Mit dem Velo und Hunden um die Welt, Teil 18

Michael und Sybille Fleischmann sind seit Juni 2010 unterwegs, um per Fahrrad ferne Länder zu bereisen. Ihr Ziel: Einmal um die Welt! Mit dabei: Rhodesian Ridgeback Rüde Gomolf und Mischlingshündin Diu. Sie bereitet den Radlern wegen einer äusserst unangenehmen Vorliebe in Laos einige Probleme. Als Wachhund für ein eigenes Häuschen in diesem Land würde sie sich trotzdem gut eignen.

Text und Fotos: S. und M. Fleischmann

Die Blätter der Bäume am Strassenrand waren ganz braun und hingen schlaff herunter. Das lag aber nicht etwa an der Trockenheit, nein, es gab mehr als genug Wasser hier in den laotischen Bergen. Das kühle Nass sprudelt klar und frisch aus zahlreichen Quellen direkt aus dem Hang. Jedes Dorf hat eine Wasserstelle – meist gebaut von Hilfsorganisationen –, in denen auch wir bedenkenlos unsere Trinkflaschen auffüllen konnten.

Die Blätter der Palmen und Farne waren grau und braun, da sie dick mit Staub von der Strasse bedeckt waren. Uns und den Hunden ging es da nicht viel besser: Die Asphaltdecke war teilweise über mehrere Kilometer aufgerissen worden und hatte Staub, grossen Steinen und tiefen Schlaglöchern Platz gemacht. Jedes Fahrzeug wirbelte im Vorbeifahren eine dichte Wolke feinen Staubes auf, der in den Augen brannte, im Rachen kratzte und sich als graue Schicht auf Fahrrädern, Kleidung, Gepäck und Hunden festsetzte. Abends juckte unsere Haut, wir fühlten uns schmutzig und sehnten uns nach einer schönen Dusche oder richtig frischer Kleidung. Manchmal hatten wir die Gelegenheit, im Fluss eine Abkühlung zu nehmen – besser als nichts.

Harte Zeiten für Mensch, Tier und Material

Hinter uns lag eine sehr enttäuschende Abfahrt. Nach einem eineinhalbtägigen Anstieg sehnten sich unsere Radlerherzen danach, mindestens zwei Stunden lang bergab zu rollen. Morgens hatten wir noch voller Vorfreude das Zelt abgebaut, wir befanden uns auf dem Plateau eines Berges mit herrlichem Ausblick. Als wir – wie immer zur Mittagszeit – endlich losfuhren, ging es tatsächlich zunächst ein paar Meter bergab. Dann wieder ein Stück bergauf. Kurz bergab, bergauf… Drei Kilometer runter, einen hoch. Zum Verzweifeln! Wir mussten in jeder Senke anhalten, die Hunde aus dem Anhänger rauslassen, runterschalten, schwitzen und mit voller Kraft treten. Auf den Kuppen dasselbe Spiel, nur umgekehrt. Als wir dachten, schlimmer könne es kaum werden, hörte plötzlich der Asphalt auf.

Tatsächlich gab es ständig Stücke mit grossen Steinen und Staub statt Strassenbelag, und zwar vorwiegend in Senken. Das war zwar logisch, da sich dort bei starken Regengüssen das Wasser sammelt und dem Teer zusetzt, doch zugleich war es extrem ärgerlich, denn es zwang uns, aus voller Geschwindigkeit herunterzubremsen, wenn wir nicht unsere Fahrräder ruinieren wollten. Der kostbare Schwung ging komplett verloren und bei jedem Knacken und Krachen drang die Sorge ums Material unangenehm ins Bewusstsein.

Herzerfrischende Bergdörfer

Was uns in dieser Gegend von Laos besonders ins Auge fiel, war Staub. Überall hinein. In der Regenzeit dürfte es Schlamm sein, aber der knirscht wenigstens nicht zwischen den Zähnen. Doch bevor unsere Zuneigung zum Land einstaubte, durchquerten wir immer noch rechtzeitig eines der herzerfrischenden kleinen Bergdörfer. Hier spielt sich das pure Leben ab: Winkende Kinder mit verfilzten Haaren rennen barfüssig herum, Schweine durchsuchen mit ihren Ferkeln grunzend die Umgebung, Hühner ergreifen gackernd die Flucht, Enten watscheln mit ihren Jungen zwischen den Holz- und Lehmhäusern umher – und natürlich bellen die Hunde, wo immer wir auftauchen. Unsere Diu musste übrigens seit ein paar Tagen immer an die Leine, wenn so eine Ansiedlung auftauchte. Denn es gab da etwas, was wir Ihnen, liebe Leser, bisher verschwiegen haben, doch nun ist Zeit für ein Geständnis: Die süsse kleine Diu ist ein Hühnermörder. Genaugenommen jagt sie sämtliches Federvieh, nur hat sie bei den Hühnern am meisten Erfolg, da die gackernden, wild flatternden Tiere leider oft zu langsam sind. Vielleicht tut sie es aus purem Spass, vielleicht auch in Gedenken an die grossen Krähen, von denen sie als Welpe oft geärgert wurde. Die waren damals in Indien so frech und zahlreich, dass wir teilweise befürchteten, sie könnten unser kleines Hündchen davontragen.

