Norwegens Hunde

Norwegen – das ist das Land der zerklüfteten Fjorde, der ausgedehnten, märchenhaften Wälder, der geheimnisvollen Nordlichter und der Mitternachtssonne. Das Land lockt jedoch nicht nur mit einer unberührten, spektakulären Landschaft, sondern auch mit Elchen, Rentieren, Moschusochsen, Walen und einem reichen Vogelleben. Weniger bekannt sind Norwegens Hunderassen, die mit einigen überraschenden Eigenschaften aufwarten können.

Text: Eveline Schneider Kayasseh

Norwegens Hunde haben eines gemein: Ihr Körperbau und ihr Wesen wurden wesentlich durch das nördliche Klima und ihre Verwendung geprägt. Ihre Vorfahren, skandinavische Naturrassen, wurden bereits in der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte, der Steinzeit, von den Urvölkern im hohen Norden gezähmt und als Jagdgehilfe eingesetzt. In der Wikingerzeit (ca. 800‒1050 n. Chr.) begleiteten spitzartige Hunde die seefahrenden Nordmänner auf ihren Entdeckungs- und Handelsreisen, aber auch auf Kriegszügen, die den Wikingern den Ruf von Piraten und ruchlosen Eroberern einbrachten. Ein ganz besonderes Zeugnis dieser Zeit fanden Forscher im Jahr 1880 beim Hügelgrab Kongshaugen («Hügel des Königs») nahe der Farm Gokstad nördlich der Stadt Sandefjord am Oslofjord. Eine wissenschaftliche Ausgrabung dieses Areals brachte nämlich nicht nur ein Wikingerschiff mit reichem Zubehör, das sogenannte Gokstad-Schiff, zutage, sondern auch Knochenfragmente von Hunden, Pferden und Geflügel. Aus diesen ursprünglichen Nordlandhunden gingen mehrere robuste Hunderassen hervor, die dem damaligen Hundetyp noch weitgehend entsprechen. Die wachsende Popularität der Hasenjagd im 19. Jahrhundert führte zudem zur Züchtung von Jagdhunden für die Niederwildjagd.

Dunker, Hygenhund und Haldenstøver

Die Ära der sogenannten Hasenhunde kündigte sich Anfang des 19. Jahrhunderts an, als die Jagd auf Hasen unter Norwegens Elite zu einem beliebten Zeitvertreib wurde. Aus den Zuchtbemühungen zur Blütezeit dieser Jagdform gingen drei Hunderassen hervor: der Dunker, der Hygenhund sowie der Haldenstøver. Die Reinzucht des Haldenstøver begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der südnorwegischen Stadt Halden durch die Kreuzung von lokalen Laufhunden mit dem English Foxhound und dem Beagle. Noch bevor der Haldenstøver im Jahre 1952 allerdings als Rasse anerkannt wurde, wäre er durch den Ausbruch des Caninen Parovirus (1931) sowie durch die rückläufige Nachfrage nach Jagdhunden während des Zweiten Weltkriegs fast ausgestorben. Die Zuchtbasis des weissen Hundes mit den schwarzen Abzeichen und den lohfarbenen Schattierungen an Kopf und Gliedmassen blieb klein. So klein – im Jahre 2012 verzeichnete der Norsk Kennel Club, der grösste norwegische kynologische Verein, lediglich 10 Registrierungen –, dass der mittelgrosse Hund mit den Hängeohren auch aktuell akut vom Aussterben bedroht ist.

Der nach Wilhelm Conrad Dunker benannte Dunker sowie der Hygenhund (benannt nach dem Züchter Hans Fredrik Hygen) wurden noch vor dem Haldenstøver, nämlich im Jahr 1902, als norwegische Laufhundrassen anerkannt. Ihr Schicksal sollte wechselhaft werden. Nach schwierigen Zeiten vor und nach dem Ersten Weltkrieg wurden die beiden Rassen zeitweise zusammengelegt (1925‒1934). Während sich die Zahl der jährlichen Welpeneintragungen beim Hygenhund schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wieder erholte, zog der Dunker nach Kriegsende nach, um sich schliesslich zum beliebtesten Laufhund Norwegens zu entwickeln. Beide Rassen hatten jedoch zu verschiedenen Zeiten mit einer schwindenden Qualität zu kämpfen, die insbesondere von zu häufiger Inzucht herrührte. Daher kam es beim Hygenhund in den 1970er- und 1990er-Jahren zur Einkreuzung des Dunker und ein Jahrzehnt später der Finnenbracke und des Hamiltonstövare. Ende der 1980er-Jahre gestattete der Norsk Kennel Klub auch beim Dunker die Einkreuzung anderer Rassen, was sich zwar positiv auf den Gesundheitszustand und die Genetik der Hunde auswirkte, aber nicht zu der erwarteten Zunahme der Population führte. In den letzten Jahren schwankte die Zahl der Eintragungen beim Dunker zwischen 131 und 180 Jungtieren (2012: 162 Registrierungen). Die Zahl der Hygenhundwelpen, die jährlich eingetragen werden, ist noch weitaus geringer, nämlich durchschnittlich 27 bis 44 Welpen (2012: 53 Welpen). Ähnlich ist auch der Bestand der Hasen, insbesondere der Feldhasen, in vielen Regionen Europas rückläufig. Das betrifft in Norwegen vor allem den Berghasen. Während sich der Wildtierbestand wegen der verschiedenen Ursachen, die in der Regel für einen Bestandesrückgang verantwortlich sind, schwieriger steuern lässt, könnte das Überleben des Dunker und Hygenhund mit ihrer Neuentdeckung als Familienhund gesichert werden.

