Auf Safari mit Stella und Dodie

Teil 3

Der Virunga Nationalpark im Kongo gehört zu den ältesten und schönsten der Welt. Seine Bewohner, zu denen die vom Aussterben bedrohten Berggorillas und die seltenen Waldelefanten zählen, werden allerdings nach wie vor von skrupellosen Wilderern verfolgt und getötet. Die Schweizer Tierärztin Marlene Zähner wurde vom Direktor des Nationalparks Emmanuel de Merode angefragt, ihn beim Aufbau einer Anti-Poaching Dog Unit zu unterstützen. Im Februar dieses Jahres begleitete Marlene Zähner sechs Bloodhound-Welpen in den Kongo. Im Schweizer Hunde Magazin berichten wir laufend über den Verlauf und hoffentlich auch den Erfolg dieses Projektes.

Text: Marlene Zähner

11. Juli 2011, 8 Uhr – «Raphael! Stell deine Gruppe auf – und Abmarsch Richtung Fussballplatz». Der junge hochgewachsene Ranger sammelte sofort seine, der Hundesektion zugewiesenen Kollegen und sie machten sich Gleichschritt auf Richtung Dorf. Derweilen wurden von den Hundeführern Christian, Alexi, Kasareeka und Aime die Flugboxen umständlich auf einen kleinen Jeep geladen. Nur zwei Hunde konnten so transportiert werden, die restlichen wurden in wildem Chaos mit den Rangern und mir frei im Passagierraum des Fahrzeugs verstaut. Leider war es bisher noch nicht gelungen ein geeignetes Fahrzeug zu finanzieren und wir mussten uns mit dem behelfen was zur Verfügung stand.

11. Juli, 10 Uhr – Zögerlich streckte David die Hand nach dem Bloodhound aus, der freudig wedelnd zu ihm aufschaute. Es war der erste Kontakt der jungen Park Ranger, die diese Woche ihre Ausbildung abgeschlossen hatten, mit unseren Hunden, zum Teil sogar mit der Spezies Hund überhaupt. Ich hatte ihnen erklärt, dass dies ganz spezielle Hunde sind, die ausgebildet werden, ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen. Verbrecher, namentlich Wilderer zu finden und zu verhaften, vermisste und verletzte Personen zu retten und so zum Erhalt ihres Park beizusteuern. «Ja, sie sind freundlich», «Nein, die Hunde sind nicht Träger gefährlicher Krankheiten, sie sind entwurmt und gegen Tollwut geimpft». Die positive Einstellung der jungen Männer zeigte sich sofort und schon bald tummelten sich die mutigeren mit den Hunden auf dem Wiesenboden während andere mit den Hunden spazieren gingen. Wir, Swen, Polizeihundeausbilder aus Nordrheinwestfalen, der Ausbilder Patrice, den wir schon im Mai kennengelernt hatten, und ich beobachteten den Umgang und die Reaktionen der Männer, war es doch unsere Aufgabe, aus den zehn uns zugewiesenen jungen Männern weitere Hundeführer auszuwählen.

Nach dem Swen einige Minuten dem lustigen Treiben zugeschaut hatte, drehte er sich den neugierig im Kreis versammelten Dorfbewohner zu und fing zur grossen Freude aller, vorallem der Kinder, an Seifenblasen zu pusten.

16. Juli, 16 Uhr – Endlich konnten wir uns ein bisschen entspannen. Die Tage waren schnell vergangen und das Training intensiv. Täglich waren wir mit dem Jeep und einem Lastwagen voller junger enthusiastischer Ranger zu verschiedenen Orte in die Region gefahren, hatten mit den Hundeführern getrailt und mit den für die Sicherheit zuständigen jungen Park Rangern Aufstellung und Formation geübt. Jetzt sassen wir auf unseren Plastikstühlen vor dem örtlichen Dorf Café «Chez Madame Désirée» und tranken unser Sucrée (wie die Kongolesen Süssegetränke wie Coke, Sprite etc nennen) oder Primus, das Bier der Region. Vor uns auf der Strasse die übliche Traube neugieriger Kindern, während Frauen und Männern mit ihren täglichen Arbeiten beschäftigt an uns vorbei zogen. Patrice, der sich schon einige Monate in Rumangabo aufhielt, hatte sich zur Gewohnheit gemacht ein bis zweimal pro Woche beim Bäcker des Dorfes für die Kinder Gebäck zu kaufen. So auch heute. Sobald er aus dunklen Eingang der «Bäckerei» auftauchte, stellten sich die Dorfkinder in einer Reihe auf. Eine Disziplin, die ihnen sichtbar schwer fiel. Jedes bekam ein süsses Brötchen und verschwand dann, um dies ja nicht mit noch mehr hungrigen Kameraden teilen zu müssen. Plötzlich schob sich eine magere alte Frau, die sich auf einen Stock gestützt nur mühsam vorwärts bewegen konnte, durch die Menge. Patrice gab ihr ein Gepäck, das sie schnell unter den Kleidern versteckte. Dann verliess sie so schnell wie sie gekommen war den Platz. «Sie kommt jedes Mal», erklärt Patrice. Ich schaute dieser traurigen Gestalt nach. Sie sah sehr alt aus, war es aber nicht. Vielleicht sogar jünger als ich? Das Leben im Kongo ist sehr hart, die Ernährung schlecht, wenn es dann überhaupt etwas zu essen gibt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt nur Mitte Fünfzig, wobei diese bei den Frauen, die jedes Jahr ein Kind bekommen, noch viel tiefer ist.

