Theratrailing – Das Trailen als Eisbrecher Teil 3/3

Es war Liebe auf den ersten Blick. Als Daniela Stange Romeo zum ersten Mal sah, wusste sie sofort, dass sie diesem tollen Hund die Chance auf ein unbeschwertes und glückliches Leben geben wollte. Tierheim- oder Strassenhunde wie Romeo, die ein Leben ohne einen «eigenen» Menschen kennen gelernt haben, sind in der Regel überaus dankbar, wenn sie ihren Lebensplatz gefunden haben. Zu Beginn ist es vor allem wichtig, den Hund zu erreichen, ihn zu «knacken». TheraTrailen kann hierbei äusserst hilfreich sein und viele Umwege ersparen. Es ist ein sehr direkter Weg, den Hund zu begeistern und für sich zu öffnen.

Text: Kitty Simione
Fotos: K-9 Suchhundezentrum, Daniela Stange

«Das erste Mal traf ich Romeo im März 2011 an der Ostsee am Strand von Eckernförde», erinnert sich Daniela Stange, «und da zeigte er sich phasenweise noch ängstlich. Wenn ihn etwas erschreckte, senkte er die Hinterläufe ab, was mich stark an meinen ersten Hund erinnerte. Auch Timmy war recht unsicher, als er zu mir kam. Ich habe mit ihm im Laufe der Zeit viele schöne Erlebnisse gehabt, denn auch Hunde aus dem Tierschutz können sich prächtig entwickeln, wenn man ihnen die Zeit gibt, die sie benötigen, um positive Lernerfahrungen zu machen.» Daniela Stange dachte schon länger über einen zweiten Hund nach. Das neue Haus mit grossem Garten bot dafür optimale Bedingungen. Ihren Wunsch hatte sie gegenüber ihrer Hundetrainerin, Lydia Borgers vom deutschen K-9 Suchhundezentrum Nord, bereits einmal erwähnt, und als Lydia Romeo kennenlernte, wusste sie gleich, dass dieser Hund wunderbar zu Daniela passen würde. Bereits aufgrund der Fotos war die engagierte Hundehalterin von Romeo ganz begeistert und mit Ausdauer dabei, sich bei Rovena Langkau um Romeo zu bemühen. Zwar zögerte Rovena anfangs, den Hund schon zu dieser Zeit wegzugeben, da er noch nicht optimal stabilisiert war und vor einer Vermittlung eigentlich noch etwas Zeit bekommen sollte. Rovena willigte nach einem gemeinsamen Strandspaziergang mit Daniela ein, ihr den Hund für drei Probetage zu überlassen, da sie das Gefühl hatte, dass es mit den Beiden gut passte. Als Mutter von zwei Kindern mit einem Haus am Meer und einem geregelten Tagesablauf war Daniela die ideale Interessentin. Aus den Probetagen wurde Romeos Lebensplatz. Entscheidend war für Rovena auch, dass Daniela sich bereit erklärte, mit Romeo im K-9 Suchhundezentrum weiter zu trailen, um ihn zusätzlich zu stabilisieren und auszulasten.

Zuhause angekommen

Romeo fand sehr schnell Zutrauen zu seiner neuen Besitzerin. Sie gab ihm die nötige Freiheit, das gegenseitige Kennenlernen in seinem Tempo zu gestalten. Er fand sich schnell zurecht, zeigte sich gegenüber den beiden Kindern, der achtjährigen Svea und dem vierjährigen Mads, sehr aufgeschlossen und lief bereits nach zwei Tagen mit seinem neuen besten Freund, dem dreijährigen Timmy, durch den Garten. Die beiden Rüden sind seither unzertrennlich und interessanterweise geben sie sich gegenseitig Kraft und Energie, obwohl sie einzeln nach wie vor kleine Angsthasen sind. In der Zeit bei Daniela hat sich Romeo weiter stabilisiert. Er ist frei und offen, sprüht vor Lebensfreude und ist sehr verschmust. Er ist «zuhause angekommen». Erziehungsmassnahmen sind jetzt wichtig und richtig. Der Hund kann das inzwischen sehr gut verarbeiten. Menschen, die Romeos Geschichte nicht kennen, werden auch seine Unsicherheiten nicht mehr sofort wahrnehmen. Am deutlichsten zeigt er sein Unbehagen noch, wenn fremde Männer zu Besuch kommen. Dann nimmt er Abstand und braucht etwas Zeit, bis er sich von selbst in die Nähe des Fremden wagt, ihn beschnüffelt und sich dann aber auch streicheln lässt. Oder auch ein Spaziergang mitten in der Kieler Innenstadt löst stellenweise noch Unsicherheiten aus. Eine gewisse Anspannung des Hundes ist dann spürbar, aber Romeo hat gelernt, in solchen Situationen seiner Besitzerin zu vertrauen. Auch zeigt er sich viel neugieriger, als dies früher der Fall war. Gerade in Stressmomenten wie diesem erkennt man, wie toll sich dieser Hund entwickelt hat.

