Der Islandhund ‒ der pfiffige Inselbewohner

«Islandhunde?» ‒ «Das sind doch recht grosse Schlittenhunde, oder?» So beginnt oft ein Gespräch mit Leuten, die noch nie etwas von einem Islandhund gehört haben. Erfahren Sie nun mehr über diese urtümliche und lebhafte Rasse.

Text: Pia Stämpfli mit Unterstützung von Daniela und Martina Gerber

Herkunft

Der Islandhund ist ein typischer Vertreter des nordischen Urtyps Spitz. Er wird deshalb oft fälschlicherweise als Islandspitz bezeichnet. In allen anderen Sprachen ist aber sein Einsatzgebiet als Hütehund bereits im Namen vorhanden (Íslenski Fjárhundurinn, Icelandic Sheepdog, Chien de berger islandais als Beispiele).

Seine Entstehung geht bis ins Mittelalter zurück und ist in Geschichtsbüchern recht gut dokumentiert. Dank Bemühungen ab Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Rasse so verbreitet, dass sie nicht mehr vom Aussterben bedroht ist. Mehr dazu am Schluss des Artikels.

Verwendung

Der Islandhund ist ein Hüte- und Hofhund. In seiner Heimat wird er noch häufig als Arbeitshund gebraucht. Er unterstützt die Bauern bei ihrer täglichen Arbeit auf dem Hof. Das Eintreiben der oft auf entlegenen Weiden grasenden Schafe und Pferde liegt ihm im Blut. Auch ohne Anleitung weiss er genau, was er zu tun hat. Nässe und Kälte scheut er dabei ebenso wenig wie unwirtliches Gelände.

Eine weitere Aufgabe ist das Bewachen des Hofes. Freunde und Fremde werden mit lautem Gebell angekündigt. Aber trotz seiner Aufgabe als Wachhund wurde stets grosser Wert auf Freundlichkeit und Zutraulichkeit gelegt. Jegliche Schärfe wurde bei dieser Rasse gezielt weggezüchtet.

Erziehung und Beschäftigung

Islandhunde beobachten oft den Himmel und vertreiben Krähen und andere Vögel lautstark. Durch ihr Bellen schützten die Hunde damit die neugeborenen Lämmer und die zum Trocknen aufgehängten Fische der isländischen Bauern.

Man kann sich unschwer vorstellen, dass auch der «Familien-Islandhund» mit Vergnügen hinter Krähen, Möwen, Fischreihern usw. herrennt und diese mit lautem Gebell vertreibt, das weitherum zu hören ist. Eben, ein Islandhund an der Arbeit!

Obwohl der Islandhund keinen ausgeprägten Jagdtrieb besitzt, ist es trotzdem wichtig, diese «Arbeit» gut zu kontrollieren, da er sonst, bestätigt durch seinen Erfolg, kläffend hinter allem her jagt, was ihn zum Rennen animiert.

Islandhunde lieben Apportierspiele und rennen sehr gerne hinter Bällen oder Frisbees her. Was vom «Himmel» fällt, finden sie auf Anhieb, sei es ein Futterbeutel, ein Dummy oder irgendein Spielzeug. Gerne zeigen sie anderen Hunden ohne grosses Suchen und mit einem «Lachen im Gesicht», wo der verloren gegangene Kong liegt, und bringen diesen zurück.

Suchspiele jeglicher Art sind ein Vergnügen für den Islandhund. Hinter Bäumen versteckte Familienmitglieder, Gegenstände und am liebsten mit Futter gefüllte Büchsli findet er und freut sich über den Erfolg. Aber bitte nicht vergessen, den fleissigen Arbeiter auch gebührend zu loben und ab und zu den Deckel der mit Futter gefüllten Büchse zu öffnen. Das braucht der Islandhund, um motiviert weiter zu arbeiten.

Verhalten und Wesen

Islandhunde lieben die Abwechslung, die ihnen die Arbeit auf dem Hof und das Leben in der Familie bringt. Sie möchten gerne überall dabei sein und helfen unermüdlich mit, wenn es etwas zu erledigen gibt. Auch Kinder und andere Tiere gehören zum Freundeskreis des Hundes. So wurden sie zum anhänglichen und menschenbezogenen Hund. Oft suchen sie sich ein Familienmitglied als Bezugsperson aus. Diesem weichen sie wenn möglich nicht von der Seite. Deshalb fühlt sich ein Islandhund auch bei einer Einzelperson wohl, wenn sie ihm genug Abwechslung bieten kann.

Trotz dieser vielen guten Eigenschaften ist der Islandhund kein einfacher Hund. Sein oftmals gut erkennbarer nordischer Dickschädel braucht eine konsequente Führung. Härte und Strenge verträgt er aber schlecht. Regeln werden immer wieder hinterfragt und nach Möglichkeit etwas gelockert. Mit seinem «lachenden» Gesicht ist es ihm ein Leichtes, seinen Chef um den Finger zu wickeln.

