«Der Ton macht die Musik» – Rhetorik für Hundehalter

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit Fragen des kommunikativen und möglichst konfliktfreien Umgangs zwischen Hunden, ihren Haltern und Mitmenschen.

Leider ist dieser keine Selbstverständlichkeit, sodass es immer wieder zu unschönen Konfrontationen, Streitigkeiten und sogar zu Gerichtsterminen nach Zwischenfällen kommt. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass ein gepflegter Umgangston zwischen Hundehaltern längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Auch die gesellschaftliche Toleranz gegenüber Hunden und auch moderat auftretenden Hundehaltern nimmt eher ab. War das schon immer so?

Die Zeiten haben sich deutlich geändert: Wenn sich vor etwa 20 oder 30 Jahren zwei Hunde in Feld und Flur rauften, wurde das nicht gleich zur «Staatsaffäre» erklärt. Bei Bagatellblessuren schaltete man nicht sofort einen Rechtsanwalt oder die Ordnungsbehörden ein. In den allermeisten Fällen einigte man sich auch gütlich über die Tierarztkosten, sofern diese überhaupt in nennenswerter Höhe anfielen. Um einem Missverständnis vorzubeugen: In diesem Kontext sind nicht jene Vorfälle mit Hunden gemeint, bei denen Menschen oder Tiere schwerwiegend zu Schaden kommen.

Die kommunikative Lage im Umgang mit Hunden und unter Hundehaltern ist längst nicht immer heiter und entspannt. Im Gegenteil: Oft könnte man der Miene nach vermuten, Hundehaltung sei eine zutiefst ernste Sache. Selbstverständlich überträgt sich diese Grundstimmung der Hundehalter auch über das Prinzip der Spiegelneuronen auf die Vierbeiner. So besteht eher die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund in einer besonderen Situation nicht adäquat reagiert.

Selbstverständlich ist es jedem selbst überlassen, wie er «unterwegs» ist. Auf der anderen Seite gilt es sich als Hundehalter zu wappnen – selbst dann, wenn man freudig und entspannt seinen Hund ausführt.

 

Seinen Hund schützen

Höchste Priorität kommt der Aufgabe zu, den eigenen Hund vor Distanzlosigkeit, Ignoranz oder auch hundefeindlich gesinnten Bürgern zu schützen. Gleichwohl bringt es nichts, sinnlose Diskussionen gegen Vorurteile zu führen, die meist tief verankert sind. Damit verschwenden wir nur unsere Zeit und Energie. Dies gilt natürlich nur so lange, wie andere nicht übergriffig gegenüber unseren Hunden auftreten. Oft fällt es schwer, den «Stuss» von selbst ernannten Hundekennern einfach unkommentiert stehen zu lassen und weiterzugehen.

 

Konstruktive und konfliktarme Kommunikation

Zielsetzung sollte stets eine konstruktive und konfliktarme Kommunikation sein. Hierfür sind insbesondere Grundlagen aus der Rhetorik, der Kommunikationspsychologie sowie eine gute Menschenkenntnis hilfreich. Manchmal macht es aber wie ausgeführt durchaus Sinn, notorisch stänkernden Zeitgenossen einfach aus dem Weg zu gehen.

Andererseits muss sich auch niemand anpöbeln lassen. In diesem Fall ist eine verbale Grenzsetzung wichtig, wie zum Beispiel: «Bitte mässigen Sie sich!» oder «Sie treffen den Ton nicht!». Falls diese erste Grenzsetzung nicht helfen sollte, vielleicht auch: «Was fällt Ihnen ein? Ich verbiete mir diesen Ton!» Darauf ist es oft am besten einfach weiterzugehen, um einer folgenden, meist destruktiven Diskussion aus dem Wege zu gehen, denn falls andere schlecht drauf sind, Dampf ablassen oder sich profilieren wollen, kann nichts Vernünftiges dabei herauskommen – wahrscheinlich nur lautstarkes Geschrei und Gezeter oder sogar Handgreiflichkeiten. Wichtig ist dabei vor allem rechtzeitig zu erkennen, wann Dispute überhaupt keinen Sinn machen.

