Von Würmern und ihren Kuren  

Es ist erfreulich, grundsätzlich zu bemerken, dass doch viele Hundebesitzer etwas kritischer geworden sind und nicht jedes «Problem» aus der Welt schaffen möchten. So glaubte ich, dies die letzten Monate aus der Haltung der Hundehalter herauszuhören. Impfungen werden überdacht, wann man sie macht oder warum man sie macht, Antibiotika werden nicht bei jeder Krankheit eingefordert, doch bei Würmern scheint jedes Hinterfragen sofort wieder vergessen …

 

Der Junghund hat Durchfall, da greift man sofort zur Wurmkur. Er hustet etwas länger, da denkt man sofort an einen Lungenwurm. Man geht gerne ans Meer in die Ferien und schon weiss man, überall lauern Gefahren in Form von Würmern. Die Lösung sind Wurmkuren, vorher, nachher oder allgemein ganz regelmässig. Schliesslich hat man Kinder oder einen Therapiehund, der Hund ist in der «Hundehüeti», in der Gruppe zu Besuch und … Ja, Sie erahnen es schon: Überall lauern sie – die Würmer. Die Meinung ist stark verbreitet, dass

 

  • Würmer hoch ansteckend sind.
  • Würmer Zoonosen sind (vom Tier auf den Menschen übertragbar).
  • der Hund ein grosses Gesundheitsrisiko darstellt.
  • der Hund selbst in grosser Gefahr ist.
  • Wurmkuren präventiv wirksam sind.
  • Wurmkuren therapeutisch wirken.

 

Hunde sind häufig von verschiedenen Faden- und Bandwürmern befallen, so ist es bei Wikipedia nachzulesen. Der European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (ESCCAP), die europäische Vereinigung der Fachleute für Parasiten beim Hund, empfiehlt folgendes Entwurmungsschema, wenn kein erhöhtes Ansteckungsrisiko vorliegt:

 

  • Welpen: alle zwei Wochen bis zwei beziehungsweise drei Wochen nach dem Absetzen.
  • Erwachsene Tiere: etwa viermal im Jahr.

 

Dabei werden bei Welpen zumeist Mittel gegen Fadenwürmer und insbesondere gegen Spulwürmer verabreicht. Bei älteren Tieren wird auch eine prophylaktische Behandlung gegen Bandwürmer empfohlen. Für die gleichzeitige Behandlung stehen Kombinationspräparate zur Verfügung. In mehreren Staaten, die bislang frei vom Fuchsbandwurm sind oder von denen dies vermutet wird, bestehen Beschränkungen für die Einfuhr von Tieren, die potenzielle Träger einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm sind. Grossbritannien, Irland, Malta, Norwegen, Schweden und Finnland verlangen beim Grenzübertritt mit Heimtieren wie Hunden oder Hauskatzen eine Bescheinigung über eine kürzlich durchgeführte Entwurmung. Diese Regelungen stehen im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union.

 

Kritische Betrachtung

Meinungen und Tatsachen sind nie die ganze Wahrheit. Meiner Meinung nach müssten die Hundebesitzer besser aufgeklärt werden. Besser heisst: kritische Überprüfung/Aufklärung, ob ein Hund überhaupt Parasiten hat oder nicht. Dann sollte der allgemeine Gesundheitszustand sowohl abgeklärt als auch richtig interpretiert werden. Fragen dazu kann sich jeder Hundebesitzer selbst stellen, zum Beispiel: Woher stammt der Hund? Ist er kürzlich aus einer seriösen Zucht ins neue Heim gekommen oder hatte der Hund eine lange Reise (eventuell Stress)? Ist er aus einem Tierheim oder weiss man nichts von seiner Herkunft? Nicht jeder Strassenhund ist ein übler Parasitenträger und nicht jeder Hund aus dem Ausland ist potenziell infiziert. Ein «Wohlstandshund» kann genauso Träger oder Nicht-Träger von Parasiten sein. Grundsätzlich entscheidet der gesunde Wirt, in unserem Fall der gesunde Hund, ob er genug Abwehrkräfte hat, um mit der Wurmbürde, die er hat oder nicht hat, umzugehen.