Ein gelangweilter Islandhund kann zum mühsamen Mitbewohner werden. Er wandelt den Garten mit Vergnügen nach seinem Gutdünken um, kläfft alles und jeden an, der sich dem Haus nähert oder durch das Fenster zu sehen ist und wird ohne Gartenzaun zum Streuner. Er findet überall etwas zum Fressen und riecht dann auch entsprechend. Die Nerven seines Halters können so arg strapaziert werden!

Mit genügend Abwechslung und sportlicher Betätigung begleitet ein Islandhund seinen Menschen aber auch gerne ins Büro und wartet dort geduldig, bis dieser wieder Pause und Zeit für ihn hat. Seine freundliche Art belohnt ihn meist bald mit der Zuneigung der Mitarbeitenden.

Erscheinung und Pflege

«Sie haben aber einen schönen Hund. Ist das ein Mischling?» Solche Fragen kennen fast alle Besitzer von Islandhunden. Das Aussehen ist sehr verschieden, kaum einer ist genau gleich wie ein zweiter. Die meisten sind zwei- oder dreifarbig, wobei eine Farbe vorherrschen muss. Weiss als dominante Farbe ist nicht erwünscht. Ein Fleckchen davon ziert aber jeden Islandhund. Am häufigsten treffen wir sogenannt rote Islandhunde an, gefolgt von den sandfarbenen. Die Varietäten Schwarz tricolor, Braun tricolor und Schecken sind seltener anzutreffen, obwohl sie mittlerweile gezielt gezüchtet werden.

Die Haarlänge ist selten ganz kurz, sondern variiert von mittel bis lang und wird durch eine dichte Unterwolle ergänzt. Das Fell des Islandhundes ist quasi selbstreinigend und wetterfest. Der langhaarige Typ hat hinter den Ohren, am Hals und an der Rückseite der Vorderläufe langes Haar und trägt den Schwanz sehr buschig. Er braucht dadurch etwas mehr Pflege. Oft verändert sich sein Fell nach der Kastration. Die Unterwolle wird dichter und das Deckhaar kann an Glanz verlieren. Die dichte Unterwolle kann beim Fellwechsel zur Plage werden. Tägliches Kämmen ist in dieser Zeit ein Muss. Islandhunde haben kräftige Stehohren und tragen ihre gekringelte Rute auf dem Rücken.

Die Grösse des Islandhundes liegt zwischen 38 und 48 Zentimeter, bei einem Gewicht von 9 bis 18 Kilo. Die Rüden sind deutlich grösser und kräftiger als die Hündinnen.

Wolfskrallen an den Hinterläufen müssen vorhanden sein; erwünscht sind doppelte. Selten kommen diese sogar an den Vorderläufen vor. Islandhunde mit doppelten Wolfskrallen an allen vier Pfoten nennt man «alspori». Die Wolfskrallen sollen die Trittsicherheit der Islandhunde in unwegsamem Gelände noch erhöhen.

Obwohl der Islandhund sehr schnell erwachsen aussieht, braucht er zwei Jahre, bis seine körperliche Entwicklung abgeschlossen ist. Dies sollte bei sportlichen Aktivitäten berücksichtigt werden.

Beschäftigung und Sport

Islandhunde lieben sportliche Aktivitäten. Sie machen freudig mit, sei es bei der Nasenarbeit, im Agility, Mobility oder Jugend & Hund, als Katastrophen- und Lawinensuchhunde, im Dog Dancing oder Obedience. Einfach überall, wo Motivation und Spass im Vordergrund stehen und Teamwork gefragt ist. Arbeiten unter Druck liegt dem Islandhund jedoch nicht.

Einige sind auch als Therapiehunde im Einsatz und verrichten diesen Dienst sehr gerne. Aber auch lange Spaziergänge in Feld und Wald, Schwimmen und Apportieren aus dem Wasser, Bergwandern, Spielen im Schnee, Erlernen von Tricks und Kunststücken und Mitlaufen auf Ausritten sind für den Islandhund eine willkommene Abwechslung. Denkspiele lockern einen langen Regentag auf. Nur für den Schutzdienst eignet sich der Islandhund nicht.

Gesundheit und Zucht

Der Islandhund als mittelgrosser, robuster Hund hat eine hohe durchschnittliche Lebenserwartung. Nicht selten wird ein Alter von über 16 Jahren erreicht.

Um zur Zucht zugelassen zu werden, müssen die Islandhunde in der Schweiz auf Hüftgelenksdysplasie und vererbte Augenerkrankungen (z. B. Katarakt) untersucht werden. Zudem muss ein zukünftiger Zuchthund die Ankörung des Islandhundeclubs bestehen.

