«Es ist egal, woher ein Hund kommt, weil jeder Hund gleich viel zählt»

Susy Utzinger über Hunde aus dem Ausland

 

Tierschutz mit Herz und Verstand: Wirksam und nachhaltig – das ist der Stiftungszweck der Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz. Susy Utzinger leitet die von ihr gegründete Stiftung, nicht etwa nur vom Schreibtisch aus – nein, sie packt vor Ort mit an, sei es bei Inlandseinsätzen, beispielsweise um neue Gehege für eine Tierauffangstation zu bauen, sei es um in Rumänien mit Behördenvertretern zu verhandeln, um bessere Bedingungen für die Strassenhunde zu schaffen oder kranke und mit Parasiten übersäte Hunde zu pflegen. Wir sprachen mit Susy Utzinger zum Thema «Hunde aus dem Ausland».

 

Ich habe das Gefühl, dass zurzeit ein richtiger Run auf Hunde aus dem Ausland besteht, wie sehen Sie das?

Ich empfinde das auch absolut so. Es hat aber natürlich auch damit zu tun, dass das etwas von unserem Kerngeschäft ist und ich dauernd mit dieser Thematik konfrontiert werde. Es gibt verschiedene Aspekte, die man in dieser Problematik anschauen muss:

Erstens ist es so, dass viele Leute das aus Selbstbefriedigung machen. Es geht nicht um den Hund, es geht darum, dass man sich etwas Gutes tun will. Es wird einem eine Situation vor Augen geführt, die einem nicht gefällt, oft in den sozialen Netzwerken, und man möchte sofort etwas machen, damit das ungute Gefühl weggeht: Man nimmt den Hund, klickt auf den «Einkaufs»-Button oder man drückt auf «Weiterleiten». Egal, ob die Fakten stimmen oder nicht, da hört es mit der Seriosität bereits auf, so wichtig ist der Hund einem dann doch nicht. In erster Linie will man, dass das ungute Gefühl verschwindet. Wenn man aus Selbstbefriedigungsgründen einen Hund aus dem Ausland zu sich holt, kommt es schon mal nicht gut. Das machen leider sehr viele Leute und darunter leiden dann sehr viele Hunde.

Zweitens: Mir kommt oft das Wort «Nazi» in den Sinn, denn offenbar sind Auslandshunde nicht so viel wert wie Schweizer Hunde. Genau die Leute, die das so leben, beteuern, wie gerne sie Hunde haben und wie wichtig ihnen diese Hunde sind. Aber diese Menschen zeigen durch ihr Handeln, dass sie diese Hunde als Hunde zweiter Klasse betrachten: Den kann ich übers Internet bestellen, ohne dass ich ihn vorher kennengelernt habe, den kann ich weitervermitteln an irgendjemanden, den ich noch nie gesehen habe − aus den Augen, aus dem Sinn. Er ist ja nur aus dem Ausland. Es ist so egal, ob es ihm dann am neuen Platz gut geht.

Oder Hunde, oft Welpen, werden in die Schweiz geholt und an irgendwelche Pflegeplätze gegeben. Sie wachsen dann bei Leute auf, die keine Ahnung haben, und diese vermitteln die Welpen nachher weiter. Das ist alles egal, denn es sind Hunde aus dem Ausland. Das würden wir mit Schweizer Hunden nicht zulassen. Wir sind in der Schweiz auf einem hohen Standard, wir haben seriöse Vermittlungsabläufe in den Tierheimen und bei den Züchtern. Wir haben Leute, die sich weiterbilden und sich viel Mühe geben, einen Hund zu sozialisieren oder resozialisieren, aber wenn er aus dem Ausland ist, darf jeder daran «herumpfuschen» und es wird kaum reklamiert. Das sind für mich «Hundenazis».

 

Die SUST bringt keine Hunde aus dem Ausland in die Schweiz. Warum nicht?

Wenn man Hundehandel, -import betreiben und es richtig machen wollte, wäre das so eine aufwendige Sache, dass das fast nochmals eine Organisation für sich wäre, eine Organisation vor Ort. Leute müssten ausgebildet werden, der Transport und die Vermittlung in der Schweiz. Da kann man auch nicht irgendjemanden nehmen, der dann zu Interessenten nach Hause geht und sieht, wie die Wohnung schön eingerichtet ist und so bestimmt, dass es darum ein gutes Daheim für einen Hund ist. Ich bin der Meinung, entweder macht man es richtig und seriös, was mit einem sehr grossen Aufwand verbunden ist oder man lässt es sein. Zudem gehört es nicht in unseren Stiftungszweck. Wenn wir mal einen Hund aus dem Ausland mitnehmen, dann ist das eine Privatperson, die eine Möglichkeit sieht, den Hund seriös zu vermitteln oder die ihn selber behalten möchte.

 

Finden Sie es sinnvoll, Hunde aus dem Ausland zu adoptieren?

Ich finde es ist egal, wo ein Hund herkommt, weil jeder Hund gleich viel zählt. Darum muss aber auch jeder sorgfältig beurteilt, vermittelt und gehalten werden. Das schliesst schon mal die Massentransporte und Vermittlungen über das Internet aus.

