Das Italienische Windspiel

Wenn man mit einem Italienischen Windspiel die Strasse hinabläuft, ist einem die Aufmerksamkeit aller Passanten gewiss. Kinder bleiben stehen und schauen mit grossen Augen. Frauen geben einem ungebeten Fütterungsratschläge. Und die Männer sind hin- und hergerissen zwischen Faszination und Unverständnis. Somit wären wir bei der ersten Eigenschaft, die Sie besitzen müssen, um sich eines Italieners für würdig zu erweisen. Ertragen Sie nämlich keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, sind Sie mit einem Windspiel schlecht beraten. Wollen Sie jedoch durch geschicktes Teamplay alle Blicke auf Ihrer Seite haben, könnte es der richtige Begleiter sein.

Text: Anna Hitz

Steckbrief Italienisches Windspiel

Schulterhöhe: 32‒38 cm

Gewicht: max. 5 Kilo

Farbe: uni schwarz, blau, isabell, weisse Abzeichen an Brust und Pfoten zulässig

FCI Gruppe: 10 (Windhunde)

Lebenserwartung: oft mehr als 15 Jahre

Historischer Exkurs

Denn das Italienische Windspiel ist originell. Das wusste nicht nur Etienne Aigner, als er es 2013 für seine Werbekampagne nutzte und auch gleich Kleidungsstücke damit bedruckte. Die Grossen und Mächtigen lassen sich schon lange durch die Geschichte der Menschheit vom Italiener begleiten. Ludwig XIII., Katharina die Grosse und Lobengula, der letzte Matabelekönig, schätzten seine Gesellschaft. Letzterer soll in Johannesburg auf das Windspiel aufmerksam geworden sein und dem Besitzer dafür 200 Stück Vieh bezahlt haben.

Ob das Windspiel tatsächlich schon bei Kleopatra im alten Ägypten gezüchtet wurde, ist Spekulation. Die genetische Aufstellung von Heidi Parkers (Genetikerin) Team lassen vermuten, dass das Windspiel ein okzidentaler Typ (europäischer Windhund) ist, der sich aus alten Hunderassen etwa zeitgleich wie die anderen grossen europäischen Windhunde entwickelt hat. Italien wird als Heimat des Windspiels genannt und durch die italienischen Künstler kam es zu seinen Namen.

Spannend ist, dass das Windspiel auf älteren Abbildungen gefleckt ist. Was laut Rüdiger Daub, Kynologe und Buchautor, bis ins 20. Jahrhundert auch in Europa normal war. Erst durch Baron Houtart, der das Windspiel als Kleinzüchtung des Sloughis betrachtete, wurde der FCI-Standard so angepasst, dass nur noch einfarbige Windspiele zur Zucht zugelassen werden. In Amerika und England gibt es bis heute zweifarbige Windspiele, die auch langsam in Europa wieder Fuss fassen.

Bis in alle Ewigkeit verknüpft mit den kapriziösen Jägern ist Friedrich der Grosse (1712–1786). Er hatte stets mehrere Windspiele um sich. Sein Liebling durfte bei ihm im Bett schlafen und wurde von seiner Hand gefüttert. Die anderen waren Gespielen des Favoriten. Der Alte Fritz war auch ein begeisterter Züchter, der im «Jägerhof» bei Potsdam nie weniger als 40, manchmal aber auch 70 bis 80 Windspiele hatte. Die berühmtesten seiner Hunde waren Biche und Alcmene, die ihm bei Staatsentscheiden halfen, politische Unruhen verursachten und den König in den Krieg begleiteten. Den Favoriten wurde die Ehre zuteil, in seiner persönlichen Gruft in Sanssouci zur letzten Ruhe gebettet zu werden.

Das Windspiel war aber auch ein Jagdhund, der zur Hasen- und Beizjagd, der Jagd mit dem Falken, verwendet wurde, wie Daub zu berichten weiss. Dabei wurden die grösseren jagdlich eingesetzt und die kleineren den Damen übergeben. Als jedoch im 19. Jahrhundert die englischen Arbeiter den Whippet aus Greyhound, Windspiel und Terrier erschufen, bekam der Italiener Konkurrenz. Der Whippet gewann rasch an Beliebtheit und das Windspiel wurde zum Schosshund degradiert. Diese neue Mode hätte die Rasse fast zerstört, denn die Züchter schreckten vor nichts zurück, um möglichst kleine Hunde zu bekommen. Laut Räber waren die Windspiele vor dem Ersten Weltkrieg vom Nanoismus (Verzwergung) stark gezeichnet. In den 20er-Jahren wurden Whippets eingezüchtet, um die Rasse vor dem Niedergang zu bewahren. Schliesslich gelang es den Züchtern wieder, eine körperlich robuste Rasse zu etablieren.