Durch das Trailen gelingt es Daniela, die erreichten, positiven Verhaltensmuster von Romeo zu festigen. Im Moment arbeiten sie beispielsweise daran, dass Romeo sich abends nach Einbruch der Dunkelheit, auch an die versteckte Person heranwagt, wenn diese in einer dunklen Ecke sitzt.

Daniela wünscht sich für Romeo, dass er sich in jedem Moment bei ihr zuhause ganz sicher fühlen kann. Zu einem grossen Teil hat sie das auch schon geschafft. «Und ich wünsche mir, dass er so bleibt, wie er ist. Er ist ein ganz toller Hund!», schwärmt die glückliche Hundebesitzerin.

Eine neue Qualität der Beziehung

Das Trailen ist vor allem zu Beginn einer neuen Mensch-Hund-Beziehung eine wertvolle Alternative zu herkömmlichen Erziehungsmethoden, weil es die Beziehung zwischen Mensch und Hund in kurzer Zeit positiv verändert und nachhaltig stärkt. Das Team löst eine Aufgabe gemeinsam. Hund und Mensch sind dabei aufeinander angewiesen. Einer kommt ohne den anderen nicht zum Erfolg. Der Hund ist nicht mehr nur reiner Befehlsempfänger sondern löst die ihm gestellte Aufgabe selbständig. Der Mensch gibt die Führung ab und lernt, seinem Hund auch mal zu folgen, denn ohne die gute Nase des Hundes kommt er nicht ans Ziel. Dennoch bleiben die beiden über die Leine verbunden, die Kommunikation zwischen Hund und Hundeführer ist nie abgeschnitten, was dem Hund einen sicheren Rahmen für die eigenständige Arbeit vermittelt. Nicht selten ist der Mensch von der Leistung seines Hundes tief berührt. Und dies zu Recht. Er sieht seinen Hund ganz plötzlich in einem anderen Licht. Schon beim ersten Entdecker-Trail kann der Hundebesitzer meist erkennen, was sein Tier zu leisten vermag, und es wird ihm bewusst, wie talentiert der Hund in die Geruchswelt eintaucht. Mensch und Hund beginnen nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander auf ein Ziel hinzuarbeiten. Das gegenseitige Vertrauen wächst und nicht nur der Hund, sondern auch der Mensch wird zunehmend sicherer und selbstbewusster im Umgang mit seinem Tier. Durch die aufmerksame Beobachtung der Körpersprache des Hundes lernt der Hundehalter zudem seinen Hund immer besser kennen. Er entdeckt ganz neue Qualitäten an ihm, die es weiter zu fördern gilt. Ziel der Ausbildung ist es, dass der Mensch seinen vierbeinigen Partner richtig versteht und der Hund aus eigenem Antrieb gerne mit ihm kooperiert – und dies nicht nur auf dem Trail, sondern auch in allen Alltagssituationen.

Hohe Anforderungen an Hundetrainer

Wer als TheraTrail-Trainer arbeiten will, braucht zum einen Verständnis und Wissen rund um die Geruchswahrnehmung und -verarbeitung des Hundes, über dessen Verhalten, seine Körpersprache und sein Lernverhalten. Zum anderen benötigt er ein gewisses Einfühlungsvermögen für die Arbeit mit Mensch-Hund-Teams und muss mit verschiedenen Verhaltensauffälligkeiten von Hunden und manchmal auch mit verunsicherten Kunden umgehen können. Hinzu kommt das ganze nötige Wissen zum sinnvollen Trainingsaufbau, zum Legen von Trails allgemein und insbesondere für Hunde die Unsicherheit, Angst, unangebrachte Aggression oder problematisches Jagdverhalten aufweisen. Durch die Bereitschaft, viele verschiedene Mensch-Hund-Teams zu beobachten und aus deren Arbeit zu lernen, muss der angehende TheraTrail-Trainer ein gutes Gespür für das individuelle TheraTrailen entwickeln. Dabei genügt es nicht, nur den eigenen Hund auszubilden. Eine gewisse Sportlichkeit ist für den TrailTrainer allgemein Voraussetzung, denn die Arbeit ist anstrengend und verlangt viel Konzentration. Der TheraTrail-Trainer ist mental ständig präsent, um die Körperhaltung des Hundeführers zeitnah zu korrigieren, ohne dass der Hund dadurch verunsichert wird – und das auch mal über weitere Strecken.

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