Das äussere Erscheinungsbild des Dunker und des Hygenhunds weist einige Gemeinsamkeiten auf. Der Hygenhund ist ein mittelgrosser, kräftiger und kompakter Hund mit dunklen Augen und gelbrotem oder rotbraunem Fell, das üblicherweise mehr oder weniger stark ausgeprägte weisse Abzeichen sowie schwarze Schattierungen am Kopf, am Rücken und am Ansatz der Rute aufweist. Der Dunker ist ebenfalls mittelgross, eindeutig rechteckig und kräftig gebaut, ohne jedoch schwer zu erscheinen. Seine Fellfarbe ist schwarz oder blue-merle (gefleckt) mit weissen und falbfarbenen Abzeichen. Der Dunker hat übrigens sehr widerstandsfähige Ballen an den Pfoten, wodurch er viel besser als andere Laufhunderassen mit schneebedecktem und eisigem Terrain zurechtkommt.

Lundehund und Buhund

Die Pfoten des norwegischen Lundehunds weisen ebenfalls eine Besonderheit auf, denn er hat überzählige Zehen (Polydaktylie). Diese kleinen Hunde (bis zu 38 cm gross und 7 kg schwer) mit dem fuchsähnlichen Aussehen stammen von den Lofoten, einem nördlich des Polarkreises gelegenen Archipel mit einer zerklüfteten Felsenküste. Die erste schriftlich überlieferte Erwähnung der Lundehunde reicht in das Jahr 1591 zurück. Der Landvogt der Lofoten, Erik Hansen Schønnebøl, berichtete in einem Kapitel über die Insel Værøy von Hunden mit besonderen Eigenschaften, die von den Einheimischen zur Jagd auf Papageientaucher, norwegisch Lundefugl (von da stammt sein Name), eingesetzt wurden. Die Jagd auf diese Seevogelart war stets ein wichtiger Wirtschaftszweig auf den Lofoten und für einige Höfe sogar die Haupteinnahmequelle. Das Fleisch und die Eier der Vögel wurden gegessen und die Federn für die Herstellung von Kissen und Duvets verwendet oder exportiert. Die Jagd fand hauptsächlich in den Monaten Mai bis August statt, wenn sich die Vögel in grossen Scharen auf den steilen Klippen der Lofoten einfinden. Dort lassen sie sich für die Brut in natürlich vorhandenen oder zu diesem Zweck gegrabenen Höhlen nieder. Natur und Zuchtbemühungen haben den Lundehund körperlich so ausgestattet, dass die schwer zugänglichen Brutstätten für ihn kein unüberwindbares Hindernis waren. Die zusätzlichen Zehen (mindestens sechs an der Zahl) und die äusserst flexible Schulterpartie ermöglichten es den Hunden nämlich ohne weiteres, die steilen Felswände zu erklettern, ohne den Halt zu verlieren. Felsspalten überwanden sie mithilfe ihrer Vorderläufe, die sie rechtwinklig vom Körper abspreizen können. Bevor sie sich schliesslich in die engen Bruthöhlen zwängten, verschlossen die Hunde den äusseren Gehörgang durch das Zurückziehen des besonders gebauten Ohrknorpels, der es ihnen erlaubt, die Ohren zuzuklappen und sie so vor Schmutz und Tropfwasser zu schützen. Ihre geschmeidigen Körper und der Umstand, dass sie den Kopf extrem weit nach hinten biegen können, erlaubten es den Lundehunden, die Papageientaucher aus ihren Höhlen herauszuziehen ohne selbst darin steckenzubleiben.

