leide. Nun setzte ich mich vehement zur Wehr. Erlebte ich doch selbst schon, wie das vor sich geht. Bereits in den Vorräumen muss jedes Schmuck- und Metallstück entfernt werden. Samira hatte diesen Chip im Körper, und dies sollte dann keine Gefahr darstellen? Für mich unerklärlich. Wir einigten uns darauf, zuerst den Chip zu entfernt. Sollten die Symptome weiter bestehen, könnten die vorgeschlagenen Untersuchungen gerne durchgeführt werden.

Der Chip klemmte zwischen der Schultermuskulatur. Seit dem er beseitigt wurde, hatte Samira nie wieder geschrien. Sie war ausgeglichen und nach anfänglichem Zögern auch auf ihrem alten Platz wieder zufrieden.
Bei einer Abendfütterung im September 2010 verweigerte Samira ihr Futter, frass dann doch und zirka eine Minute später schrie sie unerträglich. Schon am nächsten Tag war klar: Um Samira sinnvoll zu behandeln, brauchten wir eine Diagnose: Sie hatte eine Zusammenschnürung der Speiseröhre etwas oberhalb des Herzens. Der Grund war ein Tumor ausserhalb der Speiseröhre. Die Diagnose wurde nicht weiter bestätig. Wirklich nur ein Zufall? Samira ist es mittlerweile egal, sie hat uns am 31. Oktober 2010 verlassen und rennt bestimmt um die Wette im Hundehimmel – für mich nach wie vor schmerzliche Zeilen.

Alles nur Einzelfälle?

Laufhündin, 5 Jahre alt

Soweit gesund, sie wurde vorschriftsgemäss gechippt. Sechs Monate später hat die Hündin «Anfälle», während denen sie sich nur noch im Kreis dreht. Die Verdachtsdiagnose Hirntumor, sie wurde ohne mögliche Therapie eingeschläfert. Zufall?

Appenzeller-Mischling, 13 Jahre alt

Die Hündin hatte ein leichtes Hüftproblem und ganz appenzellerisch war sie eine gute Wächterin und Treiberin. Eine Woche nach dem Chippen wurde ich gerufen, der Hund sitze nur noch im Badezimmer, zittere und habe vor allem Möglichem Angst. Mit List konnten wir ihr einen Maulkorb überziehen, um genauere Untersuchungen zu machen: ohne Befund. Wir konnten der Hündin mit Homöopathie noch fast ein Jahr lang in ganz akuten Momenten helfen. Ihre Angst (die sie vorher nicht hatte) ging nie mehr weg. Ihre Besitzerin entschied sich schliesslich, den Hund einzuschläfern. Alles nur ein Zufall? Kann sein.

Berger des Pyrénees, 14 Jahre alt

Sie ist seit Jahren gechippt und hatte auch nie Probleme damit. Im Frühling 2010 zeigte sie jedoch merkwürdige Symptome, die an Samira erinnerten. Mitten aus dem Schlaf bekam sie Angstzustände mit Zittern und Hecheln. Am Anfang vereinzelt, jedoch nach kurzer Zeit immer häufiger und stärker. Sie suchte intensiv die Nähe der Besitzer, sprang auf Sofas, alles Dinge, die sie vorher nie gemacht hatte.
Auch hier waren alle Untersuchungen im Nichts verlaufen. Die Besitzer wollten den Chip entfernen, was vom Tierarzt mit dem Kommentar, dass dies bestimmt nicht der Grund sei, auch gemacht wurde. Und siehe da, Chip weg, Symptome weg. Der Chip hatte eine Bruchstelle. Alles nur Zufall? Seither geht es ihr trotz hohem Alter sehr gut.

Nach all diesen Zufällen gibt es keinerlei Beweise, dass der Chip generell Probleme macht. Was mich jedoch nachdenklich stimmt, ist die Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass es auch unvorhergesehene Probleme verursachen kann, wenn man «mir nichts dir nichts» einen derartigen Fremdkörper implantiert. Sei er noch so klein und steril, weder Mensch noch Tier hat in seinem biologischen oder physiologischen Programm einen Chip registriert. Wenn er was kann, dann tut er was. Und nur weil nichts bewiesen ist, heisst dies noch lange nicht das Gegenteil.

Kennzeichnung

Grundsätzlich bin ich nicht gegen eine Registrierung von Tier und Besitzer. Bisher gab es einige Möglichkeiten dafür. Von der Hundemarke, der Tätowierung, dem Heiss- und Kaltbrand (bei Pferden und Rindern) bis zum DNA-Nachweis. Es gibt Ringe (Vögel), Ohrmarken für Nutztiere und die Kennzeichnung über kleine Ohrenschnitte, die vor allem zur Kontrolle von verwilderten Strassentieren genutzt werden.

