Das Löwchen ist ein kleiner, quadratischer Hund, der voller Elan und mit wehender Mähne die Welt erobert. Dass er dabei nur etwa 30 Zentimeter hoch ist, bis zur Schulter versteht sich, ist ihm Wurst. Schliesslich zählt doch vor allem die innere Grösse.
Woher kommen Löwchen?
Rembrandt malte sie und Goya auch; Löwchen jeweils in Begleitung anmutiger, aristokratischer Damen. In der Zeit des Rokoko (1720 bis 1770) erfreute sich der elegante Gesellschaftshund besonders hoher Wertschätzung. Und so durfte auch Madame de Pompadour sich von François Boucher mit einem Löwchen malen lassen.
Aber wie fand der Miniaturlöwe seinen Weg in die aristokratischen Häuser? Grundsätzlich ist das Löwchen ein Bichon, weshalb er zu der Gruppe mehr oder weniger langhaarigen Zwerghunde zählt. Diese sind so etwas wie Klassiker, denn schon seit der Antike sind sie im Mittelmeerraum bekannt und galten auch damals als die passenden Begleiter der vornehmen Damen. Ihr Haarkleid ist weich, glatt, gewellt oder gekräuselt. Je nach Haarbeschaffenheit und -schnitt unterscheidet man zwischen Malteser, Havaneser, Bologneser, Bichon Frisé, Coton de Tulear und Löwchen.
Keiner dieser Hunde sollte eine Schulterhöhe von über 30 Zentimetern haben. Auch die rechteckige Körperform ist ihnen allen gemeinsam. Sowie die stolze, über dem Rücken getragene Rute.
Wo und wann die Bichons oder bichonähnliche Hunde im Mittelmeerraum erstmals auftauchten, kann heute nicht mit Sicherheit gesagt werden. Jedoch gibt es auf einer griechischen Vase aus Athen, datiert auf das 5. Jahrhundert vor Christus, die Darstellung eines kleinen, langhaarigen Hundes. Dass es sich dabei tatsächlich um einen modernen Bichon handelt, ist zu bezweifeln. Aber es ist ein Hinweis dafür, dass es den kleinen, langhaarigen Hundetyp schon seit über 2000 Jahren gibt.
Auch bei den Römern soll dieser Hund beliebt gewesen sein, weshalb sie ihn bei ihren Eroberungszügen nach Spanien, Südfrankreich und in andere Mittelmeerländer mitnahmen.
Aus dem Mittelalter gibt es gleich mehrere Darstellungen, die bichonähnliche Hunde zeigen. Wobei auch hier die Tradition des Damenhundes durchschlägt. So schreibt Conrad Gessner, ein Schweizer Arzt und Naturforscher, 1563: «Kleine / schöne / lustige hündle / so vor zeyten sonderlich auf einer Insel Melitea genannt / von welchen sy den namen überkommen / Melitei werden zu unseren zeyten genant schossen hündle / werdendt theur gekoufft / in grosser wirde gehalten und wollust bey den edlen weyberen / werde auch genant gutschen hündle und bracken / sind klein / haben vil haar / sind weyss / mit roter fläcken besprengt / werden auch von etlichen leüten besonderlich gespeyst und erzogen.»
Bis die Franzosen diese Hunde in verschiedene Rassen unterteilten, galten sie mehr oder weniger als ein und derselbe Schlag, weshalb auch heute die Unterscheidung für Aussenstehende nicht ganz einfach ist. Wie auch Hans Räber, Schweizer Kynologe und Buchautor, schreibt: «Die Beziehung zu den übrigen Bichon-Rassen ist unklar, wie überhaupt die Abgrenzung innerhalb der ganzen Rassengruppe zum Teil auch heute noch unklar ist.» So zitiert er auch einen Rassebeschrieb von Schneider-Leyer (1960), der schreibt: «Falls Haarkleid löwenartig frisiert = Löwchen».
Mit dem Ende der Monarchien um die Jahrhundertwende kam das Löwchen ziemlich aus der Mode und wäre beinahe ausgestorben.