 

Einschätzung von Mensch-Hund-Teams  

Eine gute Einschätzung von fremden Mensch-Hund-Teams ist gar nicht so einfach. Welche Anhaltspunkte gibt es überhaupt um ungefähr festzustellen, wer uns da als Mensch-Hund-Team entgegenkommt? Ausserdem können es ja auch mehrere Menschen mit einem oder mehreren Hunden sein. Einige Kriterien sind bei der Einschätzung möglicherweise hilfreich:

  1. Welchen Eindruck macht der Hund – auch im Beziehungskontext zu seinem Halter? Wirkt er entspannt oder angespannt, freudig oder aggressiv? Läuft er ängstlich und unsicher an der Seite seines Halters?
  2. Wie führt der Mensch seinen Hund? Welchen Eindruck macht das Mensch-Hund-Gespann im Zusammenspiel?
  3. Zerrt der Halter seinen Hund an der Leine mit oder läuft der Hund entspannt (ohne Leine) bei Fuss?
  4. Überlässt der Hundehalter den Hund sich selbst und seinen Interessen und kümmert sich wenig darum, was sein Vierbeiner gerade so treibt?
  5. Unterhält sich der Mensch während des Spaziergangs fast nur mit einem anderen Zweibeiner, sodass zwei Parallelprogramme ablaufen? Der Hund geht seiner Wege und der Mensch/die Menschen tun es ebenso?
  6. Wie reagiert der Halter, wenn der Hund einmal stehen bleibt, um «Zeitung zu lesen»? Lässt er dem Hund etwas Zeit oder wird er sofort ungeduldig?

7.Wie wirkt der Mensch stimmlich auf seinen Hund ein? Spricht er zugewandt, liebevoll und freundlich mit seinem Hund? Oder hört und sieht man den Zweibeiner schon von Weitem kreischend wild gestikulieren?

  1. Was zeigen Körpersprache, Mimik, Gestik oder Bewegungsmuster des Zweibeiners? Wirkt die Person harmonisch-ausgeglichen oder angespannt und gar gestresst?

Geduld oder Ungeduld, Ausgeglichenheit oder massive Anspannung sind wichtige Faktoren, die es im Umgang und in der Kommunikation mit anderen Menschen zu berücksichtigen gilt.

Insbesondere tragen wir die Verantwortung dafür mit, dass Hundebegegnungen möglichst angenehm und ohne nennenswerte Konflikte erfolgen. Deshalb ist abzuwägen, ob wir dem entgegenkommenden Team begegnen wollen und wenn ja, in welchem Abstand, oder ob wir einen Richtungswechsel vornehmen, um auszuweichen. Entscheiden wir uns für eine Begegnung und beide Hunde sind angeleint, so sollten wir vor dem allfälligen Ableinen unseres Hundes stets fragen, ob auch der andere Hund für ein Beschnuppern von der Leine darf.

 

Entwickelt sich ein Hundekontakt zwischen Hunden anders als erwartet, so ist rechtzeitig zu intervenieren. Dabei sind die Eskalationsstufen, die Hunde anzeigen, ein wichtiger Indikator. Wenn Hunde ein Nicht-Einverstanden-Sein signalisieren, wird leider oft von Hundehaltern viel zu spät eingegriffen.

 

Eskalationsstufen bis zum Ernstkampfverhalten von Hunden

Distanzdrohen, Zähneblecken

  1. Distanzunterschreitung, Abwehrschnappen
  2. Drohen mit Körperkontakt, über die Schnauze beissen
  3. Quer Aufreiten, Herunterdrücken
  4. Anrempeln, gehemmte Beschädigung
  5. Beissen, Beiss-Schütteln, Töten

Spätestens bei der Eskalationsstufe 2 sollten Hundehalter reagieren, bevor sie in Stufe 3 übergeht.

