Die Hundezunge − Vielfältig wie ein Schweizer Taschenmesser

Schon im Mittelalter stritt man sich über des Hundes faszinierendstes Organ: Segen der Wundheilung oder Wiege von Krankheiten? Zwar entzweien sich noch heute die Geister darüber, doch eines ist zumindest sicher: Die Zunge ist beweglich wie eine Schlange und überraschend vielfältig.

Über die Hundezunge weiss man mittlerweile viel. Sie ist zum Beispiel ein wahrer Muskelprotz. Muskeln über Muskeln befinden sich in der Zunge, was sie so beweglich wie einen Akrobaten macht. An der Zungenspitze sitzt ausserdem die knapp vier Zentimeter lange sogenannte Lyssa, eine Art Schlauch, dank dem der Hund seine Zungenspitze fast unabhängig vom Rest der Zunge verformen kann: Rohr, Spatel, Kelle – alles kein Problem. Die Verformbarkeit der Zunge ist atemberaubend.

Die Länge der Zunge ist unterschiedlich. Zum einen hängt sie von der Rasse ab, zum anderen ist sie aber auch sehr individuell. Die längste hatte laut «Guinnessbuch der Rekorde» Boxerhündin Brandy aus Michigan (USA). Noch immer ist ihr mittlerweile über zwei Jahrzehnte zurückliegender Rekord von enormen 43 Zentimetern ungebrochen. Allerdings war diese Länge ein Geburtsfehler und alles andere als spassig für die Hündin. Die Zunge war einfach zu gross für ihr Maul und hing ständig heraus, was zur dauerhaften Dehydrierung führte. Brandy hatte immer Durst.

Akrobatisches Physikgenie

Das Trinken war nicht nur bei Brandy eine der wichtigen Aufgaben der Zunge. Um banales Schlabbern geht es hierbei allerdings nicht: Seit ein paar Jahren weiss man, dass Hunde perfekte Meister der Hydrodynamik sind − auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag. Wie auch Katzen haben Hunde ein ausgefeiltes Trinksystem entwickelt, für das sie die Flüssigkeitsdynamik nutzen.

Forscher der Harvard-Universität fanden anhand von Zeitlupenstudien erst vor wenigen Jahren heraus, dass Hunde ihre Zungenoberfläche parallel zur Wasseroberfläche auftreffen lassen und dann kurz zurückziehen. Laut den harvardschen Evolutionsbiologen Alfred W. Crompton und Catherine Musinsky formen Hunde dafür ihre Zunge zwar zu einem Löffel, sie löffeln das Wasser aber nicht. Durch die Zungenbewegung entstehen Adhäsionskräfte, die das flüssige Nass nach oben reissen und eine Wassersäule entstehen lassen. Bevor der Schluck in sich zusammenfällt, schnappen die Vierbeiner zu und das Wasser fliesst so lange ins Maul, bis die Säule komplett durchgebissen wurde. Das Ganze wiederholt sich dann ein paarmal, wobei eine einzige solche Trinkeinheit laut den Wissenschaftlern jedes Mal exakt 342 Millisekunden dauert.

So beeindruckend die Hundezunge bei der Trinkbewegung ist, so minimal ist ihre Funktion, wenn es um den Geschmack geht. Kaum kauen Hunde auf ihrem Futter herum, schon hat die Zunge eine Aufgabe: Um alle Brocken schön glitschig und matschig zu machen, wird der grösste Teil des dafür benötigten Speichels an der Unterzungendrüse produziert. Hier beginnt auch die kanine Verdauung, und nicht erst wie bei uns Menschen im Magen. Trotzdem sitzen nur rund 1 500 Geschmacksrezeptoren auf der Hundezunge. Das sind knapp sechsmal weniger als beim Menschen. Schmecken können unsere Fellnasen daher nicht so viel von dem, was sie gerade im Maul haben. Zwar unterscheiden sie geschmacklich süss, sauer, salzig und bitter, für etwaige Nuancen reichen die Rezeptoren aber nicht. Auch können Hunde im Gegensatz zu Katzen keine Frische beziehungsweise Schmackhaftigkeit wahrnehmen. Für unsere Fellnasen braucht Hundefutter daher nicht «gut» zu schmecken. Es muss nur spitzenmässig riechen. Sagt die Nase «lecker!», läuft Hunden nämlich im wahrsten Sinne die Spucke im Mund zusammen. (…)

Den vollständigen Beitrag können Sie in der Ausgabe 8/17 lesen.

geschrieben von:
Röttgen Regina

Röttgen Regina

Geduld gegenüber Tieren ist bei Regina Röttgen grenzenlos. Nach abgeschlossenem Philosophie- und Anglistikstudium hat sie, nach einer diagnostischen Odyssee für ihren Siamkater, die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin gemacht und eine türkische Heimtierzeitschrift verlegt. Sie lebt im Südwesten der Türkei mit ihrem türkischen Mann, zwei Söhnen, zwei Katzen, einem Rudel Hunde und Hühnern ausserhalb eines kleinen Dorfes. Dort arbeitet sie als freiberufliche Autorin und Redakteurin.

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