Hätte Madame Bennert nicht in Brüssel die letzten dieser Hunde von der Strasse geholt, wäre das Löwchen heute vermutlich Geschichte. Ihre Zucht soll sich auf zwei Hunden begründen. Trotz aller ihrer Bemühungen wurde das Löwchen 1960 mit weltweit etwa 40 Exemplaren als die seltenste Hunderasse der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde eingetragen.
Auch heute ist das Löwchen selten, hat sich aber im Vergleich zu dieser Zahl recht gut erholt. So verzeichnet der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) 2016 119 Welpen.
Nur eine Frisur?
Das Löwchen ist also ein kleiner, seltener und langhaariger Hund mit besonderer Schur, die übrigens auch heute noch auf der Ausstellung verlangt wird. Die Frisur ist keine neuartige Mode, sondern eine Jahrhunderte alte Tradition. Bereits auf dem Titelblatt des Kapitels «von den Hunden» (1563) von Conrad Gesner ist ein Zwerghund mit Löwenschur abgebildet. Und in der Kathedrale von Amiens (14. Jahrhundert) finden sich zwei in Stein gehauene Hunde mit derselben Fellpracht.
Da es sich, zumindest historisch betrachtet, um einen sogenannten Damenhund handelt, ist es schon möglich, dass vielleicht eine gewisse Verspieltheit zu der Frisur geführt hat. Denn auch heute ist die Vorstellung, mit einem kleinen Löwen spazieren zu gehen, ganz reizvoll. Aber es gibt wohl auch praktische Gründe für diese Schur. So ist bekannt, dass das Löwchen auch gerne als wärmende Bettflasche eingesetzt wurde. In diesem Zusammenhang ist an die Hygiene zu denken. Denn ein Hund mit langem Fell neigt gerade im Afterbereich und bei den Genitalien zu Verschmutzungen.
«Es könne sich aber auch», wie der Löwchenclub Deutschland scheibt, «um die Wasserhundeschur (wie heute noch beim Portugiesischen Wasserhund zu sehen) handeln; weshalb es auch möglich ist, dass das Löwchen zur Entenjagd abgerichtet wurde. […] Seine grosse Anhänglichkeit einerseits und die ausgeprägte Spiel- und Apportierfreude andererseits lassen beide Theorien durchaus glaubhaft erscheinen.»
Die Haarpracht
Wie auch die übrigen Bichons zeichnet sich das Löwchen durch einen üppigen Fellwuchs aus, der seidig, lang, gewellt, dicht, aber ohne Unterwolle sein soll. Auch sind bei ihm alle Farben und kombinierten Färbungen erlaubt, weshalb er auch in so verschiedenen Farben wie Schwarz, Schokoladenbraun, Schwarz und Loh, Creme oder Schwarz-silber daherkommt.
Trotz der fehlenden Unterwolle sollte man als Löwchenbesitzer den Griff zur Bürste nicht scheuen. Denn in dem eleganten Fell bleiben gerne Blätter, Äste oder sonstiges Grünzeug hängen. Davon muss das Fell täglich befreit werden. Zudem sollte die Haarpracht auch zwei bis drei Mal in der Woche etwa 30 Minuten durchgebürstet werden, da es sonst hoffnungslos verfilzt und der Hund bald aussieht wie ein wandelnder Teppich. Weil dieses Prozedere fast zum Tagesprogramm gehört, lohnt es sich, bereits den Welpen vorsichtig an das Bürsten zu gewöhnen. So wird diese Aufgabe für beide Seiten ein gemeinsames Vergnügen.
«Aber», wie Familie Tröstl, die seit 2001 erfolgreich Löwchen züchtet und ausstellt, ergänzt, «die Frisur muss zum Lebensstil von Hund und Besitzer passen. Wenn jemand sehr viel draussen unterwegs ist, ist niemandem geholfen mit der klassischen Langhaarfrisur. Da lässt man das Fell besser kurz scheren.»
