Von den Kleinen in der craniosakral-osteopathischen Praxis

Die Kleinen von den Kleinen sind die Kleinsten. Sie sind glänzend, wuschelig, herzig und so oft einfach etwas bissig. So erlebe ich sie in der Praxis und bei Begegnungen unterwegs. Selten liegt es an fehlender Erziehung, oft sind die Kleinsten von Kopfschmerzen geplagt und dann – wer kennt das nicht? – reicht’s halt ab und zu, wenn jeder meint, er müsse etwas dazu sagen.

Während kleine Hunde, wie beispielsweise der Dackel, ausser den oft krummen, kurzen Beinen fast normale Proportionen aufweisen, verändern sich bei der Verzwergung auch alle Schädel- und Röhrenknochen.

Bereits beim Tibet Spaniel sind nicht nur die Beine kurz und krumm. Auch die Kopfform wird beim Hirnschädel runder und flacher im Gesichtsschädel. Die Augen wirken gross und zeigen bereits erste Formen des Kindergesichts. Interessant ist die Tatsache, dass sich bei jeder Verkleinerung einer bestehenden Rasse die Kopfform im Hirnschädelbereich verkürzt und im Verhältnis zur Länge höher wird. Die Hirnmasse wird aber nicht automatisch weniger, je kleiner der Schädel ist.

Der kleine Italiener (Italienisches Windspiel) zeigt bereits dieselbe Verformung, obwohl grössere Vertreter wie der Ibicenco oder Podenco einen dolichocepalen Schädel aufweisen. Die Folge sind Kopfschmerzen, die sich in vielfältiger Aggression zeigen können. Die Liste der Symptome ist lang.

Einige körperliche Aspekte, die in der Craniosakralen Osteopathie berücksichtigt werden: die Spannungsverhältnisse von Kopf zum Kreuzbein (cranio-sakral), von der Wirbelsäule zu den vorderen und hinteren Gliedmassen sowie die Spannungsverhältnisse ausgehend von den einzelnen Wirbeln, Spinalnervenversorgung zur Peripherie. Es können durchaus Schmerzen im Bereich der schützenden Duralröhre entstehen, die allerdings von vielen Hunden sehr gut kompensiert werden und scheinbar keine Symptome erzeugen. Im Schädelbereich werden die Störungen im Abflusssystem aus dem Hirn weniger oder gar nicht kompensiert und erzeugen somit Kopfschmerzen, die mit aggressivem Abwehrverhalten ausgedrückt werden. Selbst die Hirnnerven können bei ihren Durchtrittsstellen unter Spannung geraten und erzeugen Symptome. Viele abnorme Spannungen im Gesicht führen zu Kauschwierigkeiten oder umgekehrt. Die Eigenbewegung der Schädelknochen ist oft eingeschränkt oder diese sind einseitig gewachsen. Auch hier reagiert der Hund mit Schnappen, Beissen und Hyperaktivität.

Beim Mops kommen weitere Aspekte dazu, die vom kugelrunden Bullenbeisser stammen. Der moderne Mops wird immer kleiner, hat immer weniger Schnauze, doch Haut und Haar bleiben sich gleich, als müsste hier ein 20-Kilo-Hund hineinwachsen. Die Gelenke und das Bindegewebe werden immer weicher, wie bei dieser Hündin auf dem Bild. Sie ist absolut normal im Gewicht, tatsächlich ist nur ihr «Kostüm» viel zu gross. In diesem Sinne hat sie keine Krankheiten, sie ist jedoch anfällig für Traumen im Bewegungsapparat. Ähnlich ist es bei der Urhunderasse Spitz. Dieser Zwergspitz sieht (fast) aus wie ein grosser Spitz, doch hier sehen wir viel Haar um wenig Hund herum. Der Kopf ist bereits sehr rund, die Schnauze wird kurz, das Gesicht wird menschlicher. Die Hände bei der Behandlung richtig zu platzieren ist gar nicht einfach.

 

Lange Knochen und Zähne

Eine typische Kleinsthundedeformation entsteht, wenn an den Vorderbeinen die langen Knochen nicht gleich schnell wachsen oder einer ganz aufhört zu wachsen. Wenn ein Knochen kürzer bleibt als der andere, verdreht sich das ganze Bein nach aussen. Der Hund kann gar nicht anders als zu hinken. Alleine diese Tatsache bedeutet auf das ganze Hundeleben bezogen, dass das Gangmuster vom Hirn zwar als normal definiert wird, doch der ganze Bewegungsapparat wird in Mitleidenschaft gezogen. In der Praxis finden wir viele verschiedene Spannungsmuster, die von undefinierbarem Unwohlsein bis zu Schmerzen führen. Hier kann die Craniosakrale Osteopathie viel Entspannung ermöglichen; die Lebensqualität steigt deutlich!