17. Juli, 14 Uhr – Die gelb gekleideten Mitglieder des FC Gorilla, sprich die «alten» Ranger, unter der Leitung des Conservateur (Chef des südlichen Parks) Innocent zogen an uns vorbei. Alles applaudierte. Auf der anderen Seite die blau gekleideten jungen Ranger, «unsere» Jungs. Die Wiese glich eher eine Hügellandschaft als einem Fussballfeld und war für die jungen Spieler, die zwar Talent aber wenig Technik hatten, eine Herausforderung. Nichts desto trotz wurde leidenschaftlich gespielt mit der Anwesenheit des ganzen Dorfs. Swen und ich hatten uns unter die Bevölkerung gemischt und schon wurden wir wie VIPs behandelt. Stühle wurden gebracht, etwas sehr seltenes hier, damit wir das Spiel so bequem wie möglich verfolgen konnten. Sogar ich, als absoluter Fussballbanause, fieberte mit. Ich wusste zwar die meiste Zeit nicht, was sich auf dem Feld abspielte, liess mich aber von der Begeisterung der Menge mittragen. Nach der Halbzeit musste das Spiel kurz unterbrochen werden, weil der Fussball zuerst in der Menge und dann ganz verschwand und dann jede Partei, beziehungsweise deren Fans, der anderen vorwarf, sie hätten den Ball verschwinden lassen. Die Gemühter erhitzten sich zusehends, wurden dann aber durch eines der heftigen Gewitter, das typisch für das äquatoriale Klima der Region ist, abgekühlt. Wir Zuschauer hatten uns unterdessen alle unter irgendein Dach geflüchtet, während die «toughen» Spieler klatsch nass mit begrenzter Sicht ihr Turnier beendeten. Wir, ich meine damit unsere Jungs, haben gewonnen!

14. September, 10.30 Uhr – Gespannt schauten die beiden Hunde aus dem Fenster und beobachteten die weit unten vorbei ziehende Savanne. Mit einer kurzen Leine an einem Ring am Flugzeugboden hinter dem Pilotensitz angebunden, konnten sie sich zwar relativ frei im Raum neben dem Passagiersitz bewegen, nicht aber in den hinteren Teil des kleinen Buschflugzeugs rutschen, was dieses destabilisiert hätte. Während Marcel, der mich auf meiner vierten Reise in den Kongo wieder begleitete, neben dem Direktor des Nationalparks Emmanuel de Merode sass, war ich auf dem Rücksitz für die beiden Hunde, Stella und Dodie zuständig.

14. September, 11 Uhr – Polternd setzte das kleine Flugzeug auf der holperigen Landebahn in Rwindi, der Mittelstation des Virunga National Parks auf. Die Hunde standen breitbeinig, um die Stösse auszubalancieren. Neben der Landbahn erwartete uns schon eine kleine Gruppe Parkranger unter der Leitung von Rodrique, dem Conservateur des Mittelsektors. Emmanuel wird mit Rodrique einen kurzen Aufklärungsflug unternehmen, während Marcel, ich und die Hounds die Zeit in Rwindi mit «Sight Seeing» verbrachten. Wir waren in der afrikanischen Savanne, es war heiss und trocken. Rwindi, einst das Touristenziel war nur noch eine Ansammlung von trostlosen und zerfallen Gebäuden und Hütten. Vor ein paar Jahrzehnten war hier der Ort mit der grössten Dichte an Landsäugetieren in ganz Afrika überhaupt, heute war man froh überhaupt ein Tier zu sehen. «Wir hatten das Pech dieser Station zugewiesen zu werden», sagte einer der Parkranger ruhig, der die Aufgabe übernommen hatte, uns die Station zu zeigen. 140 Personen, Frauen und Kinder und davon zirka 30 Parkranger, wohnten hier und einige Soldaten der kongolesischen Armee. Daneben eine riesige UN-Station, mit gut ausgerüsteten UN-Soldaten, die den Tag damit verbrachten, hinter hohen Mauern und Stacheldraht Fussball oder Handball zu spielen und sich zu langweilen. Wie man uns sagte, verliessen diese das Gelände so gut wie nie, auch nicht zu Zeiten höchster Gefahr, wie wenn die Parkranger von Wilderern angegriffen wurden oder sich zum Schutz von Reisenden in eine Auseinandersetzungen mit Rebellen einliessen. Hilfe von deren Seite war nicht zu erwarten.