Hierzulande ist der Bekanntheitsgrad des Islandhundes immer noch gering und demzufolge ist er bisher auch nur relativ selten in der Schweiz anzutreffen. Die grösste Population ist in Dänemark zu finden. Aber auch in Deutschland, Skandinavien, den Niederlanden und in den USA erfreut sich diese Rasse grosser Beliebtheit.

Geschichte

Die bemerkenswerte Geschichte des Islandhundes beginnt um das Jahr 874 mit der Ankunft der ersten Siedler auf der Nordmeerinsel Island. Die Landnehmer brachten unter anderem auch Hunde mit, die sie zum Treiben und Hüten der Pferde, Schafe und Rinder brauchten.

Die in Kopenhagen lebenden isländischen Forscher Eggert Ólafsson und Bjarni Pálsson bereisten die Nordmeerinsel in den Jahren 1752‒1757, um die Bevölkerung und das Land zu erfassen. Ihr Bericht enthielt auch eine Schilderung des Islandhundes.

Es existierten damals drei Arten von Hunden. Die langhaarigen Hüte- und Treiberhunde mit dichter Unterwolle unter dem Deckhaar. Diese Hunde wurden nicht nur als Hütehunde eingesetzt, sondern verrichteten auch noch Stöberarbeiten. Daneben beschrieben die Forscher einen hochbeinigen, rauhaarigen Jagdhund und Zwerghunde.

Das erste Hundegesetz in Island wurde 1869 erlassen. Es diente dem Zweck, die grosse Anzahl Hunde zu dezimieren, weil diese Bandwürmer auf die Menschen übertrugen. 1871 wurde eine Hundesteuer eingeführt. Sie galt für alle Hunde ausser einigen Hüte- und Treibhunden auf dem Lande. Um das Jahr 1900 stellte der in Reykjavík tätige Arzt Christian Schierbeck fest, dass Islandhunde nur noch auf abgelegenen Höfen zu finden waren. Der Import von anderen Hunderassen hatte zu starken Vermischungen geführt. Im Jahr 1901 wurde das Einführen von Hunden nach Island verboten.

In vielen Reisebüchern aus dieser Zeit finden sich auch Schilderungen des Islandhundes. Obwohl diese nicht übereinstimmend waren, handelt es sich um dieselbe Rasse. Es wurde beschrieben, dass die Hunde auf vielen Höfen als Hüte- und Treiberhunde unverzichtbar seien. Die besten Hunde kosteten damals so viel wie ein Pferd.

Islandhunde wurden als Rasse zuerst 1898 in Dänemark und 1905 auch in England anerkannt, als ein Islandhund in das Zuchtbuch des Englischen Kennel Club eingetragen wurde.

Der britische Adelige Mark Watson bereiste Island ab 1930 häufig; zuerst zu Pferd und später im Auto. Auf seinen frühen Reisen begegnete er dem Islandhund oft, aber ab 1950 traf er ihn kaum noch an. Er beschloss, die Rasse zu retten. Der damalige Oberveterinär Páll Agnar Pálson unterstützte ihn dabei. Er war Watson behilflich beim Export von einigen Hunden nach Kalifornien. Leider waren die Zuchtbemühungen im Ausland nicht sehr erfolgreich. Seuchen und Unfruchtbarkeit infolge starker Inzucht zerstörten fast die ganze Hundepopulation. Eine Hündin blieb bei Páll. Diese trug später bedeutend zur Erhaltung und Verbreitung der Rasse in Island bei.

Um diese Zeit hatte die Isländerin Sigrídur Pétursdottir von Ólavsvellir in Südisland einen Islandhundrüden entdeckt, den sie allerdings nicht erwerben konnte. Wieder half der Oberveterinär weiter und unterstützte das Ehepaar Pétursdottir tatkräftig beim Aufbau der ersten Islandhundezucht mit dem Namen «frá Ólafsvöllum».

Páll machte die Isländer auch auf Mark Watson in England aufmerksam. Durch deren Zusammenarbeit begann 1967 die gezielte Zucht des Islandhundes.

Leider gibt es kaum Literatur zum Islandhund. Das dreisprachige Buch «Íslenski fjárhundurinn ‒ Der Islandhund ‒ The Icelandic Sheepdog» von Gísli Pálsson ist längstens vergriffen. Der geschichtliche Hintergrund des Islandhundes wurde diesem Buch entnommen.

Weitere Informationen zum Islandhund sind auf der Homepage des Islandhundeclubs Schweiz zu finden: www.islandhundeclub.ch.

Ebenfalls aufgelistet sind die aktiven Züchter und wichtige Adressen.

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

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