 

Entwurmungsschemen, wie sie allgemein vorgeschlagen werden, können eine echte Gesundheitsgefährdung darstellen. Die Empfehlung der ESCCAP bezieht sich auf ein «nicht erhöhtes Ansteckungsrisiko». Was wird dann empfohlen, wenn tatsächlich eine Hundepopulation darunter leidet, dass der Gesundheitszustand desolat ist und somit in jedem Fall das Ansteckungsrisiko erhöht ist?

 

Es ist mir ein Rätsel, wie sich ein Wirtstier erholen soll, wenn durch eine sogenannte Wurmkur (Anthelminthikum) immer wieder jeder sinnvolle und lebenswichtige Bakterienaufbau der Darmflora unterbrochen wird oder wie die Leberfunktion ohne Schaden davonkommen soll. Wie soll das Immunsystem ein normales «Wettrüsten» mit dem Parasit lernen, wenn dieser grundsätzlich gleich wieder vergiftet wird, falls er überhaupt wieder Fuss fassen könnte? Das Immunsystem wird überfordert und seine Aufgabe, den Parasiten zum Ausweichen zu zwingen wird es nicht mehr erfüllen können. Im Gegenteil: Es richtet sich mit überschiessenden Reaktionen, die wir dann als Allergie wahrnehmen, gegen sich selbst.

 

Die Empfehlung, einen Welpen im Abstand von zwei Wochen zu «entwurmen», sehe ich als risikoerhöhend für chronische Erkrankungen. Dass Welpen eher oder oft Würmer haben, ist eine normale Tatsache. Normal insofern, als dass der Parasit zu einem vielseitigen und starken Immunsystem führt, damit das Wirtstier seiner Umgebung entsprechende Abwehrmechanismen aufbaut, seine Parasiten zu Symbionten führt und entsprechend ein gesundes Milieu bildet. Das heisst ein gesundes inneres Milieu wird dafür sorgen, dass kein Parasit sich so stark ausbreitet, dass er das Wirtstier tötet. Natürlich ist dieser Aufbau ein komplexes Geschehen und muss unterstützt werden, wenn eine Wurmbürde zu gross wird. «Zu gross» heisst nicht Zahlen wie «viele», sondern ob der Welpe gesund bleibt dabei oder ob er zu wenig eigenständige Aufbauenergie besitzt. Im Laufe ihres Lebens bilden Hunde (wie jedes Säugetier) eine natürliche Immunität gegen Magen-Darmparasiten. Dass erwachsene Hunde so viele Würmer haben, dass man sie generell viermal im Jahr entwurmt, finde ich sehr fragwürdig. Ein erwachsener Hund sollte eigentlich gar keine Würmer mehr haben, respektive wenn er welche hat, geht es darum, den Organismus zu unterstützen und nur im Notfall mit Anthelminthika einzugreifen, denn eine absolute Endoparasitenfreiheit (zum Beispiel keine Würmer oder Wurmeier) anzustreben, ist sinnlos und zerstörerisch für das innere Milieu des Hundes. Den Hundebesitzer sollte die toxische Wirkung der Antiparasitika interessieren und nicht nur der Preis der Wurmkuren.

 

