Es war schon immer schick, etwas Exklusives zu besitzen – auch in der Hundewelt, wo die neue Mode eindeutig in Richtung «Spezialfarben» tendiert.
Einen braunen oder einen schwarzen Labrador kann jeder an der Leine führen, aber eine Labi-Sonderedition in «charcoal» oder «silver» ist doch schon sehr viel spezieller. Auf einmal tauchen in den gängigen Verkaufsportalen Welpen in neuen Farben auf, wie beispielsweise Französische Bulldoggen in Blau oder Chihuahuas in Blue-Merle. Diese Hunde werden als reinrassige Tiere (ohne offizielle FCI-Papiere) angeboten, natürlich zum entsprechend überhöhten Liebhaberpreis. Verkaufstüchtige Vermehrer haben diese Spezialfarben – laut Standard wären es Fehlfarben – durch Einkreuzungen anderer Rassen «gezüchtet». Leider haben die meisten Welpenkäufer keine Ahnung, dass ihr hübscher kleiner Liebling gerade wegen seiner exklusiven Farbe ein oft gesehener Patient in der Tierklinik werden könnte.
Der Trend zu Rassehunden in exotischen Farben
Wie das obige Bild zeigt, entsteht die blaue Farbe durch den Einfluss von drei verschiedenen Genen. Leider kann jedes dieser Gene einen negativen Einfluss auf die Gesundheit ausüben:
Dilute-Gen: CDA (Haarausfall, oft mit Hautproblemen)
Merle-Gen: beim Doppel-Merle: angeborene Taubheit, missgebildete Augen, depigmentierter Nasenspiegel
Scheckungs-Gen: angeborene Taubheit, Hautprobleme
Bei den roten, schwarzen und braunen Farben sind keine nennenswerten gesundheitlichen Probleme bekannt (Ausnahme: Krallenkrebs und Alopezia X (schrittweiser Haarausfall an Hals und Rumpf)).
Das Dilute-Gen
Kelpie Taz fallen die Haare aus
Als der intelligente, witzige Taz vor acht Jahren geboren wurde, war er ein wunderschöner silberbrauner Welpe mit rötlichen Lohabzeichen. Bereits nach einigen Monaten wurde sein Fell spröde und er bekam um die Ohren erste kahle Stellen. Seither verliert Taz kontinuierlich die silberbraunen Haare, sodass sein Rücken mittlerweile beinahe kahl und empfindlich ist (Kälte, Sonne). Taz ist sehr verletzungsanfällig und der Heilungsprozess dauert überdurchschnittlich lange. Vor allem an den Ohren und der Rute leidet er oft an wunden Stellen. Sein Immunsystem ist angeschlagen und kann Infekte schlecht abwehren. Seine Krallen sind brüchig und seine Pfoten sehr empfindlich. Die Farbe von Taz ist ein verdünntes Braun mit Loh und er leidet an einer Farbmutantenalopezie (CDA = Color Dilution Alopecia).
Verdünnungs-Gen
Das Dilute-Gen (engl. dilution = Verdünnung) bewirkt eine Aufhellung der Farbintensität. Durch dieses Verdünnungsgen werden schwarze Haare zum trendigen Graublau und die braunen Haare zum beliebten Silberbraun aufgehellt. Diese Dilute-Farbe zeigt sich bereits bei der Geburt, im Gegensatz zum harmlosen Greying-Gen, bei welchem Hunde dunkel zur Welt kommen und anschliessend früh ergrauen. Das Dilute-Gen beeinflusst die Anordnung der Pigmentkörnchen innerhalb der Farbzellen und diese unregelmässig angeordneten Pigmente lassen das Haar heller erscheinen. Bei einigen Hunden bewirkt ein bis jetzt noch nicht erforschtes Gen, dass wegen dieser Farbansammlungen (den sogenannten Klumpen) das Haar brüchig wird und sehr früh für immer ausfällt.