Nachdem man Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, die Papageientaucher mit Netzen zu fangen, und die Jagd auf sie später ganz verboten worden war, endete der Jagdgebrauch der Lundehunde. Gleichzeitig entvölkerten sich die Fischergemeinden Nordnorwegens und die Zuchtbasis der Lundehunde verkleinerte sich stetig. Schliesslich blieben in der kleinen Ortschaft Måstad, dem ehemaligen Zentrum der Lundehundpopulation, nur noch wenige Exemplare dieser Rasse übrig. In den Zwischenkriegsjahren wurden einige dieser Hunde in die Obhut eines Ehepaars im Südosten Norwegens gegeben, das die Tiere fortan züchtete. Nachdem die Staupe während des Zweiten Weltkriegs fast die gesamte Lundehundpopulation auf Værøy dahingerafft hatte, sandte das Züchterehepaar einige Hunde in den hohen Norden. Später wiederholte sich dieser Vorgang in umgekehrter Richtung, da auch die Hunde im Süden Opfer der Staupeepidemie geworden waren. 1961 wurde mit lediglich fünf Lundehunden ein Zuchtprogramm begonnen mit dem Ziel, die Rasse zu erhalten (2012 wurden 87 Welpen neu eingetragen).

Höchstwahrscheinlich ist es diese kleine Zuchtbasis, die dafür verantwortlich ist, dass sehr viele dieser kleinen Hunde an einer komplexen chronischen Erkrankung des Verdauungstraktes, die von der Wissenschaft als «Lundhund-Syndrom» (Lundehund-Gastroenteropathie) bezeichnet wird, leiden. Aufgrund des gehäuften Auftretens dieser Krankheit bei Lundehunden – und nur bei dieser Rasse – wird vermutet, dass es sich um eine Erbkrankheit handelt. Betroffene Hunde können verschiedene Magen-Darm-Symptome entwickeln, wie etwa Erbrechen und Durchfall, Gastritis, Gewichtsabnahme, Lethargie, Aszites (Bauchwassersucht) und subkutane Ödeme. Es gibt Hinweise darauf, dass viele Hunde zudem subklinisch (d. h. ohne offensichtliche Symptome) erkrankt sind. Da die Ursache dieser Erkrankung unbekannt ist – man vermutet, dass das Syndrom durch mehrere Gene bestimmt wird –, kann eine Behandlung nur symptomatisch erfolgen, und zwar lebenslänglich, da eine Heilung bis heute leider nicht möglich ist.

Ziemlich robust ist hingegen der norwegische Buhund, dessen Rassebezeichnung sich vom alten norwegischen Wort bu für «Hütte» oder «Bauernhof» ableitet. Er gilt ebenfalls als Abkömmling der ersten Hunde Skandinaviens. Zu manchen Zeiten und in manchen Regionen Norwegens hatte fast jeder Bauernhof «seinen» Buhund, der als verlässlicher und agiler Hofwächter und Hütehund von Schafen und anderem Kleinvieh zum Einsatz kam. Anfang des 20. Jahrhunderts ging die Buhund-Population Norwegens durch die Konkurrenz ausländischer Rassehunde jedoch rapide zurück. In den 1920er-Jahren fanden in Verbindung mit den staatlich organisierten Ziegen- und Schafausstellungen Hundeausstellungen statt, in denen der Buhund gezeigt wurde. Dank aktiver Zuchtbemühungen in den Folgejahren – insbesondere im ländlichen Rogaland im Südwesten Norwegens – konnte der Bestand dieser Rasse vorläufig gesichert werden, wenngleich dieser sehr überschaubar bleibt (2012 wurden in Norwegen lediglich 117 Welpen neu registriert). Der Buhund ist ein Hund vom Typ Spitz, nicht ganz mittelgross (Rüden haben eine Schulterhöhe von 43‒47 cm, Hündinnen von 41-45 cm) und hat einen kompakten, quadratischen Körper. Die Ohren sind aufgerichtet und spitz, die Augen möglichst dunkel. Seine Rute ist hoch angesetzt, fest eingerollt und wird über der Mitte des Rückens getragen. Sein Haar ist dick, reichlich, hart, aber eher glatt anliegend. Die Unterwolle ist weich und dicht. Das Fell des Buhund ist weizenfarben (Biscuit) in verschiedenen Schattierungen (klare, leuchtende Farben werden bevorzugt) oder schwarz, aber jedenfalls von möglichst einheitlicher Farbe. In beiden Variationen sind kleine weisse Abzeichen akzeptabel. Der norwegische Buhund gilt als freundlicher, kommunikativer, aufgeweckter und loyaler Hund. Als Familienhund braucht vor allem eines: viel Bewegung und Beschäftigung in einer natürlichen Umgebung.