Schematische Entwurmung 

Schematische Entwurmung bedeutet, es werden keine Lebenszyklen der Parasiten berücksichtigt und die für den Parasit begünstigenden Haltungsbedingungen verändert. Anders ausgedrückt, egal wie der Hund lebt und von welchen Würmern er befallen ist, es wird in regelmässigen Abständen «blind» entwurmt. Dabei werden mögliche Nebenwirkungen gar nicht erst thematisiert. Irrationale Ängste werden geschürt und aus marktstrategischen Gründen aufrechterhalten. Aufklärung tut Not! Denn mögliche Nebenwirkungen, wenn das Entwurmungsschema gedankenlos eingesetzt wird, sind doch gross. Bekannte Langzeitschäden beim Wirtstier sind zum Beispiel neurologische Schäden und Allergiebereitschaft. Beim Parasiten ist die Resistenzbildung schon lange bekannt. Anstatt immer wieder andere giftige Zusammensetzungen zu erfinden, können hier auch vom Tierarzt oder einer anderen Fachperson gesundheitsunterstützende Massnahmen angeboten werden. Der irreführende Ausdruck «Wurmkur» bedeutet für viele Tierhalter, etwas Gutes für seinen Hund zu tun. Doch um einen zukünftigen Parasitenbefall zu verhindern, sind diese «Giftkuren» eben giftig und alles andere als vorbeugende Unterstützung. Das Ziel ist, schematisch eine Wurmfreiheit anzustreben, die eigentlich nur unter Laborbedingungen möglich ist oder bei einer ausschliesslichen Wohnungshaltung ohne Gassigänge – und das ist ja wohl kein anzustrebendes Haltungssystem.

 

Sinnvolles Entwurmen

Es steht ausser Diskussion, dass bei hochgradiger Verwurmung mit Endoparasiten (Magen-Darm-, Lungen- oder Herzwürmern) auch mit Anthelminthika behandelt werden soll. Bevor ein Tier durch Parasiten in Lebensgefahr gerät, sollte jedoch eine selektive Entwurmung in Angriff genommen werden, denn das unüberlegte Entwurmungsschema führt zu einer weltweit bedrohlichen Multiresistenz. Diese betrifft jede domestizierte Art, also letztendlich auch den Menschen. Selektives Entwurmen wird bei Pferden seit vielen Jahren durchgeführt, das heisst jedes Tier wird individuell untersucht (Kotproben und/oder Blutentnahmen), die aufzeigen, welche Parasitenarten allenfalls stärker als durch eine geringgradige Anzahl von Eiern vorhanden sind. Wenn ein Parasit überhandnimmt, kann er lebensbedrohlich werden. Um dies zu verhindern kann selektiv, das heisst auf den bestimmten Parasiten zugeschnitten, entwurmt werden, auch mit herkömmlichen, auf dem Markt erhältlichen Anthelminthika. Wichtig dabei ist die richtige Anwendung. Anwendungsfehler sind mitverantwortlich, dass ähnlich wie Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, die Parasiten sich ohne Hindernisse anpassen und vermehren können.

 

Anwendungsfehler

Durch Anwendungsfehler entstehen Resistenzen gegen Anthelminthika, die letztendlich meist erst sehr spät bemerkt werden. Gegen bestimmte Benzimidazole und Avermectine sind Resistenzen bereits bekannt. Anwendungsfehler sind:

 

  • häufiges Entwurmen (zum Beispiel alle paar Wochen) ohne Nachweis von Parasitenarten.
  • Entwurmen ohne spätere Erfolgskontrolle.
  • Entwurmen mit dem Ziel Parasitenfreiheit.
  • keine Nachsorge des Wirtstiers, Aufbau einer gesunden Darmflora.

 

Es ist längst nachgewiesen, dass fehlende Parasiten das Immunsystem schwächen und nicht, wie noch vor 20 Jahren gepredigt wurde, eine übermässige Hygiene zu Infektverminderung führt.

 

Gut zu wissen!

  • Nicht der Wirt ist resistent gegen Würmer, sondern die Würmer sind resistent gegen Anthelminthika. Das ist wichtig, denn auch eine Umgebung/Population kann mit resistenten Parasiten in Kontakt sein.
  • Synthetisch hergestellte Wurmmittel haben keine prophylaktische Wirkung, das Wort «Wurmkur» suggeriert hier etwas Falsches.
  • Eine erfolgreiche Parasitenkontrolle bedeutet die Lebenszyklen zu kennen, um Erfolgskontrollen durchzuführen.
  • Selektive Entwurmung ist die bessere Kontrolle und verhindert Resistenzen.

