«Einmal Hölle und zurück» – Tetanus beim Hund: Sehr selten, sehr gefährlich!

Eine geschätzte Kollegin hat uns dankenswerterweise über Facebook an der Behandlung eines an Tetanus erkrankten Welpen teilhaben lassen. Dank der intensiven Bemühungen der Kollegin und ihres Teams hat es der junge Hund inzwischen wohl geschafft, diese sehr gefährliche Erkrankung zu überwinden. So eine erfolgreiche Behandlung hängt aber nicht zuletzt davon ab, ob Hundebesitzer frühzeitig bemerken, dass da etwas ganz Böses im Busch ist. Deshalb hier eine Kurzinfo zum Tetanus (Wundstarrkrampf) beim Hund.

Jeder Hund hat in seinem Leben unzählige Banalverletzungen: durch Glasscherben aufgeschnittene Ballen, ein- oder abgerissene Krallen, Zahnfleischwunden durch Nagen an Stöckchen, angeknackste oder abgebrochene Zähne und Ähnliches. Insgesamt sehr selten, aber mit regional deutlich unterschiedlichem Risiko kann es dabei zu einer Infektion mit den Sporen des Bakteriums Clostridium tetani kommen. Diese sehr widerstandsfähigen Sporen können überall vorkommen, vor allem im Erdreich und im Strassenstaub, aber auch zum Beispiel in Hundekot. Herrschen in der Wunde, die als Infektionspforte dient, anaerobe (sauerstoffarme) Verhältnisse, kann sich das Bakterium dort vermehren und Toxine (Giftstoffe) produzieren, die dann zu den eigentlichen Symptomen der Erkrankung führen.

Die Wunden, die als Eintrittspforten dienen, können so klein und unauffällig sein, dass sie im Nachhinein manchmal nicht oder nur schwer identifizierbar sind. Der oben angesprochene Welpe zum Beispiel hatte sich nach Angaben der behandelnden Kollegin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit über einen abgebrochenen Milcheckzahn infiziert. Selbst über die bei Zahnfleischentzündungen häufig vorhandenen Zahnfleischtaschen kann der Erreger in den Körper eindringen. In anderen Fällen ist doch noch eine schlecht heilende oder offensichtlich infizierte, eiternde Wunde vorhanden.

In den Tagen oder sogar Wochen nach einer noch so kleinen Verletzung auftretende Symptome eines Tetanus müssen unbedingt möglichst schnell als solche erkannt werden. So kann ohne Verzug mit einer Behandlung begonnen werden, denn selbst unter engagierter Therapie ist damit zu rechnen, dass mindestens ein Viertel der Patienten nicht überlebt. Eine anfänglich – analog zu dem beim Menschen beschriebenen Verlauf – auch beim Hund auftretende Einschränkung des Allgemeinbefindens mit grippeähnlichen Symptomen wird sicher in den meisten Fällen nicht erkannt oder als nicht weiter besorgniserregend eingestuft. Die je nach Lage der Infektionspforte entstehenden Muskelspasmen können von aufmerksamen Besitzern aber sehr wohl wahrgenommen werden.

Steifer Gang und Verkrampfungen, vor allem der Streckmuskulatur, die durch äussere Reize (Geräusche, Berührungen etc.) verstärkt werden, müssen alle Alarmglocken läuten lassen. Wird die Gesichtsmuskulatur erfasst, was bei einer Infektion über die Mundhöhle auch gleich zu Anfang passieren kann, kommt es zum typischen Tetanusgesicht: Die Ohren sind permanent nach oben und innen gezogen. Dadurch zeigen sich eventuell auch deutliche Längsfalten der Kopfhaut zwischen den Ohren. Der Blick wirkt starr, das Augenweiss ist zu sehen und die Nickhäute (die dritten Augenlider) treten vor. Die Lefzen werden bei geöffneter Maulspalte nach hinten gezogen, sodass der Eindruck eines verkrampften Grinsens entsteht, das beim Menschen Risus sardonicus (Teufelsgrinsen) genannt wird. Wenn auch nicht alles immer gleichzeitig in der beschriebenen Form vorliegen muss, so ist doch der Gesichtsausdruck eines Tetanuspatienten, wie Sie ihn auf dem Vergleichsfoto sehen können, sehr eindrücklich verändert.

 

Gleichzeitig treten auch durch Spasmen der Kehlkopf- und Halsmuskulatur zunehmend Probleme mit der Futter- und Wasseraufnahme auf. Tetanuspatienten müssen deshalb häufig über längere Zeiträume per Infusion und Magensondenernährung «über Wasser» gehalten werden. Sowohl Harn- als auch Kotabsatz können grosse Probleme bereiten. Bezüglich der Behandlung will ich nicht viele Worte verlieren, da dies nicht das Thema dieser Kurzinfo sein soll. Es geht mir nur darum, ein Bewusstsein für die auftretenden Symptome zu schaffen, damit – wenn es mit dem Teufel zugehen sollte – Ihr Hund schnellstmöglich tiermedizinische Hilfe bekommt.