Haarausfall bedeutet lebenslanges Leiden
CDA oder Farbmutantenalopezie heisst die gefürchtete Krankheit bei Hunden mit aufgehelltem Fell. Alopezie bedeutet Haarausfall. Interessanterweise erkranken nicht alle Hunde mit einer verdünnten Farbe – Weimaraner und Doggen scheinen keine Probleme mit CDA zu haben. Aber bei vielen anderen Rassen ist es ein Würfelspiel, ob der hübsche Welpe mit der attraktiven Spezialfarbe gesund bleibt oder ob sein Leben von Hautproblemen und Leiden überschattet wird. Die Welpen sind in der Regel völlig unauffällig, aber kein Züchter kann garantieren, dass das auch so bleibt. Denn erst nach ungefähr sechs bis zwölf Monaten (manchmal auch später) wird sich bei CDA-betroffenen Hunden die Beschaffenheit der Haare verändern. Der Glanz lässt nach, das Fell wird struppig und es können bereits erste schuppige, kahle Stellen an den Ohren beobachtet werden. Je nach Ausmass der Krankheit verlieren die betroffenen Hunde von Jahr zu Jahr mehr Haare, hauptsächlich im Bereich des Rückens, bis sie schlussendlich fast wie Nackthunde aussehen.
In schlimmen Fällen kommt es an den kahlen Stellen zu üblen, eitrigen Entzündungen mit schwerem Juckreiz. Die Krankheit heilt nie; sie schreitet immer weiter fort und die erkrankten Hunde benötigen eine intensive Hautpflege mit Spezialmitteln sowie Medikamente. Der Gedanke an ein Leben mit extremem Juckreiz ist unerträglich und viele Besitzer dieser «Special-Edition»-Farbe würden sich nie wieder einen Dilute-farbenen Hund kaufen. Das Leiden ist schlimm und es ist schwierig, die gestressten Hunde vom exzessiven Kratzen abzuhalten. Ein durch CDA haarlos gewordener Dilute-farbiger Hund muss vor Sonnenbrand (Sonnencreme) und vor Unterkühlung (Mantel) geschützt werden. Das ganze Leben lang!
Die Zucht Dilute-farbiger Hunde ist problematisch
Das Dilute-Gen ist nicht problematisch, es hellt lediglich die Farbe auf. Problematisch ist die CDA, die in Kombination mit der verdünnten Farbe auftritt. Genetiker sind seit über zehn Jahren am Forschen, aber leider ist dieses CDA auslösende Gen noch nicht gefunden worden. Da die Lebensqualität für CDA-erkrankte Hunde und deren Besitzer enorm beeinträchtigt ist, sollte die Dilute-Zucht bei betroffenen Rassen bis zum Erscheinen eines CDA-Gen-Tests vermieden werden. Verantwortungsvolle Züchter von belasteten Rassen testen ihre Zuchthunde (Farb-Gentest D-Lokus) und verpaaren ihre Hunde so, dass keine Dilute-farbigen Hunde mehr zur Welt kommen. Das Risiko ist einfach zu gross, denn wer möchte schon, dass sein pelziger Liebling kahl wird und ein Leben voller juckender Qualen führen muss?
Das Merle-Gen
Weisstiger Chili ist beinahe blind
Chili ist eine lebenslustige, fröhliche Bergamasker-Hündin aus Eltern, die leider beide merlefarbig waren. Somit ist Chili ein Doppel-Merle, ein sogenannter Weisstiger. Chilis linkes Auge ist nicht angelegt (fehlender Augapfel) und mit dem rechten sieht sie sehr schlecht. Immerhin hat sie Glück, dass sie auf beiden Ohren hört, denn ihre Schwester ist auf beiden Ohren taub. Chilis rosane Nase und Augenlider sind sehr empfindlich und müssen vor zu viel Sonne geschützt werden.
Merle-Faktor
Der Merle-Faktor hellt braunes und schwarzes Haar auf und zeichnet überaus attraktive Muster ins Fell. Merle ist keine «neue» Farbe, denn es gab schon früher in vielen Ländern merlefarbige Hütehunde. Normalerweise ist ein Hund mit nur einem Merle-Gen nicht krank. Die Zucht von Merle-Hunden ist jedoch heikel, da ein Merle-Hund zwingend mit einem Nicht-Merle-Hund verpaart werden muss. Wenn zwei Merle-Hunde miteinander verpaart werden, ist die Gefahr enorm gross, dass schwer geschädigte Welpen (durch fehlende Pigmentzellen verursachte Ohren- und Augenmissbildungen) auf die Welt kommen. In Ländern mit einer guten Tierschutzverordnung fallen Merle-x-Merle-Verpaarungen unter das Qualzuchtgesetz und sind verboten.