Dius geheime Vorlieben

Jedenfalls sind die Hühner eine schwer therapierbare und, besonders hier in Asien, problematische Vorliebe. Ein paar wenige dieser Begegnungen kosteten das Geflügel das Leben und uns eine Menge Ärger und Geld. Ich wage nur davon zu erzählen, da wir drauf und dran waren, das Problem in den Griff zu bekommen, was zum Teil unserer Erziehung, zum Teil einem äusserst sportlichen Hühnchen in China zu verdanken war.

Wir waren dem Speed-Huhn in der Yunnan-Provinz begegnet und Diu hatte es nicht lassen können, es eine Weile zu jagen. Allerdings war der vermutlich ausgeruhte Vogel viel besser in Form als unser Hund, der schon gut fünfzehn Kilometer gelaufen war. Die grosse Nachmittagshitze und unser Schimpfen taten ihr Übriges, so dass Diu, das erste Mal in ihrer Karriere als Jägerin, die Lust verlor. Seitdem konnten wir sie eigentlich auch ohne Leine davon abhalten, Hühner zu jagen. Ein wirklich grosser Erfolg, mit dem wir nie gerechnet hätten und der, beinahe ungebrochen, bis heute anhält. Leider nur beinahe.

Hoffnung trotz Rückfall

Ich kann zu Dius Verteidigung nur anführen, dass dem Hühnerküken nichts passiert wäre, wenn es einfach am Strassenrand stehengeblieben wäre, anstatt unserer Hündin direkt vor die Schnauze zu laufen. Man könnte fast von Nötigung zum Totschlag sprechen. Diu musste nur kurz zuschnappen und das flauschige Ding blieb reglos liegen. Danach verlor unser Hund, wie immer, sofort das Interesse daran, was unseren Groll nur erhöhte, denn so ist es ein völlig sinnloser Mord. Nach einer Schimpftirade sahen wir uns um und entdeckten einen Einheimischen, der uns und das tote Küken belustigt ansah. Um unser Gewissen zu beruhigen drückten wir dem völlig überraschten Mann ein paar Geldscheine in die Hand, die den Wert des Kükens sicher überstiegen, und suchten dann schnell das Weite, bevor irgendwem einfiel, dass wir Ausländer sind, denen man viel mehr abknöpfen könnte. Im Schlepptau hatten wir unseren wenig reuigen Hund, den wir, so mühsam es auch war, fortan immer wieder an die Leine nahmen. Dius Interesse an dem Federvieh schien zwar wieder einigermassen erloschen, doch dasselbe galt für unser Vertrauen zu ihr – zumindest eine Weile.

Wenn wir in den Dörfern also nicht gerade die Hundeleine entknoteten, stoppten wir an kleinen Shops oder Märkten, um eine Cola zu trinken oder einen Happen zu essen. Wir hatten mittlerweile herausgefunden, dass die laotische Küche gar nicht so einseitig war, wie zuerst angenommen, vielmehr waren wir einfach nicht experimentierfreudig genug gewesen. Auf kleinen Märkten lagen neben Obst und Gemüse auch bunte, tote Vögelchen, Ratten oder andere seltsame Kleintiere. Sogar eine Art Stachelschwein hätten wir als Suppeneinlage haben können, dennoch begnügten wir uns mit einem Foto und Gomolf mit einem Schnüffler an dem weiss-schwarzen Nager. Wildtiere anstatt Fleisch aus Massentierhaltung ist in einem so dünn besiedelten Land wie Laos problemlos möglich.

Eine unvergessliche Darbietung

Bei unseren Stopps bleiben Jung und Alt stehen, um uns neugierig zu beobachten. Manche sprechen ein wenig Englisch und fragen uns, wo wir herkommen. Umgekehrt können wir beobachten, wie die Einheimischen ihren Alltag mit einfachsten Mitteln bewältigen. So werden wir Zeuge einer unvergleichlichen musikalischen Darbietung eines blinden Mannes. Er kam mit seinem Taststock ums Eck, als wir gerade Reis kauften, setzte sich vor das Haus auf seine Sandalen und rückte sein Instrument zurecht. Es bestand aus ein paar ausgedienten Plastikkanistern unterschiedlicher Grösse, die auf eine Holzlatte genagelt waren, zwei dünnen Stöcken und einer Bierflasche.

Der Strassenkünstler konnte erstaunlich melodiöse Klangfolgen erzeugen, indem er die Kanister und die Bierflasche mit Stockschlägen bearbeitete. Dazu stimmte er einen tragenden Gesang an, der in unseren Ohren ungewohnt und irgendwie magisch klang. Auch die Einheimischen schien die Musik zu berühren, viele traten heran und lauschten andächtig.