Aber noch einmal zur Klarstellung: Insgesamt und ohne Berücksichtigung regionaler Unterschiede ist die Krankheit beim Hund extrem selten! Es ist die Rede von einem Risiko von 1 : 1 000 000. Ob das wirklich so stimmt, kann aufgrund fehlender statistischer Daten nicht belegt werden. Der Hund ist in Bezug auf Tetanus auf jeden Fall um ein Vielfaches unempfindlicher als Mensch und Pferd, die beide – im Gegensatz zum Hund – besser gegen Tetanus geimpft sein sollten. Die Ständige Impfkommission (Stiko Vet, Deutschland) empfiehlt die Tetanusimpfung für den Hund ausdrücklich nicht. (Anmerkung der Redaktion: Auch die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin SVK-ASMPA empfiehlt die Tetanusimpfung nicht.)

Wenn es Ihren Hund je erwischen sollte, dann müssen Sie sich auf eine richtig harte Zeit einstellen. Irgendwo im Netz habe ich die Formulierung «Einmal Hölle und zurück» gelesen, was ich so unterschreiben würde. Wenn auch oft nach spätestens vierzehn Tagen klar wird, ob der Patient überleben wird, so kann sich die Behandlung trotzdem über mehrere Wochen ziehen, während derer noch die ganze Zeit Komplikationsrisiken lauern.

Text: Ralph Rückert, Tierarzt

 

Infoseiten und Erfahrungsberichte zum Thema:

www.kaltnase.de

www.enthralling-golden.de/html/tetanus.html

www.hollandse-herder-portal.de, siehe «Infektionskrankheiten/Erfahrungsbericht-tetanus»

 

 

Tetanus, Wundstarrkrampf beim Hund

Akute, teils subakute schwere Infektionskrankheit

Das Bakterium Clostridium tetani gelangt meist über verunreinigte Wunden in den Körper. Es kommt im Darm und vor allem im Stallmist, aber auch in Hundekot und überdüngten Böden vor.

Das Bakterien Clostridium tetani ist empfindlich gegen Desinfektionsmittel und Hitze; es überlebt nicht lange ausserhalb des Körpers. Seine Sporen dagegen bleiben in der Umwelt unter optimalen Bedingungen jahrelang infektionsfähig. Durch Hitze bis zu 120 Grad Celsius für 15 bis 20 Minuten und die üblichen Desinfektionsmittel sind sie nicht abzutöten.

Die Tetanushäufigkeit variiert stark je nach Region. Hunde haben eine 600-mal höhere Resistenz gegen das Bakteriengift Tetanospasmin als Pferde.

 

Mögliche Symptome

  • Periphere tonische Muskelspasmen; die Muskeln werden spürbar steif und hart.
  • Kopfmuskeltonisierung, die mit einer Verkrampfung der mimischen Muskulatur beginnt: typische Stirnfältelung und Annäherung der Ohransätze beziehungsweise der Ohrspitzen, Rückwärtsziehen der Maulwinkel, Speichelfluss, Lidspaltenverengung, aufgesperrte Augen infolge von Augenwinkelretraktion, Einfallen der Augen mit Nickhautvorfall, tonischer Kaumuskelkrampf mit Kiefersperre, der Kauen und Trinken behindert.
  • Konvulsionen (Krämpfe) und eventuell Atemstillstand
  • Autonome Dysfunktionen
  • Extreme Licht- und Geräuschempfindlichkeit
  • Schluckstörung, passiver Auswurf von Wasser und/oder Futter
  • Alle Muskeln verhärten sich
  • Deutliche Erhöhung der Körpertemperatur
  • Nacken und Rute sind steif und gestreckt, «Sägebockstellung»

Die ersten Symptome treten 5 bis 21 Tage nach der Infektion auf.

 

Komplikationen:

  • Aspirationspneumonie (Lungenentzündung durch Fremdkörper als Folge der Schluckstörung)
  • Larynx- und Atemmuskelspasmen mit Erstickungsanfällen und eventuell Tod des Patienten
  • Hyperventilation bis zur Erschöpfung
  • Erschwertes und/oder schmerzhaftes Ablassen des Harns
  • Gasige Auftreibung des Bauchraums
  • Frakturen
  • Atemstillstand

 

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geschrieben von:
Ralph Rückert

Ralph Rückert

Ralph Rückert hat in München Tiermedizin studiert und ist seit 1989 in eigener Praxis in Ulm/Donau niedergelassen. Neben der haustierärztlichen Tätigkeit und der Arbeit an seinen Blog­Artikeln sind seine speziellen Interessenschwerpunkte die Zahnmedizin, die kleinen Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen und Co., die Anästhesie insbesondere auch alter und kranker Patienten, die Endokrinologie unter Betonung der verhaltensmedizinischen Bedeutung der Schilddrüsenunterfunktion beim Hund und ein modernes Impfmanagement. www.tierarzt­rueckert.de

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