Schnell kann es passieren, dass ein Hund verloren geht. Sei es, weil er sich beispielsweise bei Wildwitterung selbstständig macht oder dem Duft einer läufigen Hündin folgt. Wenn in unmittelbarer Nähe keine Strassen sind und die Hunde einen guten Orientierungssinn besitzen, ist dies meist kein grosses Problem. Sie wissen wo ihr Zuhause oder das Auto ist und warten dort auf den meist vom Suchen erschöpften Besitzer.
Text: Anna Hitz
Was ist aber mit ängstlichen Hunden? Solchen, die sich an einem Elektrozaun einen Stromschlag eingefangen haben, sich an einem Neujahrsknaller erschreckt haben oder von einem anderen Hund gejagt wurden? Hunde, die in Panik davonlaufen, sind blind für ihre Umgebung. Ihr Körper und Denken ist nur auf Überleben ausgerichtet. In diesem Augenblick hören sie ihre Besitzer nicht, sehen herannahende Autos nicht. So erging es Xenia, als sie am 11. April 2015 aus dem Auto von Remo Wyss sprang. Ein Hund kam um die Ecke und Xenia erschrak. Sie ergriff die Flucht.
«Angstreaktionen sind bei Hunden weitgehend dasselbe wie extreme Stressreaktionen. Die Notfallreaktions-Mechanismen von Geist und Körper sind aktiviert und ein hoher Stresspegel führt zu einem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn.» (James O’Heare) Xenia ist eine drei Jahre alte Bolonka-Zwetna-Hündin. Sie wurde von einer renommierten Züchterin an eine ältere Dame vermittelt. Die Dame hatte sich ausdrücklich einen erwachsenen, ausgeglichenen Hund gewünscht. Bei der Züchterin war Xenia nie auffällig gewesen. Sie hatte viel geschlafen und war ein ruhiger Hund, der sich nicht besonders für das Rudelleben zu interessieren schien.
«Dieses [übertriebene Schlafbedürfnis] ist ein eindeutiges Zeichen für chronischen Stress: Abschalten aufgrund der Erschöpfung des Serotoninhaushalts. Es ist wichtig zu wissen, dass gestresste Hunde, getrieben von der inneren Unruhe, oftmals keinen wirklich erholsamen Schlaf finden, weshalb ihr Schlafbedürfnis übertrieben hoch ist.» (James O’Heare) In der Wohnung der Dame verzog sich Xenia sofort in eine Ecke und wollte partout nicht herauskommen. Sie zitterte und schlotterte. Als die Dame am Abend entschied, dass Xenia doch kurz hinaus müsse, ergriff Xenia die Möglichkeit zur Flucht. Immer wieder wurde sie von Passanten gesehen, doch da sie äusserst ängstlich ist und sich von Fremden nicht anfassen lässt, scheiterte jeder Versuch sie anzulocken. Drei Tage später wurde sie zufällig in einem Bach gefunden, wo sie hängen geblieben war. Fast wäre sie ertrunken. Kurz darauf verschwand sie wieder. Diesmal für eine Woche.
Xenias Verschwinden
Nach dem zweiten Vorfall bat die Dame Christine und Remo Wyss, Xenia zu übernehmen. Das Ehepaar Wyss hatte bereits eine Bolonka-Zwetna-Hündin aus derselben Zucht: Chanel, eine aufgeweckte zweijährige Hündin. Die Entscheidung fiel umso leichter, da Xenia seit der ersten Begegnung mit Christine Wyss nicht mehr von deren Seite weichen wollte. So zog Xenia zu den Wyss und blieb an Christines Seite, bis sie am 11. April unerwartet auf dem Parkplatz des Geschäfts der Wyss von der Autorückbank auf das Trottoir sprang, einen fremden Hund erblickte und die Flucht ergriff. «Xenia hat eigentlich vor allem Angst», erzählt Remo Wyss. «Vor Menschen, anderen Hunden, lauten Geräuschen, Dingen, die auf den Boden fallen.»
Lesen Sie den ganzen Artikel von Anna Hitz im Schweizer Hunde Magazin 9/2015.