 

Darmgesundheit

Um die Darmgesundheit zu unterstützen gibt es zahlreiche Möglichkeiten und Mischungen aus der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Damit der Parasit keine Resistenz entwickelt, können von Fachpersonen Mischungen verändert werden. Pflanzen werden seit Jahrmillionen ebenfalls von Parasiten befallen und haben entsprechende Strategien entwickelt, nicht gegen den Parasiten zu kämpfen, sondern mit ihm zu leben. Das wiederum heisst, er kann sich nicht ohne Weiteres schädlich vermehren, sondern die Anwesenheit stärkt das jeweilige Immunsystem, indem die gegenseitige Existenz ein Balanceakt wird und die Evolution antreibt. Die sogenannte Koevolution findet statt, beide Existenzen brauchen einander, um gesund und vital zu sein, um sich zu vermehren. Diese Inhaltsstoffe sind keine «Entwurmungsmittel», sondern bestärken das innere Milieu des Hundes und dies heisst ein gestärktes Immunsystem. Der Balanceakt zwischen Hund und Parasit ist hergestellt.

Die vitale Ernährung, ein guter Lebenswandel, viel Bewegung, viel Freiheit und genug Ruhezeiten sind beste Voraussetzungen, um mit einer notwendigen kleinen oder grösseren Anzahl Parasiten umzugehen. Jede therapeutische Unterstützung kann bedeuten, weniger Anthelminthika zu benutzen.

 

Aus der Geschichte

In der tiermedizinischen Geschichte trifft man auf allerlei antiparasitäre Arzneipflanzen. Zum Beispiel wird Artemisa cina gegen Spulwürmer genannt oder Dryopteris filix mas gegen Bandwürmer. Das Färbemittel Kamala wurde gegen Bandwürmer in Asien, Äthiopien, Phillipinen, Südarabien und Neuginea mit Erfolg eingesetzt. Kurkuma, Ingwer und Esparsette sind wieder aktuell geworden, genauso die wurmwidrigen Karotten, der Meerrettich, der Knoblauch oder der Schwarzkümmel. Diese Arzneipflanzen sind sehr wirksam und haben sich bestens bewährt, jedoch Vorsicht! Bitte nun nicht gleich in die nächste Drogerie rennen und sich damit eindecken, respektive den Hund damit füttern. Auch hier empfiehlt es sich unbedingt eine ausgebildete Fachperson zu fragen und die Verabreichung individuell anzupassen. Ebenfalls ist in der tiermedizinischen Literatur die homöopathische Anwendung gegen bestimmte Parasiten zu finden.

 

Wichtig: Bei pflanzlichen oder homöopathischen Anwendungen geht es nicht darum, den Parasit auszurotten, sondern das Wirtstier – den Hund – zu stärken und ein intaktes, reaktionsfähiges Immunsystem zu entwickeln und zu erhalten. Ein gesunder Hund bedeutet eine gesunde Reaktion, dann bleiben die Parasiten unter Kontrolle.

 

Text: Nadja Mauer

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geschrieben von:
Nadja Maurer

Nadja Maurer

Nadja Maurer ist seit 1998 praktizierende Tierhomöopathin SHS/BTS und seit 2003 als Referentin für Ethologie und Tierhomöopathie an verschiedenen Institutionen tätig; Schwerpunkt Pferd, Hund und Katze. Sie führt Einzelberatungen in Haltung und im Umgang mit Tieren durch. Zudem leitet sie Seminare zum Thema «Körperarbeit mit Gross- und Kleintieren». Seit ihrer Geburt ist sie umgeben von Katzen, Hunden und Pferden.

Ein Kommentar zu “Von Würmern und ihren Kuren  

  1. Jens

    Hallo Frau Maurer,
    wir hatten eine Labrodor-Schäferhündin-Mix. Wir hatten den Wurbefall zu spät bemerkt. Schnell zum Tierarzt und die chemische Keule. Danach unheimlichen Durchfall. Laut den Nebenwirkungen alles in Ordnung. Die Hündin hatte es überstanden. War aber nicht so schön. 🙁
    Danach immer natürliche Mittel wie Kokosöl usw. gegeben. Das klappte super.

    Viele Liebe Grüße
    Jens

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