Auch den älteren Löwchen ist das aufwendige Bürsten meist irgendwann zu viel, weshalb man, wenn es das Löwchen anzeigt, auch einen Schlussstrich ziehen darf und es besser schert.
Ist man selbst nicht gewillt, die Kunst des Scherens zu erlernen, bringt man sein Löwchen am besten in einen Hundesalon seines Vertrauens. Dieser schert entweder die klassische Löwchenfrisur oder eine etwa zweieinhalb bis vier Zentimeter lange Ganzkörperschur. Der Gang zum Friseur ist etwa drei Mal pro Jahr angezeigt.
Sonst darf man selbst zur Bürste greifen und sollte das Löwchen je nach Fellbeschaffenheit alle zwei bis fünf Wochen mit passendem Shampoo und Conditioner waschen, da das Haar sonst verfilzt.
Gut gepflegt ist das Fell ein hervorragender Schutz gegen die Sommersonne und den kühlen Herbstwind. Auch wenn das Löwchen viel robuster ist, als es vielleicht den Anschein macht, sollte man ihm bei Regen doch ein Mäntelchen anziehen, damit es nicht nass bis auf die Haut wird.
Die Pflege und andere Bedürfnisse
Die übrige Pflege ist ein Klacks. Regelmässig Zähne auf Zahnstein überprüfen und bei Bedarf reinigen (lassen) sowie Krallen kontrollieren und bei Bedarf wieder kürzen. Auch gehören die Ohren regelmässig gezupft, sonst riskiert man eine Ohrenentzündung. «Das Zupfen», erklärt Familie Tröstl, «tut überhaupt nicht weh.»
Das Löwchen liebt täglich ausgedehnte Spaziergänge, auf denen es ausgiebig schnüffeln und laufen darf. Auch sonst ist es ein aufgeweckter, neugieriger kleiner Hund, der gerne bei allen Unternehmungen mit von der Partie ist.
Auch im Agility ist es erfolgreich unterwegs. Und gegen die eine oder andere Joggingrunde oder den Ausritt mit dem Pferd hat es nichts einzuwenden. Für letzteres sollte das Löwchen aber gut in Form sein.
Doch sollte man es nicht übertreiben und das Löwchen nicht mit einem Ausdauersportler verwechseln. «Und bitte mit solchen Dingen warten, bis das Löwchen ein Jahr alt ist, damit die Bänder und Gelenke erst richtig ausreifen können», mahnt Familie Tröstl.
Auch gibt es Löwchen, die nichts gegen Wind und Regen auszusetzen haben. Andere Rassevertreter hingegen verrichten dann rasch draussen ihr Geschäft und verbringen den Rest des Tages lieber drinnen.
Gesundheit
Grundsätzlich ist das Löwchen ein robuster Hund. Bekannte Probleme sind die Progressive Retinaatrophie (PRA), bei deren Verlauf die Netzhaut langsam abstirbt, sowie die Patellaluxation, bei der die Kniescheibe aus ihrer Führung springt. Seriöse Züchter achten bei der Verpaarung genau darauf, das Risiko für eine Erkrankung zu minimieren. Und es gibt auch Rasseklubs, wie beispielsweise der Zwerggriffon-Löwchen-Havaneser-Club Austria, der bei der Zuchtzulassung gesundheitliche Atteste verlangt. Im Fall der PRA wird sogar eine jährliche Wiederholung des Tests gefordert, sonst erhalten die Welpen keine Papiere.
Das Löwchen ist eine seltene Rasse und dementsprechend ist der Genpool relativ klein. Daher sind gute Züchter international verbandelt und scheuen auch keine aufwendige Reise für eine Verpaarung. Das mag für Nichtzüchter seltsam klingen, ist aber für die Gesundheit der Rasse unerlässlich.