Sachkundige Züchter testen ihre Zuchthunde
Bei einem rötlich gefärbten Hund ist es oft schwierig zu erkennen, ob er das Merle-Gen trägt, da nur schwarzes und braunes Pigment verdünnt wird. Es gibt auch braune oder schwarze Hunde, bei welchen die Merle-Scheckung beinahe nicht erkennbar ist. Darum lässt der seriöse Züchter eine genetische Untersuchung (Farb-Gentest M-Lokus) bei all seinen Zuchthunden durchführen. So ist das Risiko der Merle-Zucht kalkulierbar und vertretbar.
Das Scheckungs-Gen
Ellie kann sich stundenlang exzessiv kratzen
Ellie ist eine ganz verschmuste, freundliche knapp dreijährige Blueline American-Staffordshire-Terrier-Hündin. Ihre Farbe ist verdünntes Schwarz (Blau) mit Weiss-Scheckung. Glücklicherweise hat sie trotz des blauen Fells keine CDA, aber Hautprobleme unter dem weissen Fell. Ellies dünnes Fell ohne Unterwolle bietet zu wenig Schutz für die unpigmentierte Haut. Ihre Haut reagiert extrem allergisch, vor allem auf Stiche. Vermutlich hat sie starken Juckreiz, denn sie kratzt sich manchmal so stark, bis sie fast blutet. Ihre rosanen Pfotenballen sind oft wund und empfindlich, sodass Ellie für den Spaziergang Schutzschuhe tragen muss.
Piebald-Gen
Das Scheckungs-Gen (oder Piebald-Gen) hat einen Einfluss auf die Verteilung der Pigmentzellen. Schecken sind vor allem bei domestizierten Tieren wie beispielsweise bei Kaninchen, Rindern, Pferden, Hunden und Katzen verbreitet. Sie haben mehr oder weniger grosse weisse, unpigmentierte Flächen auf dem Körper. Es gibt auch Extremschecken, die ganz weiss sind. Sie sollten nicht mit cremigweissen Hunden verwechselt werden, die durch eine andere, unbedenkliche Genkombination sehr hell aussehen.
Erhöhtes Taubheitsrisiko
Extreme Schecken mit einem hohen Weissanteil können auf einem oder auf beiden Ohren taub sein. Diese angeborene sensorineurale Taubheit gibt es laut dem amerikanischen Forscher Prof. George M. Strain bei über 80 Rassen. Je grösser die weissen, unpigmentierten Flächen am Kopf sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Hunde nichts hören, wobei blaue Augen das Taubheitsrisiko zusätzlich erhöhen.
Bei Rassen, bei welchen in der Zucht Wert auf möglichst durchgefärbte Köpfe gelegt wird, gibt es weniger Gehörprobleme, denn je mehr Pigmentzellen im Kopfbereich anwesend sind, desto höher ist die Chance, dass diese auch bis ins Innenohr gelangen. Fehlen im Corti-Organ die Pigmentzellen, kann das zu einer Störung der Haarzellen führen. Ohne diese Hörsensorzellen (Antennenfunktion) kann der Hund die Geräusche nicht ans Hirn übermitteln und ist taub. Verantwortungsvolle Züchter testen ihre Hunde vor dem Deckeinsatz, denn mit einseitig hörenden oder gar tauben Hunden darf nicht gezüchtet werden.
Einige Zuchtordnungen verlangen von den Züchtern, dass die Welpen vor der Abgabe auf ihr Hörvermögen getestet werden. Einseitig taube Welpen können nicht stereo hören und Mühe haben Schallquellen zu orten. Taube Hunde müssen auf keinen Fall eingeschläfert werden, denn beim richtigen Besitzer können sie durchaus ein schönes Hundeleben führen. Bei vielen weiss gescheckten Hunden ist jedoch nicht das Gehör ein grosses Problem, sondern die helle Haut.
Pigmenteinlagerungen bieten Schutz vor UV-Strahlen
Die Haut unter dem weissen Fell ist meistens rosa, das heisst nicht pigmentiert und dementsprechend empfindlich. Insbesondere an den nicht behaarten Stellen wie auf dem Nasenschwamm oder den Augenlidern bieten Pigmenteinlagerungen Schutz vor den aggressiven UV-Strahlen. So können Hunde mit einer rosafarbenen Nase auch an Sonnenbrand oder an einer Solardermatitis leiden (Sonnenschutz auftragen!).