 

Psychologie in Konfliktsituationen

Abwehrmechanismen bei Bedrohung des Selbstwertgefühls

Hat ein Gesprächspartner im Kommunikationsprozess das Gefühl, sein Selbstwertgefühl sei in irgendeiner Form bedroht, so treten in der Regel folgende mögliche Reaktionsmuster auf:

  • Bewusstseinsinhalte werden verdrängt beziehungsweise «vergessen».
  • Fakten und Gefühlseinstellungen werden auf andere Personen und Objekte verschoben.
  • Weigerung, sich mit der Realität auseinanderzusetzen; Verleugnung der Realität.
  • Versuch, Selbstbestätigung anderweitig zu finden (Kompensation).
  • Aggressives und latent aggressives Verhalten gegenüber Personen und/oder Tieren.
  • Rückzug in die emotionale Isolation beziehungsweise auf eine frühere Entwicklungsstufe (verletztes Inneres Kind). Anzeichen sind Schmollen, Maulen, den Beleidigten spielen.
  • Entschuldigungen für das Versagen beziehungsweise den Misserfolg vorbringen.
  • Projektion der eigenen Fehler auf andere, die vermeintlichen Verursacher.
  • Keine Selbstreflexion über eigenes Verhalten, eigene Fehler.
  • Angelegenheit wird nicht verarbeitet; es wird ständig zum Thema zurückgekehrt, um die eigene Position zu rechtfertigen (Fixierung).

 

Gibt es eine kommunikative Wirklichkeit?

Kommunikative Wirklichkeiten setzen sich aus einem Ich-Bild, einem Fremd-Bild, dem eigenen Wunsch-Bild und dem fremden Wunsch-Bild zusammen. Damit wird deutlich: Eine objektive kommunikative Wirklichkeit gibt es nicht. Unterschiedliche Wahrnehmungen ergeben sich beispielsweise aus:

 

  • Individueller Persönlichkeitsstruktur
  • Unterschiedlichen Erwartungen
  • Individuellen Erfahrungen
  • Biografie/Normen
  • Überzeugungen/Glaubenssätzen
  • Bewertungen, Erziehungs- und Denkmustern
  • Unterschiedlichen Wahrnehmungskanälen der Sinnesphysiologie
  • Individuellen kognitiven Fähigkeiten
  • Gesundheitszustand
  • Stimmungen
  • Stresslevel

 

Kommunikationsstile des Dialogpartners beachten

 In der Kommunikation gelten einige wichtige Grundgesetze, wie zum Beispiel «Stets von den Gefühlen zum Verstand argumentieren» und dabei gleichzeitig auch die Persönlichkeitsstruktur des Gegenübers beachten. Wir unterscheiden bei Gesprächspartnern häufig verschiedene Gesprächsstile, die im Gesprächsverlauf auch wechseln können.

 

  1. Bedürftig-abhängiger Stil
  2. Helfender Stil
  3. Selbstloser Stil
  4. Aggressiv-entwertender Stil
  5. Sich beweisender Stil
  6. Bestimmend-kontrollierender Stil
  7. Sich distanzierender Stil
  8. Mitteilungsfreudig-dramatisierender Stil

  

Und wenn etwas passiert ist?

Fast jedem Hundehalter ist bekannt: Auch bei Hunden mit einer guten Sozialverträglichkeit, die wir gut zu kennen glauben kann es plötzlich ‒ wenngleich nur in seltenen Fällen ‒ zu unliebsamen Zwischenfällen kommen. Falls unser Hund doch einmal etwas angestellt hat, sollten wir uns kooperativ zeigen, um einen entstandenen Schaden umgehend zu ersetzen und versuchen, die Angelegenheit gütlich zu regeln. Auch eine Entschuldigung gehört selbstverständlich dazu.

Im Schadensfall brauchen wir neben unserer Kommunikationsfähigkeit auch eine Hundehaftpflichtversicherung und natürlich einen gültigen Impfnachweis! Hundehaftpflichtversicherungen regeln im Allgemeinen den zivilrechtlichen Schaden. Aber wie sieht es aus, wenn der Hundehalter seine Aufsichts- und Fürsorgepflicht grob verletzt hat?

 

Dazu einige Beispiele:

Ein Hundehalter lässt seinen Hund an einer befahrenen Strasse mit Veloweg frei laufen, da er meint, er habe seinen Hund stets unter Kontrolle. Aber aus irgendeinem Grund erschrickt dieser Hund und läuft in einen Velofahrer. Dieser stürzt und verletzt sich dabei schwer. Nun könnte es durchaus sein, dass auch eine Strafanzeige gegen den Hundehalter wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht droht, nämlich ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung. Und wie Gerichte hier im Einzelfall entscheiden, ist im Voraus nicht absehbar.