Gesundheit

Das Windspiel erfreut sich guter Hüften, gesunder Lungen und eines starken Herzens. Es wird im Schnitt 12 bis 15 Jahre alt und bleibt auch fast so lange jung. Ganz verschont von Krankheiten blieb auch diese Rasse nicht. So müssen die Zähne immer kontrolliert werden, denn wie viele kleine Hunderassen neigt das Windspiel zu Zahnausfall. Bei guter Pflege kann dieser jedoch verhindert werden. Bekannt sind ferner Epilepsie, Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Color Dilution Alopecia (Hauterkrankung), Kryptorchismus (Hodenhochstand), Progressive Retina-Atrophie (Augenerkrankung), Juveniler Katarakt (Grauer Star beim jungen Hund), Patella-Luxation (Verlagerung der Kniescheibe) sowie autoimmune und immune Erkrankungen. Acht geben muss man in der Welpen- und Junghundezeit auf die Beine. Windspielwelpen sind tollkühn und glauben, vermutlich wegen der mangelnden Erdanziehungskraft, dass sie fliegen können. Bis sie den Umgang mit ihrem Körper gelernt haben, brechen sie sich leicht die Beine. Wenn der Italiener der richtige Hund für Sie ist, kaufen Sie ihn von einem Züchter, der die verschiedenen Probleme kennt und seine Zucht entsprechend umsichtig führt. Sie tun sich, dem Hund und der Rasse einen grossen Gefallen.

Aussehen

Der Italiener ist vielleicht nicht gross, aber trotzdem spektakulär. Windschnittig, leistungsstark und mit einem unökonomischen Verbrauch drängt sich der Vergleich mit einem Sportwagen geradezu auf. Er ist leicht und auf Geschwindigkeit ausgelegt. Für den Besitzer bietet er wenig Luxus, stellt aber höchste Ansprüche an die Pflege. Auch braucht man das nötige Kleingeld, um sein Bedürfnis nach Komfort zu stillen. Mit seinem dünnen Fell, den langen Beinen, der dünnen Haut und den empfindlichen Pfoten ist er ein Kandidat für wärmere Temperaturen. Nichtsdestotrotz gibt es auch in den nördlichsten Breitengraden glückliche Windspiele. Es ist eben alles Gewohnheitssache.

Das Windspiel wird etwa bis 5 Kilo schwer und hat eine Schulterhöhe von 32–38 Zentimetern. Abweichungen nach oben werden zwar weder im Ausstellungsring noch im Rassestandard toleriert, sind aber der Robustheit des Windspiels durchaus zuträglich. In Amerika und England trifft man auf kräftigere Exemplare wie auch auf zweifarbige. Bei uns sind die Windspiele uni: schwarz, grau oder isabelle. Erlaubt sind weisse Abzeichen an Brust und Pfote.

Hobbys

Der Italiener lässt sich leicht für neue Hobbys begeistern: Hauptsache sie haben mit Bewegung zu tun. Sie machen ihm eine Freude, wenn Sie ihn in einem der verschiedenen Rennvereine starten lassen. Und wer das Windspiel von der Rennbahn oder dem Coursing kennt, weiss, dass es sich dabei um einen passionierten Jäger handelt. Als typischer Sichtjäger ist es reizorientiert und kann einem vorbeifliegenden Vogel oder einer springenden Katze schwer bis gar nicht widerstehen. Es liebt das offene Feld und hat kein Interesse daran, sich durch das Dickicht oder den Wald zu schlagen.

Windspiele sind auch keine Landschaftsgärtner, die Ihnen im Handumdrehen den Garten umgraben. Trotzdem sind sie geschickte Mäusejäger, die die Nager mit ihrem feinen Gehör orten und dank ihrer Sprungkraft erlegen. Das sind vielleicht keine Eigenschaften, die Jägerherzen höher schlagen lassen, aber für den normalen Hundebesitzer hat das schon seine Vorteile. Rehe und Füchse interessieren den Italiener rein grössentechnisch nicht und umgekehrt genauso wenig.