Weisse und weiss gefleckte Hunde mit wenig Unterwolle und feinem Haar zeigen eher eine Disposition für Hautprobleme. Oft kommt es zu einer atopischen Dermatitis, einer allergischen Entzündungsreaktion, deren Ursache nicht geklärt ist. Auch hier können die Hunde stark unter Juckreiz und schuppiger Haut leiden. Ganz schlimm ist es, wenn der Hund rund um die Uhr exzessiv an seinen juckenden Pfoten leckt und knabbert, bis alles eitrig entzündet ist und selbst die Ballen in Mitleidenschaft gezogen werden.
Welpen in Sonderfarben aus unseriösen Zuchten
Solange die Nachfrage besteht, werden Welpen in Spezialfarben produziert, und dies in der Regel in nicht kontrollierten Zuchten. Meistens kommen diese Hunde aus ausländischen Welpenfarmen, wo die ausgebeuteten Zuchthunde unter tierschutzwidrigsten Umständen leiden müssen. Diese Vermehrer schrecken auch nicht davor zurück, mit CDA-betroffenen Tieren zu züchten oder fremde Rassen einzukreuzen, um auf diese Weise möglichst viele der begehrten blauen Welpen zu erhalten.
Bei modebewussten jungen Damen sind momentan merlefarbige Handtaschenhunde sehr beliebt – ein hübsch gefärbtes Accessoire, wenn möglich noch mit blauen Augen. So lange schlecht informierte Leute Unsummen für süsse Schosshunde bezahlen, werden auf dubiosen Welpenfarmen weiterhin Merle-x-Merle-Verpaarungen vorgenommen, um die Anzahl der Merle-Welpen zu erhöhen. Dass es dabei verkrüppelte Welpen geben kann, wird in Kauf genommen und die Tiere mit fehlenden oder missgebildeten Augen werden sofort getötet. Allerdings wird ein «Schnäppchenjäger» bei der Übergabe auf dem Parkplatz kaum feststellen können, ob der Kleine hört oder nicht. Oft sind die Besitzer anschliessend überfordert und die Hunde landen im Tierheim, wo sie dann zum «Ladenhüter» werden.
Wie sich Welpeninteressenten vor Fehlkäufen schützen können
Ein Hundekauf ist Vertrauenssache. Immerhin sind Sie im Begriff, für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre ein Lebewesen bei sich aufzunehmen. Als Erstes empfiehlt es sich viel zu lesen, um sich zu informieren, ob die Rasse zu Ihren Vorstellungen vom Zusammenleben und Ihrem Lebensstil passt. Wenn Sie die passende Rasse gefunden haben, dann informieren Sie sich über die Krankheiten und die möglichen Gentests dafür. Sie können auch relativ einfach über Google die in der Rasse erlaubten Fellfarben finden. Anschliessend besuchen Sie möglichst viele Züchter und erkundigen sich dabei, ob die Elterntiere genetisch auf mögliche Erbkrankheiten und Problemfarben getestet worden sind. Ein seriöser Züchter wird Ihnen sehr gerne Auskunft geben und die entsprechenden Dokumente vorlegen.
Wenn die Aufzucht stimmt, die Hunde eingebunden ins Tagesgeschehen in Haus und Garten leben, die Mutterhündin zutraulich ist und der Züchter in Kontakt bleiben möchte, dann können Sie dort unbesorgt Ihren kleinen Liebling kaufen. Aber wenn Ihr Bauchgefühl nicht stimmt, dann suchen Sie weiter. Doch kaufen Sie nie, wirklich nie, von dubiosen Anbietern, bei welchen Sie nicht ganz sicher sind, dass die Welpen von dort stammen. Auch nicht aus einem Helfergefühl heraus, denn wenn der Absatz funktioniert, dann sind die nächsten «Wühltischwelpen» bereits wieder in Produktion. Es lohnt sich nicht, beim Kauf Geld zu sparen, denn erfahrungsgemäss wird mindestens der gesparte Betrag für Tierarztrechnungen wieder ausgegeben. Ein guter Welpe kann nicht billig sein, denn das Testen der Elterntiere ist teuer und eine artgerechte Aufzucht zeitaufwendig. Aber es ist eine Investition, die sich lohnt, denn ein gesunder Welpe, dessen Sozialisation gut angebahnt ist, wird Ihnen sehr viel Freude bereiten.
Text und Bilder Eva Holderegger Walser