Ein weiteres Phänomen ist die Tatsache, dass Kleinstrassen kaum mehr Zähne haben, wie die Schädelabbildung des chinesischen Schopfhundes zeigt. Abgesehen davon, dass gewisse Dinge nicht gefressen werden können, stört das den Hund kaum. Gravierende Fehlstellungen oder Doppelzahnreihen sind deutlich problematischer und brauchen nebst intensiver Cranio-Arbeit oft auch chirurgische Eingriffe.

 

Cavalier King Charles Spaniel

Während bei vielen Rassen Fehlbildungen an der Wirbelsäule vorkommen und häufig keinerlei Beschwerden hervorrufen, haben wir beim Cavalier King Charles Spaniel eine besondere Ausgangslage. Der Hirnschädel und die Halswirbelsäule weisen eine knöcherne Deformation auf. Der Schädel ist nicht nur rund und aufgewölbt, sondern kann am Hinterhauptknochen so dünn sein, dass der Knochen nicht schliesst, wie rechts auf dem Bild zu sehen ist. Bei einem gesunden Hund haben wir nur das Foramen Magnum (Grosses Hinterhauptloch) in der Mitte, hier geht das Stammhirn in das Rückenmark über. Die Fehlbildung bedeutet, dass das Hirn tatsächlich zum Teil herausgedrückt wird. Menschen mit der Krankheit Chiari-Malformation berichten von einem Gefühl, als ob ständig Insekten auf ihnen herumkrabbeln würden. Entsprechend ist der Hund gestresst und kratzt sich (ohne Erfolg). In der Praxis hatte ich einen solchen Hund. Diesem ging es nicht so schlecht, doch im Alter von 14 Monaten war klar, dass er nichts hört. Er schüttelte oft unvermittelt den Kopf und konnte kaum aufhören. Die selbstregulierende Cranio-Arbeit kam ihm sehr entgegen; er wurde aufmerksamer und umgänglicher, zeigte plötzlich normale Spielfreude und musste sich deutlich weniger häufig schütteln.

 

Pinscher – klein und noch kleiner

Der Prager Rattler ist so klein und leicht, das Gangbild ist so stark verändert, dass das ungeübte Auge kaum erkennt, wie dieser Winzling eigentlich abfusst. Die verknickte Rute bereitet meist keine direkten Beschwerden, ist aber trotzdem ein ungutes Zeichen. Obwohl die Gesamterscheinung des Rattlers sehr nach normalem Hund aussieht, sind die Beschwerden im Bewegungssystem und Kopf zahlreich. Oft hüpfen die Knie (Patellaluxation) und wie bei einer kleinen Nähmaschine werden alle vier Beine in die Höhe gezogen. Im Gesicht sieht man sehr gut, dass die Augen nicht mehr richtig im Schädel platziert sind. Ist der Hund so klein und die Knochen so dünn, wird es richtig anspruchsvoll, einen Kontakt zu differenzierten Stellen am Tier zu finden.

 

Allgemeines

Gerade bei Kleinsthunden ist die Craniosakrale Osteopathie ein Segen. Die Hunde weisen viele Kopfsymptome auf, die unbehandelt ein Hundeleben zur Qual werden lassen. Es gibt auch in Craniosakralen Osteopathie keine Wunderheilung, doch die Domäne der Arbeit liegt genau im Bereich der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit bis zum Kreuzbein hin. Durch die Flüssigkeitsverteilung erfährt das Nervensystem Erleichterung, Entspannung, Regulation und somit ein Stück Lebensqualität, auch wenn der Schädel real nicht grösser wird.

 

Text: Nadja Maurer

Fotos: Markus Jegerlehner

 

 

Kopfformen

Bei den Hunden wird grundsätzlich zwischen drei Kopfformen unterschieden:

  • brachycephal (kurzer Kopf)
  • mesocephal (mittellanger Kopf)
  • dolichocephal (langer Kopf)

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geschrieben von:
Nadja Maurer

Nadja Maurer

Nadja Maurer ist seit 1998 praktizierende Tierhomöopathin SHS/BTS und seit 2003 als Referentin für Ethologie und Tierhomöopathie an verschiedenen Institutionen tätig; Schwerpunkt Pferd, Hund und Katze. Sie führt Einzelberatungen in Haltung und im Umgang mit Tieren durch. Zudem leitet sie Seminare zum Thema «Körperarbeit mit Gross- und Kleintieren». Seit ihrer Geburt ist sie umgeben von Katzen, Hunden und Pferden.

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