«Ich lebe von den Un-Kreativen»

In den Kursen von Martin Sailer erfahren Hündeler, weshalb es Migros- und Coop-Spiele gibt, wie man Guetzli-Bomben bastelt und warum man jeden Tag «Aktifit» trinken sollte.

Martin Sailer sieht die Welt durch eine Spielbrille. Egal ob er durch den Baumarkt schlendert, in der Brockenstube vorbeischaut oder auf einer Gartenterrasse sitzt: Immer sieht er die Welt mit Hundeaugen. So entdeckte er vor einiger Zeit eines der Lieblingsspielzeuge seiner Hunde Warik und Pflume, einen Aschenbecher mit Drehverschluss. Um an das Guetzli im Innern heranzukommen, muss ein Hund schon ganz schön kreativ werden.

Doch mit den anwesenden Kurshunden in Maya’s Pet Shop in Eschlikon geht es Martin Sailer erst mal ruhig an. Ein Cairn Terrier, ein Tervueren, ein Havaneser, ein Appenzeller-Mischling sowie drei Australian Shepherds warten aufgeregt, was da wohl kommen mag. Das Bellen und Fiepen verstummt schlagartig, als die Hunde an die ersten Kisten können. Aus den mit Korkzapfen gefüllten Behältern dürfen sie Futterstücke heraussuchen Das scheint riesig Spass zu machen und schon nach dem ersten Spiel schlägt die Aufregung in freudige Erwartung um.

 

Karton, Zeitung und leere Dosierkugeln

Rund um Martin Sailer stehen Kisten über Kisten, allesamt gefüllt mit Spielideen für Hunde. Viel braucht es nicht, um die Vierbeiner glücklich zu machen, das wird schnell klar. Dafür lohnt es sich, täglich «Aktifit» zu trinken. «Nicht, weil ich von der Wirkung überzeugt bin», sagt Martin Sailer. «Die leeren Fläschchen eignen sich aber prima für eine Hunde-Wühlkiste.» Auch die Waschmitteldosierkugeln, die man in der Migros gratis bekommt, sind bestens als Hundespielzeug geeignet ‒ ein Migros-Spiel also. Zuunterst kommt ein Leckerli, dann wird Zeitung hineingestopft, anfangs nur eine halbe Lage, später so viel Papier wie nur hineinpasst. Martin Sailer macht es vor, sein Hund Warik zeigt dann, wie man das Papier am effizientesten wieder herausbekommt. Das Coop-Spiel ist dann schon etwas kniffliger. Dafür braucht man eine Znüni-Box von Coop, deren Verschluss der Hund mit der Schnauze öffnen muss. Wer keine Zeit hat, bei den Grossverteilern vorbeizuschauen, bastelt eine Guetzli-Bombe: Eine leere WC-Rolle nehmen, ein paar Hundeguetzli hineingeben und mit Klebeband verkleben. Fertig.

 

Vom Lehrer zum Tüftler

Doch wie kommt ein Primarlehrer dazu, Hundeguetzli-Bomben zu basteln? Auslöser für Martin Sailers Spielfieber war Border Collie Warik, der vor neun Jahren als Welpe bei ihm einzog. Was Martin Sailer auch mit seinem Hund unternahm: «Er war einfach nie müde». Ihm wurde bewusst, dass nicht nur die körperliche Betätigung wichtig ist, um einen zufriedenen und ausgeglichenen Hund zu haben. Also überlegte er sich einfache Such- und Denkspiele, die Warik und Pflume, eine inzwischen 13-jährige italienische Strassenkreuzung, die ein Jahr später dazukam, auch mental forderten. Warik und Pflume brauchen keinen Futternapf, sie müssen oder besser dürfen sich ihr Futter täglich erschnüffeln und erarbeiten. Die Zufriedenheit darüber sieht man den Hunden, die Martin Sailer in seine Kurse begleiten, an.

Doch Martin Sailer ist nicht nur Hündeler, sondern auch ein Erfindergeist. Also begann er Hundespiele aus Holz auszutüfteln – anfangs ganz einfache, mittlerweile immer verrücktere. Als Lehrer arbeitet er nicht mehr, dafür hat er bis heute 28 Spiele entwickelt. Seit 2008 lässt er diese in der geschützten Werkstätte Rosengarten in Ebnat-Kappel professionell anfertigen. Drei neue sind es im Schnitt pro Jahr, immer zu Weihnachten gibt es ein etwas aufwendigeres und teureres, wie zum Beispiel das Holzauto, eines von Martin Sailers Lieblingsspielzeugen. Nebst Hütchen zum Anheben und Schubladen zum Herausziehen verfügt es im Innern über ein Zahnrad, das mit Futter befüllt werden kann. Zieht der Hund das Auto an einem Strick hinter sich her, fällt alle 50 Zentimeter ein Leckerli heraus. Hat der Hund es gefressen, muss er wieder am Strick ziehen. «Meine ultimative Geheimwaffe gegen Hundelangeweile», sagt Martin Sailer. Die Idee für das Auto kam ihm übrigens, als sein Göttimeitli ein Holzspielzeug hinter sich her zog. Überhaupt braucht es nur ein Stichwort oder ein Blick auf einen Gegenstand – «und schon beginnt es in meinem Kopf zu rattern».