Im Vergleich dazu scheint der Chip praktisch und schmerzlos. Doch dieser «Unheimlichkeitsfaktor», von nicht sehen wo er ist und was er tut, ist ungemütlich.

Tiere, die zum Verzehr im Handel sind, werden nicht mit Mikrochip versehen. Für Strassentiere ist es sogar sinnlos, einen Chip einzusetzen. Eine kastrierte Katze mit fehlendem Ohrenspitzenteilchen wird kein zweites Mal gefangen und den Strapazen eines solchen Ereignisses ausgesetzt.

Dass wirklich weniger Hunde ausgesetzt werden, wage ich zu bezweifeln. Menschen, die so etwas tun, haben genug fragwürdige Energie, sich ihrer Tiere zu entledigen.

Dass es in Zukunft nicht nur für Hunde, sondern auch für andere Tiere obligatorisch wird, einen Chip zu implantieren, ist bedenklich. Anscheinend ist die heutige Gesellschaft durchaus bereit, nicht mehr selbstständig zu entscheiden, was gut und was schlecht ist. Einheitliche Bestimmungen sind gerade in der Schweiz sehr unpraktisch. Wie die geografischen Unterschiede in der Schweiz so sind auch die Gegebenheiten der Hundehaltung sehr verschieden.

Es ist offensichtlich, dass die Haltung von Hunden im Emmental eine andere ist als die in der Stadt Zürich. Hier im Emmental haben viele Hunde Arbeit. Sie bewachen den Hof, sie helfen mit den Weidetieren oder sie werden auf der Jagd eingesetzt. Geht hier ein Hund verloren, kennen ihn viele oder die Steuermarkennummer bringt den Vierbeiner wieder an den rechten Ort. Im Unterland gibt es andere Voraussetzungen.

Für Zuchthengste war bisher eine DNA-Registrierung Pflicht, was auch zu begrüssen ist. Doch seit einiger Zeit wird von Zuchtverbänden auch die Chipregistrierung verlangt. Doppelt gemoppelt ist wohl zuverlässiger, aber um Gottes Willen wofür genau? Die Antwort bekam ich vor der Körung einer meiner Hengste: «… was tun Sie denn, wenn er gestohlen wird?» Meine spontane Antwort lautete: «Er wird auch mit dem Chip gestohlen.»

Falls man gewillt ist, die Vision der Umsetzbarkeit flächendeckender Kontrollwerkzeuge mit grosser Datenkapazität nicht als Science fiction abzutun, müsste man den Blickwinkel etwas ändern und davon ausgehen, dass diese Technik schlussendlich für den Humanbereich gedacht ist: Zutrittskontrolle wie beim Katzentürchen, bargeldlose Einkäufe, Benutzung des öffentlichen Verkehrs (ohne Fahrkarte, Ein- und Ausstiegsorte werden registriert und vom Konto abgebucht) etc. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, müsste man die jetzigen Bestrebungen und Rechtfertigungsversuche bezüglich Chip-Obligatorium eigentlich als staatlich unterstützten, grossangelegten Tierversuch bezeichnen, der nach ein paar Jahren bestimmt diejenigen Daten liefern wird, die aus wissenschaftlicher Sicht problemlos auf die Humananwendung anwendbar sind – auch dies natürlich nur zum Wohle und zur Sicherheit der Menschen! Der Menschenhandel und die Kindsentführungen würden bereits an der nächsten Tankstelle vereitelt. Wir werden sicher und glücklich sein und lachen, wenn Grossmutter erzählt, sie habe mit zwölf Jahren im Supermarkt einen Silberlöffel gestohlen, da sie kein Geld hatte und ihrer Mutter zum Geburtstag etwas schenken wollte …

Fazit

Jede Kennzeichnung von Tieren hat Vor- und Nachteile, dazu gibt es nichts weiter zu sagen. Das Chippen beinhaltet viele ungeklärte Faktoren. Nach meiner Meinung ist einer der wichtigsten Punkte die diffusen Langzeitprobleme, die entstehen können. Diesbezüglich müssten die Verursacherstellen viel mehr Interesse zeigen, ernsthafte Studien zu betreiben, die vielleicht nicht nur Positives zeigen. Forschungen sind teuer, und stellen Sie sich vor, wie viel Geld bereits investiert wurde. Negative, nicht klar eingrenzbare Daten sind nicht willkommen. Es liegt an uns Tierbesitzern, aufmerksam zu sein und bei diffusen Verhaltens- oder Krankheitssymptomen entsprechend zu handeln. Lassen Sie sich nicht abwimmeln, wenn Sie ahnen, dass der Chip vielleicht irgendwo drückt. Als Tierbesitzer sind Sie für das Wohl Ihres Tieres verantwortlich, auch wenn es nicht immer bequem ist.