Norwegische Elchhunde grau und schwarz

Ein echter Naturbursche ist auch der Norwegische Elchhund grau (Norsk Elghund Grå). Diese Rasse gilt, obwohl der heutige Standard erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts anerkannt wurde, als Norwegens Nationalhund. Er schmückt das Logo des Norsk Kennel Klubs und ist gemessen an der Anzahl der registrierten Welpen (2012: 1000 Neuregistrierungen) der beliebteste «Norweger». Wie seine Namensgebung nahelegt, wurde dieser Hund, dessen Typ wie der des Buhunds viele Jahrhunderte alt ist, primär als Begleiter bei der Elchjagd gezüchtet. Heute hat der Elchhund zumindest einen Teil seiner Beliebtheit dem Umstand zu verdanken, dass die traditionelle Form der Elchjagd mit dem stellenden Elchhund in Norwegen nach wie vor populär ist. Da er über weite Strecken wittert, ist er auch sehr gut für andere Suchaufgaben einsetzbar. Der gesellige, kooperative Vierbeiner ist zudem ein beliebter Familienhund. Der graue Elchhund ist ein aktiver, wetterresistenter Hund, der wie der Buhund viel Auslauf und Beschäftigung gemeinsam mit bewegungsfreudigen Menschen braucht. Er gehört ebenfalls zur Familie der Spitze. Der Rüde ist idealerweise 52 cm gross; Hündinnen sollten 3 cm kleiner bleiben. Insgesamt ist der Norwegische Elchhund grau eine kurze, kompakte und quadratisch gebaute Rasse mit kräftigen Beinen und relativ kleinen, kompakten Pfoten. Sein Haarkleid ist mittellang und zeichnet sich durch dickes, grobes, reichliches Deckhaar ohne Lockenbildung und weiche Unterwolle aus. Am Kopf und an den Vorderseiten der Gliedmassen ist das Haar kurz und glatt, während es sich am Hals, den Oberschenkeln, der Rückseite der Läufe und an der Rute verlängert. Der Rassestandard sieht ein graues Haarkleid in verschiedenen Nuancen mit etwas helleren Unterseiten vor. Der graue Elchhund hat eine dunkle Maske; seine Rute ist hoch angesetzt, kräftig, verhältnismässig kurz und wird über dem Rücken straff eingerollt getragen.

Der Norwegische Elchhund schwarz (Norsk Elghund Sort) ist, obwohl die Vermutung nahe liegt, keine Unterart des «grauen Norwegers», sondern eine eigene Rasse. Mit einer idealen Schulterhöhe von 47 cm (Rüden) beziehungsweise 44 cm (Hündinnen) ist er kleiner und leichter als der Elchhund grau, entspricht diesem im Erscheinungsbild, abgesehen von der Fellfarbe (glänzend schwarz, etwas weiss an Pfoten und Brust ist akzeptabel), jedoch weitgehend. Der Elchhund schwarz hat ein furchtloses, manchmal auch eigensinniges und kommunikatives Wesen und unterhält eine enge Beziehung zu seiner menschlichen Familie. Im Jagdgebrauch kommt er als angeleinter Fährtenhund zum Einsatz. Da sich die Zuchtbemühungen in Skandinavien seit dem frühen 20. Jahrhundert auf den Elchhund grau fokussierten, nahmen seine Geburtenquoten stetig ab. Nachdem die Zuchtbemühungen ab 1950 wieder verstärkt worden waren, verzeichnet der Norsk Kennel Klub heute wieder 90‒177 Eintragungen pro Jahr, so dass die Zukunft des schwarzen Elchhunds hoffentlich bald gesichert ist.

Quellen: Norsk Kennel Klub & Norwegian Genetic Resource Centre, Native Dog Breeds of Norway, Online-Publikation; Interview mit Anne Hofmo Bjølgerud, Norsk Kennel Klub, Oslo, Oktober 2013; Nora Berghoff, Prävalenz und Teilcharakterisierung von Gastroenteropathien mit Proteinverlust beim Norwegischen Lundehund in Nordamerika, Diss. med. vet., Hannover 2006, Schweizerischer Klub für Nordische Hunde, www.sknh.ch.

Weitere Infos zu den nordischen Hunderassen erhalten Sie beim Schweizerischen Klub für Nordische Hunde: www.sknh.ch

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