Ein Hund für alle Fälle
Magdalena Tröstl betont: «Das Löwchen ist ein sehr anpassungsfähiger Hund. Es hat zwar seinen eigenen Kopf, will aber seinem Besitzer gefallen.» So kann es sowohl im Sport erfolgreich sein als auch als Therapiehund. Zwei Welpen, die die Familie Tröstl abgegeben hat, sind heute regelmässig in Altersheimen oder Institutionen für behinderte Kinder unterwegs.
Ob Sportskanone oder Familienhund, das Löwchen macht überall eine gute Figur. Sein Sinn für Humor macht es zu einem ausgezeichneten Familienhund und auch zu einem Fall für rüstige Senioren. Es ist anschmiegsam, gelehrig, ein bisschen wild, sehr verschmust und genauso zufrieden mit einem ausgiebigen Schnüffelspaziergang wie mit dem Nachmittagspicknick im Park. Hauptsache dabei und mittendrin.
Dass es im Auto fast keinen Platz beansprucht, im Zug in einer Tasche gratis mitreist und auch im Restaurant leicht unter dem Stuhl Platz findet, ist in der heutigen Zeit auch ein nicht zu verachtender Aspekt.
«Nur», mahnt die Familie Tröstl, «muss man das Löwchen von Anfang an ans Alleine-sein gewöhnen. Sonst schreit es das ganze Haus zusammen. Ferner neigt es dazu, die Klappe offen zu haben, was man ihm aber recht gut abgewöhnen kann.»
Trotzdem sollte man sich gut überlegen, ob denn auch dieser anpassungsfähige kleine Hund zu einem passt. Denn das Löwchen wird gut und gerne 14 Jahre alt und will auch als Tattergreis gut umsorgt sein. Ausserdem ist er ein ausgesprochener Schosshund, der, wie das Wort schon sagt, sehr gerne auf dem Schoss oder zumindest dem Sofa Platz nimmt, das gehört zum Löwchen dazu.
Zudem sollte man sich bewusst sein, dass für kleine Hunde die Welt immer noch etwas grösser ist. Man muss ihnen also noch etwas umsichtiger zeigen, dass andere Hunde kein Problem sind, und auch etwas mehr Rücksicht auf ihre körperliche Konstitution nehmen. Und sie auch mit eben dieser Umsicht an die Stadt, den Zug, kleine Kinder und grosse Hunde gewöhnen. Berücksichtigt man diese Punkte, hat man tatsächlich einen 25 bis 32 Zentimeter grossen Löwen an seiner Seite, der einen mit Herz und Frisur überallhin begleitet.
Text: Anna Hitz
Steckbrief Löwchen
F.C.I. Standard Nr. 233
Klassifikation: Gruppe 9 Gesellschafts- und Begleithunde Sektion 1.3 Bichons und verwandte Rassen ohne Arbeitsprüfung.
Schulterhöhe: 26 bis 32 cm, 1 cm mehr oder weniger ist erlaubt.
Gewicht: etwa 6 Kilo
Fell: seidig, lang, gewellt, dicht; ohne Unterwolle.
Farbe: Alle Farben oder alle kombinierten Färbungen sind erlaubt.
Konstitution: Das Löwchen ist ein kleiner, quadratisch gebauter Hund. Intelligent, voller Elan und mit lebhaftem Ausdruck. Insgesamt robust mit gutem Knochenbau, hoch getragenem Kopf und windhundartiger Silhouette. Der stolze und forsche Gang wird durch seine flatternde Mähne und die löwenartige Schur betont.
Pflege: Sollte mehrmals wöchentlich gebürstet werden. Mehrmals pro Jahr wird das Fell fachmännisch geschoren. Sowie tägliches Befreien von Verschmutzungen. Zähne putzen sowie regelmässiges Krallenschneiden.
Haltung: Bei genügend Auslauf für Wohnung und Haus geeignet.
Anfälligkeit: Progressive Retinaatrophie und Patellaluxation.
Lebenserwartung: bis 14 Jahre
Für weitere Informationen:
Schweizerischer Zwerghunde-Club: www.zwerghunde.ch
Zwerggriffon-Löwchen-Havaneser-Club Austria: www.gesellschaftshunde.at