Dennoch konnten oder wollten nur wenige unter den Zuhörern am Ende etwas Geld für den musizierenden Blinden erübrigen. Wir schlossen uns denen an, die etwas zu geben hatten, und schwangen uns dann wieder auf die Räder – mit einer fremdartigen, zärtlichen Melodie im Ohr.

Unerschütterliche Gelassenheit

Das, was die Laoten unserer Meinung nach besonders ausmacht, ist ihre unerschütterliche Ruhe und Gelassenheit. Laut oder stressig wird es in Laos eigentlich nie. Manchmal verzweifelten wir ein bisschen, denn auch scheinbar einfache Sachen können hierzulande gerne etwas länger dauern oder gar unlösbare Probleme darstellen.

Sei es die Frage nach dem Preis für ein Bier, bei der wir statt einer Antwort ein Glas, einen Flaschenöffner oder auch ein paar Eiswürfel angeboten bekamen. Oder das Wechseln eines Geldscheines im Wert von wenig mehr als einem Schweizer Franken – unmöglich in einem kleinen, abgelegenen Geschäft. Grössere Bestellungen, also alles mit mehr als einem Posten, hatten die Kellner meist schon vergessen, wenn sie sich von uns abwandten, so war es immer wieder eine Überraschung, was letztendlich serviert wurde. Trotz allem muss man, genügend Geduld vorausgesetzt, dieses freundliche Völkchen einfach gerne haben.

Kurz bevor wir uns nach einem Schlafplatz umsahen, wurden wir von einem banalen Ereignis aus solchen Gedankengängen herausgerissen: Ich fuhr etwas zu schnell durch ein tiefes Schlagloch. Mein Hinterreifen quittierte dieses Manöver mit einem unschönen Geräusch, gefolgt von lautem Zischen und dem untrüglichen Gefühl von schnell entweichender Luft an meinem Bein. Ein Platten! Michael widmete sich meinem Schlauch und fand mit wachsender Ungeduld insgesamt vier kleine Löcher, die er alle fachmännisch verarztete. Als er fertig war, hatte bereits die Dämmerung eingesetzt. Wo sollten wir heute übernachten? Ich inspizierte die Umgebung einer kleinen Hütte am Strassenrand, doch ein flaches Stück Boden gab es hier nicht. Die Hütte dagegen war offensichtlich unbewohnt und stand offen; so überlegten wir nicht lange und schlugen unser Nachtquartier kurzerhand darin auf.

Eine eigene Immobilie in Laos

Es war der perfekte Platz: Wir hatten einen Schlafraum mit Tür, ein Strohdach über dem Kopf und sogar eine kleine Veranda. Dort sassen wir, als langsam der Mond aufging, während in unserem Topf ein paar Kartoffeln brutzelten. «Ein eigenes Häuschen in Laos!», witzelten wir und genossen das Abendessen an diesem ungewöhnlichen Ort.

Dass der Platz wegen der direkten Nähe zur Strasse auch ungewöhnlich laut war, wussten wir erst am nächsten Morgen. Dafür entdeckten wir unterhalb der Hütte einen Zugang zu einem klaren Bergbach, dessen kühles Nass herrlich erfrischend auf unsere verquollenen Augen wirkte.

Dieser Tag hielt nur wenige Höhenmeter für uns bereit, die es zu überwinden galt. Danach folgte endlich die erste richtig schöne, lange Abfahrt. Einziger Wermutstropfen waren wieder viele kurze Stücke ohne Asphalt, die nun nicht in Senken, sondern meist in Kurven auf uns warteten, was nur deswegen besser erträglich war, da es danach weiterhin bergab ging. In kurzer Zeit legten wir gut zwanzig Kilometer zurück, für die wir nicht einmal treten mussten. Gomolf und Diu konnten sich entspannt in ihren Anhängern zurücklegen, wurden aber auch teilweise, genau wie wir, ordentlich durchgeschüttelt.

Auf unserem Weg durch Nordlaos legten wir nur einmal für zwei Tage eine Rast ein. Wir waren in Oudomxai, dort entwickelte sich langsam ein wenig Tourismus und so gab es kleine Frühstückscafés, Restaurants mit etwas vielfältigerem Angebot und billige Unterkünfte. Ein günstiges Zimmer, in dem auch Gomolf und Diu schlafen durften, war bald gefunden und wir alle genossen die kurze Auszeit. Hinter uns lag ein hartes Stück und vor uns leider auch, wie wir bald erfuhren. «Es ist wellig», prophezeiten uns ein paar Touristen, die die Strecke als Passagiere eines Busses zurückgelegt hatten, «also gar nicht so anstrengend für euch.»

«Wir müssen uns also auf das Schlimmste einstellen», rekapitulierten wir später die für uns unpassende Einschätzung der wohlmeinenden Touristen. Denn die dachten natürlich nicht daran, dass wir Hunde haben, die in welligem Gelände ständig ein- und aussteigen müssen. Mein Vorschlag, um auf andere Gedanken zu kommen: «Na dann hol‘ ich uns eben noch was Süsses!»

Mehr Infos unter: www.cycle-for-a-better-world.org

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