Nicht nur deshalb ist er für Reiter eine interessante Rasse. Auch weil er spielend auf dreistündige Reittouren mitkommt und sich darüber freut, im Pferd einen ebenbürtigen Partner gefunden zu haben. Denn gut trainierte Windspiele erreichen eine Geschwindigkeit von 42 Kilometern pro Stunde und mehr.

Oder sind Sie eine sportliche Person und wünschen sich einen Sparringpartner? Diese Leichtgewichte sind beim richtigen Training absolute Ausdauersportler, die Sie zum Langlaufen, Joggen oder Wandern begleiten.

Aber auch gegen die Hundeschule hat der Italiener nichts einzuwenden. Er kann Agility, Obidience und Longieren durchaus etwas abgewinnen. Vorausgesetzt, er darf mitdenken. Wollen Sie ihn hingegen zwingen, wird er sich schlicht und ergreifend verweigern.

Zuhause

Obwohl er ein luxusorientierter Hund ist, wird das Windspiel bei viel Bewegung sowohl in der städtischen Zweizimmerwohnung wie auch im Landhaus glücklich. Für ihn zählen nicht die Quadratmeter, sondern die Anzahl weicher Kissen. Direkte Sonneneinstrahlung und Bodenheizung sind äusserst willkommen. Doch eigentlich will er sich an Sie oder einen anderen Hund schmiegen. Ach ja, es stimmt, Windspiele wollen im Bett unter der Bettdecke liegen. Wieso sie nicht ersticken? Keine Ahnung.

Sollten Sie auf der Suche nach einem Wachhund sein, werden Sie beim Windspiel nicht fündig. Bei unbekanntem Besuch steht es gar nicht erst auf. Sind es jedoch gute Freunde, wird die Begrüssung umso enthusiastischer ausfallen.

Pflege

Da das Fell kurz ist, muss man es kaum bürsten. Trotzdem kann der Italiener auf Spaziergängen schmutzig werden. Am besten rubbelt man ihn mit einem Handtuch sauber oder duscht ihn rasch ab. Die Krallen müssen regelmässig geschnitten werden. Die Zähne putzt man im Idealfall täglich. Windspiele können bei der Ernährung sowohl Vielfrasse wie Suppenkasperl sein. Wie auch immer, es gilt zu bedenken, dass sie kleine Mägen haben und einen grossen Energiebedarf. Es bietet sich an hochwertiges Futter zu geben, von dem bereits kleine Rationen ausreichen. Zudem sollte man das Windspiel zwei, eventuell dreimal am Tag füttern. Kausachen sind wie bei allen Hunden sehr wichtig. Neben dem positiven Effekt auf die Nerven (Kauen beruhigt) wird der ohnehin dürftige Speichelfluss des Windspiels angeregt, was gut für die Zahnhygiene ist.

Bewegung ist ein Grundbedürfnis und täglich ausgedehnte Spaziergänge bei jeder Witterung sind ein Muss. Bei empfindlichen Exemplaren gehören funktionale Hundemäntel zur Grundausstattung. Das Windspiel baut rasch Muskeln auf, verliert sie bei mangelnder Bewegung aber noch viel schneller. Übergewicht schadet der Gesundheit des Italieners und ist äusserst unschön. Er ist ein Athlet und will es auch zeigen.

Besondere Eigenschaften

Windspiele sind bereits durch ihre Anatomie sehr sensible Hunde. Man muss sie von Kindsbeinen an gut und sorgfältig sozialisieren, ansonsten neigen sie gegenüber Fremden/Fremdem zu neurotisch anmutenden Bellattacken und können auf ihren langen Beinen die Flucht ergreifen. Machen Sie Ihre Arbeit hingegen gut, werden Sie einen munteren Begleiter auf dem Land wie in der Stadt haben, der sein Nickerchen auch in einer grösseren Handtasche macht.

Sie sind sehr angenehme Hausgenossen mit einem ausgeprägten Sinn für Humor, die viel schlafen und ihren Spieltrieb lange behalten. Ach ja, Windspiele können heulen. Sie können mit Ihnen heulen, wenn Sie ein Lied zum Besten geben, oder über Sie, wenn Sie zu lange ausser Haus sind.