In gewissen Ländern sind die Strassenhunde eine wichtige Einnahmequelle für bestimmte Menschen und es besteht kein Interesse, das Problem der Streuner nachhaltig zu lösen. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Ja, das ist auch in der Schweiz eine Einnahmequelle. Vor 15 Jahren haben wir in Ungarn mit der Tierschutzarbeit angefangen. Dort besuchten wir ein Tierheim, in welchem 350 Hunde lebten. Es herrschten schlimme Bedingungen: viel Dreck, Ratten rannten überall herum und alle Hündinnen waren trächtig. Wir sagten der Tierheimleiterin, dass als Erstes, neben der Parasitenbehandlung, alle weiblichen Tiere kastriert werden müssen. Diese meinte dann: «Nein, dann bekommen sie ja keine Jungen mehr!» – «Ja genau, dass wäre das Ziel!» – «Nein, nein, nein! Ihr in Deutschland, Schweiz und Österreich, ihr habt alle Hunde kastriert, darum habt ihr zu wenig junge. Wir haben immer wieder Welpen, darum kommt ihr Schweizer immer wieder mit Lastwagen und holt die jungen Hunde bei uns ab.»

Klar haben die Ungarn Geld damit verdient, aber wir müssen schon sehen, dass die Schweizer, die dort mit Lastwagen Hunde abholen, durchaus auch Geld verdienen − und das nicht schlecht. Man muss das Übel an der Wurzel packen und den Menschen klarmachen, wie das Problem gelöst werden kann, aber ihnen auch vor allem klarmachen, wo das Problem ist. Wenn diese Menschen Hunde «produzieren» und damit Geld verdienen, dann ist das ein Geschäft. In Ungarn kann man vielleicht 500 Euro im Monat verdienen, wenn man viel arbeitet, und in Rumänien vielleicht so 200, 300 Euro, in Ägypten 60 Euro, und darum darf man es nicht dieser Person zum Vorwurf machen, dass sie schaut, dass sie zu etwas Geld kommt − so liegt es wieder am Konsumenten. Darum ist es wichtig, richtigen Tierschutz zu betreiben. Das bedeutet eben nicht, dorthin zu fahren und alle Welpen zu retten, in die Schweiz zu bringen und hier noch teuer zu verkaufen, sondern vor Ort zu sagen: «Wir wollen nicht mehr, dass ihr junge Hunde habt, sondern wir möchten das Problem eindämmen und dafür schauen, dass die Hunde, die im Tierheim leben, ein Zuhause bekommen.»

In der Schweiz ist es genau das Gleiche. Es gibt Leute, die sich darauf spezialisiert haben, «arme» Hunde mit schlimmer Vergangenheit, die man nicht nachweisen kann, an den Mann/die Frau zu bringen. Wenn man überlegt, was kostet die Hundehändler − solche Leute bezeichne ich absichtlich so, denn das sind für mich keine Tierschützer − ein Hund vor Ort und wie hoch ist ihr Gewinn, wenn sie den für 500 bis 600 Franken verkaufen. Natürlich inklusive einer traurigen Geschichte, knapp dem Tode entronnen…

In Rumänien ist ein Hund aus der Tötungsstation gratis. Er ist geschippt, gegen Tollwut geimpft und man bekommt ihn mit Europapass. Der Aufwand ist das Auto zu mieten, den Hund zu holen und hier anzubieten. Bei mehreren Hunden hat der Händler einen grossen Gewinn − und der Käufer hat ein gutes Gefühl, etwas für den «Tierschutz» gemacht zu haben.

Das Leben in den Tötungsstationen ist alles andere als schön; das darf man natürlich nicht verschweigen. Fast noch schlimmer sind die städtischen Tierheime, die nicht töten, sondern einfach immer noch mehr Hunde hineinstopfen, das sind wirklich Bilder, die kaum zum Aushalten sind. Aber wenn irgendjemand denkt, dass es das Problem lösen kann, indem man all diese Hunde einsammelt und in die Schweiz karrt, dann ist er entweder dumm und kann nicht rechnen oder er macht es eben aus Berechnung. Ich sage immer: «Wenn du einen Hund aus Rumänien willst, dann gehe halt dahin und hole dir einen.» Und dann ist es halt hart, das anzusehen. Auch für mich noch nach so vielen Jahren.

 

Worauf sollte ein Interessent achten, wenn er ganz bewusst einem Hund aus dem Ausland ein neues Daheim geben möchte?

Wenn man das ganz bewusst tun möchte, dann hat man sich ja schon Gedanken gemacht und hat vielleicht bereits ein Herkunftsland ins Auge gefasst. Man geht am besten in das Land selbst. Dort kann man nicht spazieren gehen, wie in der Regel bei einem Hund aus einem Schweizer Tierheim, und oft weiss man nichts über diesen Hund. Er hat keine Leinenführigkeit, man weiss nicht, wie er mit Kindern ist, welche Umwelterfahrungen er gemacht hat. Oder man übernimmt einen Hund aus einer seriösen Vermittlung, geht in ein normales Tierheim im entsprechenden Land und lernt dort die Hunde kennen. Das wäre dann eine entschärfte Situation; es sind immer noch nicht die Umstände, wie wir sie im Normalfall in der Schweiz haben. So entfällt zwar das Gefühl, einen Hund vor dem Tod gerettet zu haben. Wenn es einem darum geht, muss man sich einen Hund aus einer Tötungsstation holen. (…)

 

Das vollständige Interview können Sie in der Ausgabe3/18 lesen.

 

geschrieben von:
Sandra Boucek

Sandra Boucek

Seit 2009 leitet Sandra Boucek die Redaktion des «Schweizer Hunde Magazins ». Hunde begleiten sie seit ihrer Kindheit durchs Leben. Als ausgebildete Tierhomöopathin arbeitet sie nebenberuflich auf diesem Gebiet. Besonders interessant findet sie die Kombination von Homöopathie und Verhaltenstherapie bei Hunden. Stetige Weiterbildung ist für sie selbstverständlich. Sandra Boucek geniesst ihre Freizeit mit ihren beiden Hündinnen sowie ihren beiden Appaloosa-Pferden. www.tiere-und-homöopathie.ch

Ihre Meinung interessiert uns – Kommentar schreiben


Name (erforderlich)

Webseite