14. September, 16 Uhr – Nach dem wir einige Minuten damit verbracht hatten Zecken von den Hunden (und uns) abzusammeln, quetschten wir uns wieder in den Innenraum des Buschflugzeugs und weiter ging es, quer über den Lake Edward, entlang des Semliki River Richtung Mutsora, der nördlichen Station des Parks. Nach einer weiteren holperigen Fahrt («Ist das eine gute oder schlechte Strasse?». «Eine gute!» «Hmmm.») nach Mutsora, liessen wir die Hunde, nach einer kurzer Erfrischungspause für die Zweibeiner, in einem kühlen Raum ruhen, während wir uns auf einen Ausflug zum örtlichen «Wasserkraftwerk» in Entstehung begaben. Damit während unserer Abwesenheit niemand irrtümlich den Raum öffnete (dessen Schloss leider defekt war) wurde eine Wache vor die Türe gestellt. VIP-Hunde mit ihrer persönlichen Wache!

Etwas später am Nachmittag wurden die Parkranger, die für eine zwei Monate dauernde Zusatzausbildung auf dieser Station waren, vor dem Hauptgebäude versammelt. Emmanuel hatte uns gebeten eine kurze Mantrailing-Demonstration für die anwesenden Parkranger zu organisieren. Während Emmanuel den Männern die Hunde und ihre Aufgabe kurz vorstellte, legte Marcel eine kurze Fährte durchs Camp. Dodie, die soeben über den ganzen Park geflogen und an einem gänzlich fremden Ort mit ganz neuen Gerüchen angekommen war, meisterte die Aufgabe mit Bravour. Zur Freude aller Anwesenden, die der, im für Bloodhounds üblichen, schnellen Tempo, arbeitenden Hündin hinterhergeeilt waren. Der «Erstkontakt» war sehr positiv, alle wollten die Hunde anfassen, nahmen mit ihren Handys Fotos auf und wollten auf das abschliessende Foto: Gruppenbild mit Bloodhounds, mit den atemberaubend schönen Rwenzori Mountains im Hintergrund, einer 5000 Meter hohen Bergkette, die neben dem Regenwald, der sich über grosse Flächen des Kongos ausbreitete, einen atemberaubend schönen Anblick boten.

19.September, ganzer Tag – Abschlussprüfung, der Tag der Wahrheit. Wir hatten Prüfungen vorbereitet. Die jungen Parkranger mussten im Team, jeweils ein Hundeführer und ein Body Guard, einen Fall bearbeiten. Ein vermisster Tourist, ein gewildertes Tier, ein Überfall und einen Einbruch. Marcel und ich stellten in Rollenspielen die entsprechende Szene nach, das Team musste die Spurensicherung, Befragung und polizeiliche Aufarbeitung des Falles übernehmen, so wie sie es von Marcel gelernt hatten. Im Anschluss mussten sie einen Geruchsartikel sichern, den sie später im praktischen Teil benutzten konnten. Es wurde fotografiert, die «Beweismittel» nummeriert und rege diskutiert. Der Rapport wurde geschrieben, Skizzen der Szene angefertigt, die zum Teil künstlerische Ausmasse annahmen. Später am Tag wurden die Fährten gearbeitet, Hundeteam, Bodyguard und die Sektion in Formation machten sich am späteren Nachmittag auf den Weg den Fall zu lösen. Wir befreiten «Touristen» aus ihrer misslichen Situation, fassten «Wilderer» in ihren Dörfern und machten gefährliche «Attentäter» unschädlich. Wir konnten stolz sein auf unsere «Jungs». Intelligent, aufmerksam und absolut professionell. Und – zum ersten Mal – hatten sie wirklich begriffen für was sie so hart trainierten und auf welche Weise ihnen diese Hunde bei ihrer wichtigen Arbeit behilflich sein konnten. Sie hatten es alle geschafft einen Fall zu lösen, von der Spurensicherung hin bis zum Fassen des Täters. Wow!

Werden Sie Mitglied des Trägervereins Stiftung Congohound: Mit dem Zweck eine Stiftung zu gründen, die das Ziel hat, weltweit Anti-Poaching-Projekte zu fördern (Sitz Schweiz), hauptsächlich mit Hilfe von Hunden.

Spenden Sie direkt auf :
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oder auf das Schweizer Konto: Virunga Dog Unit, 8967 Widen, Hypothekarbank Lenzburg, AG, 5600 Lenzburg, CH88 0830 7000 2342 4931 5, PC 50-69-8, BIC HYPLCH22XXX

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

geschrieben von:
Dr. med. vet. Marlene Zähner

Dr. med. vet. Marlene Zähner

Dr. med. vet. Marlene Zähner ist Tierärztin mit Spezialgebiet Fortpflanzung, Hundezucht und Tierschutz und war während vieler Jahre Assistentin am Tierspital Zürich. Sie lebte mehrere Jahre in den USA. Seit Juni 1999 ist sie Geschäftsführerin der Stiftung für das Wohl des Hundes. Marlene Zähner züchtet seit 1989 Bloodhounds und seit 1996 Scottish Terrier. Sie bildet Personensuchhunde für die Polizei- und Rettungsarbeit aus und ist Präsidentin des Basset- und Bloodhound-Clubs der Schweiz (BBCS). www.certodog.ch

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