Auch die Stubenreinheit erfordert Ihrerseits eine besondere Beobachtungsgabe, Sportlichkeit und Sturheit. Gerade in der Welpenzeit scheinen diese Hunde nur aus Wasser zu bestehen und man lebt in ständiger Unruhe, einen der vielen Momente zu verpassen.

Erziehung

Wie alle Hunde profitiert auch das Windspiel von einer guten Erziehung. Ist es folgsam, werden Sie ihm eine Menge Freiheiten schenken können. Eigentlich ein Kinderspiel, denn sie sind wirklich gelehrig. Sie brauchen aber einen ebenso konsequenten wie auch liebevollen Erzieher. Positive Konditionierung wirkt wahre Wunder auf diese zum Teil etwas unsicheren Vierbeiner. Trotzdem gehört auch ein strenges Nein mit ins Repertoire, ansonsten tanzen sie Ihnen mit ihren langen Beinen ganz schön auf der Nase herum. Dann ist da noch die Sache mit dem Vertrauen, denn erst wenn Sie das gewinnen, wird der Italiener alles, aber wirklich alles für Sie tun.

Wenn Sie diese Gratwanderung zwischen Vertrauen, Erziehung und Sozialisierung gut gemeistert haben, werden Sie verstehen, wieso Liebhaber dieser Rasse alles mit einem Lächeln auf sich nehmen. Sie bekommen einen Hund der besonderen Art: Einen der Sie mit seinem sportlichen Herzen mehr liebt, als Sie es je für möglich gehalten hätten; einen, der sich in allen Situationen für Sie überwindet; einen, der Sie durch alle Lebenssituationen leichten Fusses begleitet.

Vielleicht hat Friedrich der Grosse deshalb gesagt: «Hunde haben alle guten Eigenschaften des Menschen, ohne gleichzeitig deren Fehler zu besitzen.

 

geschrieben von:
Anna Hitz

Anna Hitz

Anna Hitz (Jg. 1983) und ihre Familie leben mit einem Irish Terrier, einem Italienischen Windspiel und einem Spanischen Windhund unter einem Dach. Das Leben im Hier und Jetzt, die Freude und Ruhe bewundert und geniesst sie an ihren Hunden. Ausserdem liebt sie es neue Menschen und Tiere kennenzulernen und von ihnen Neues zu erfahren. Das hat bisher zu zahlreichen Artikeln und Kolumnen über Hunde und Katzen geführt, wie zu einem Roman und einigen Kurzgeschichten über Menschen.

5 Kommentare zu “Das Italienische Windspiel

  1. Siebner Sabine

    sehr schön geschriebener Artikel über das italienische Windspiel. Selten ein so ,die Rasse treffenden Artikel gelesen !! Danke dafür , den es ist wirklich eine bezaubernde Rasse und das soll auch so bleiben 🙂
    Liebe Grüße

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  2. Holthoff Sabina

    Hallo liebes Team,
    echt gute Sache dieser Beitrag.
    Doch bitte immer gut prüfen !!! Die Farben bei dem Windspiel sind nicht korrekt !!!!
    Es gibt kein Blau-sondern Grau !!
    Einige Richter nehmen es sehr genau !
    Nicht böse sein,wollte nur helfen..
    Macht bitte weiter…
    lg.
    s.Holthoff
    lg. s.Holthoff

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  3. Brigitte Winkler

    Genau auf den Punkt !
    So sind sie, unsere Spielchen und gut, dass auch endlich wieder die „Bunten“ zu sehen sind.

    Antworten
  4. Claudia Bravin

    Super Bericht! Stimmt alles, bis auf die Sache mit den Rehen und Füchsen. Meine beiden sind der festen Überzeugung, das, wenn sie in den Spiegel gucken, einen großen Greyhound sehen und kein Windspiel. Folgerichtig sind Reh und Fuchs nicht zu groß zum Bejagen………………….

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  5. Michael Arnold

    Auch ich will mich den anderen positiven Kommentaren gerne anschliessen. Mein Paul ist allerdings 42 cm Hoch und wiegt acht Kilo. Er ist verspielt, schläft unter der Bettdecke (Warum er nicht erstickt ist mir auch ein Rätsel), und erreicht neben mir am Fahrrad schon Geschwindigkeiten über 43.

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