 

Sich freuen, wenn es der Hund nicht gleich kapiert

Hoch zu und her scheint es auch in den Hundeköpfen zu gehen, als gegen Kursende die verschiedenen Holzspielzeuge ausprobiert werden dürfen. Ganz unterschiedlich, aber allesamt hoch konzentriert gehen die verschiedenen Hunde an die Aufgaben heran. Manche finden sehr schnell heraus, wie etwas funktioniert, andere tun sich schwerer. Bei den Spielen gehe es aber in keiner Weise darum, kluge Hunde zu rekrutieren, sagt Martin Sailer. Im Gegenteil: «Freut euch, wenn es euer Hund nicht allzu schnell herausfindet. Nichts ist mühsamer als ein Vierbeiner, der immer alles gleich kapiert!»

Text und Fotos: Brenda Zuckschwerdt

 

 

Wissenswertes zu den Hundespielen

 

Was ist mit Barfern?

Frischfleisch anstelle von Trockenfutter eignet sich bei den Hundespielen nur bedingt, weil es einfach eine ziemliche «Sauerei» gibt. Für gebarfte Hunde sind die Leckerli, die beim Spielen gefunden werden, also kleine Snacks, die je nach Bedarf von der Tagesration an Frischfleisch abgezogen werden sollten. Für einige der Holzspielzeuge von Martin Sailer braucht es ausserdem möglichst runde Leckerli. Gut geeignet sind hier zum Beispiel die «Gemüsebissen» von Schweizer.

 

Soll man während der Spiele clickern?

Wer mit seinem Hund mit Clicker arbeitet, tut dies, um ihm möglichst genau sagen zu können, wann er das Richtige macht. Bei den Spielen ist aber genau das nicht der Sinn. Hier soll der Hund ganz alleine herausfinden, ob und wie etwas funktioniert. Lediglich bei sehr schwierigen Spielen kann man den Hunden anfangs helfen, auf den richtigen Weg zu kommen, bevor Frust entsteht, zum Beispiel indem man ein Gefäss mitdreht, damit das Leckerli herausfällt.

 

Muss der Hund bestimmte Kommandos kennen?

Grundsätzlich sollte der Hund einen guten Grundgehorsam haben und mit dem Menschen kommunizieren. Bei manchen Spielen ist es von Vorteil, wenn er gewisse Kommandos kennt, also zum Beispiel gelernt hat, «sanft» zu arbeiten oder an einem Tau oder Stab zu ziehen. Hunde, die das noch nicht können, lernen Letzteres meist schnell beim gemeinsamen Tauziehen mit ihrem Menschen.

 

Was, wenn der Hund das Spielzeug immer gleich kaputt macht?

Es gibt auch Hunde, die die Kartonrolle gleich zerbeissen statt sie zu drehen, die PET-Flaschen zernagen und sämtliches Spielzeug demolieren. Hier ist Konsequenz gefragt. Martin Sailer empfiehlt, bei allen Spielen anfangs dabei zu sein. Nagt der Hund am PET, wird das Spielzeug weggezogen, bei Kartonrollen müssen die Löcher für herausfallende Guetzli so gross sein, dass der Hund gar nicht in Versuchung kommt, den Karton zu zernagen.

 

Infos über die Holzspiele von Martin Sailer und seine Kurse gibt es unter www.hundespiele.ch.

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

geschrieben von:
Brenda Zuckschwerdt

Brenda Zuckschwerdt

Brenda Zuckschwerdt (1973) ist Journalistin und schreibt besonders gerne über Hunde- und Pferdethemen. Schon im Schulalter führte sie am liebsten die Hunde von Nachbarn aus. Später machte sie sich als Pferdefach-Journalistin selbständig und gründete das Reitermagazin «Pegasus», in dem auch viele Hundethemen ihren Platz hatten. Heute lebt sie mit ihrer Familie, Pferden, Ponys, Katzen, Hühnern und zwei Labrador Retrievern im Thurgau.

Ein Kommentar zu “«Ich lebe von den Un-Kreativen»

  1. Michael

    Ich liebe es, mein eigenes Hundespielzeug herzustellen

    Antworten

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