Ein anderes Beispiel soll zeigen, dass auch einem Geschädigten, der von einem Hund gebissen wird, eine Mitschuld gegeben werden könnte. Ein Bergläufer trainiert auf einem sehr schmalen Bergpfad und läuft einem Halter mit mehreren Hunden in vollem Tempo entgegen. Die Hunde fühlen sich und ihren Halter bedroht und beissen den Sportler quasi «aus gefühlter Notwehr». In vergleichbaren Situationen gibt es durchaus Gerichtsurteile, bei denen einem Geschädigten über sein gezeigtes Verhalten eine Teilschuld gegeben wird.

Dazu ein persönliches Beispiel aus Zermatt: Ich war in dieser Situation, als ich mich vor einigen Jahren auf die Teilnahme eines Matterhornlaufs vorbereitete. Beim Training sah ich schon von Weitem auf einem schmalen Bergpfad eine Hundehalterin mit drei Hunden entgegenkommen. Daher beschloss ich nicht nur das Tempo zu drosseln, sondern wich ausserdem oberhalb des Bergpfades dem Vierergespann aus. Daraufhin fragte mich die Hundehalterin, was das Ausweichen solle? Kurz erläuterte ich den Zusammenhang. Die Antwort war so verblüffend wie bezeichnend. Ich erhielt folgende Einschätzung der Hundehalterin: All das gelte nicht für Zermatter Hunde, die seien zäher und seien eine ganz besondere Spezies! Mit anderen Worten: «Canis zermattesis» hätte demnach eine besondere Verhaltensbiologie…

Oder unvermittelt springt ein Hund einen Passanten an und beschmutzt dessen Mantel mit den Vorderläufen. Vielleicht stürzt die Person sogar. Was ist zu tun? Geschädigte Personen können darauf sehr unterschiedlich reagieren. Die Bandbreite kann reichen von «Das macht nichts, ist alles halb so schlimm» über «Wenn Sie mir die Reinigung zahlen, ist die Sache in Ordnung» bis hin zu: «Ich zeige Sie an, Ihr Hund ist gefährlich!».

Ganz wichtig ist es, nun erst einmal Ruhe zu bewahren und zu versuchen, Verständnis für den Betroffenen zu zeigen, auch wenn dieser emotional reagiert. Angezeigt sind Worte wie etwa: «Das tut mir sehr leid, lassen Sie uns das bitte in Ruhe klären. Wir finden bestimmt eine Lösung.» Wichtig ist festzuhalten: Die Frage, ob einem Geschädigten der Mantel oder eine Reinigung bezahlt wird, ist dabei eher nebensächlich. Die Kosten übernimmt, wenn nicht grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ohnehin fast immer die Hundehaftpflichtversicherung.

Problematisch aber wird es erst, wenn eine Anzeige, das Einschreiten von Ordnungsbehörden oder gar ein Gerichtsverfahren drohen. Das alles birgt neben dem Nerven- und Zeitaufwand unschätzbare Risiken für Hund und Halter. Diese gilt es tunlichst zu vermeiden.

 

Text: Dr. Barbara Wardeck-Mohr

Illustrationen und Fotos: fotolia.de

 

 

 

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geschrieben von:
Dr. rer. nat. Barbara Wardeck-Mohr

Dr. rer. nat. Barbara Wardeck-Mohr

Dr. rer. nat. Barbara Wardeck-Mohr aus Deutschland ist Wissenschaftsreferentin, Autorin für Hundefachmagazine, Hundesachverständige und Radioexpertin zum Thema Mensch und Hund. Zudem ist sie investigativ-journalistisch im Tierschutz und in der internationalen Hundepolitik tätig und als bestellte Expertin bei Hunde-Gesetzgebungsverfahren aktiv. Sie war ausserdem Initiantin und Projektleiterin der «Zermatter Hundewelten» von 2010 bis 2012.

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