Brainfood für Hunde? Der Einfluss der Ernährung auf das Verhalten

BARF? Fertigfutter? Kochen für den Hund? Unter Hundehaltern wird die Frage nach der richtigen Fütterung heiss diskutiert und die eigene Meinung wird mit beinahe fundamentalistischem Eifer vertreten. Meist geht es in diesen Diskussionen um das «Wie», seltener um das «Was». Dabei haben die Inhaltsstoffe der Hundenahrung, egal ob roh oder gekocht, einen grossen Einfluss auf das Verhalten eines Tieres, denn welche verhaltensbeeinflussenden Botenstoffe und Hormone gebildet werden, hängt massgeblich davon ab, welche Grundbaustoffe dafür man dem Hund füttert.

Text: Sophie Strodtbeck

Viel Protein = gutes Futter?

Für viele Hundehalter ist ein hoher Gehalt an Protein gleichbedeutend mit einem qualitativ hochwertigen Futter. Doch ist das wirklich so? Wofür braucht es Protein, wie wirkt es sich auf den Hund aus?

Protein ist Eiweiss, das in jeder Körperzelle vorhanden und dadurch eine lebenswichtige Komponente von Nahrung ist. Hunde, die körperlich sehr beansprucht werden, oder zum Beispiel Welpen im Wachstum haben einen höheren Bedarf, um ihre Substanz zu erhalten. Je beanspruchter ein Hund körperlich ist, desto höher ist sein Proteinbedarf. Beansprucht werden heisst aber nicht «zweimal die Woche Agility machen», denn das ist für einen erwachsenen, gesunden Hund ein «Klacks».

Anders bei einem Husky, der für Rennen trainiert wird, oder einem altdeutschen Hütehund, der beim Hüten enorme Strecken zurücklegt und den ganzen Tag auf Achse ist. Auch besondere Leistungen erhöhen den Eiweissbedarf. Hierzu zählen Krankheit oder die Erholungsphase nach einer Erkrankung, Trächtigkeit und Laktation. Entscheidend für die Proteinversorgung ist neben der Menge des Proteins auch seine Qualität. Werden zu wenig Kohlenhydrate und Fette gefüttert, wird Protein nicht nur zum Aufbau der Zellen, sondern auch als direkter Energielieferant verwendet.

Der kleinste Baustein von Eiweiss sind die Aminosäuren. Insgesamt sind bisher 22 Aminosäuren bekannt. Wichtig sind die sogenannten essenziellen Aminosäuren, denn diese sind für den Lebenserhalt notwendig
und können vom Hund nicht selber aufgebaut, sondern müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Ein paar dieser essenziellen Aminosäuren werden uns im Verlauf dieses Artikels erneut begegnen, wenn es um die
Verhaltensbeeinflussung durch die Fütterung geht.

Aber nicht nur die Eiweisszusammensetzung der Ration, sondern auch der Proteingehalt hat einen Einfluss auf das Verhalten. Roger Mugford wies nach, dass eine Reduktion des Proteingehalts der Gesamtration auf 15 bis 18 Prozent zu weniger aggressivem Verhalten bei Hunden führt. Andererseits berichten viele Hundehalter, dass eine Steigerung des Proteingehalts bei ihren Hunden eine verstärkte Aggressivität und auch Aktivität ihrer Hunde nach sich zieht. Ich kann das bei meinen Beagles nur bestätigen. In Mugfords Studie zeigte sich, dass vor allem bei territorialer Aggression durch eine Senkung des Proteingehalts eine Besserung des Verhaltens erzielt werden kann (Mugford 1987).

Umso unverständlicher ist es, dass an vielen Fronten Kohlenhydrate im Hundefutter verteufelt werden und nur ein Hundefutter, das einen hohen Proteingehalt aufweist, als qualitativ hochwertig gilt. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass Hunde keine reinen Fleischfresser, sondern vielmehr Carni-Omnivoren, also Fleisch- und Allesfresser sind! Eine aktuelle Studie zeigte, dass Hunde im Gegensatz Wölfen sehr wohl in der Lage sind, Kohlenhydrate zu verdauen, und eine andere Zusammensetzung der Verdauungsenzyme besitzen. Drei Enzyme, die für die Spaltung und Umwandlung von Stärke benötigt werden, kommen beim Hund in deutlich grösseren Mengen vor als beim Wolf und weisen eine wesentlich höhere Aktivität auf. Dies deutet darauf hin, dass die Anpassung der Fleischfresser an eine stärkehaltige Nahrung ein entscheidender Schritt in der frühen Domestikation der Hunde gewesen sein könnte. Die Evolution ist also nicht spurlos am Hund vorbeigegangen. Alles andere wäre auch erstaunlich … Dass Hunde keine Kohlenhydrate verwerten oder bekommen sollen, gehört also in die Schublade der Irrtümer und Mythen.

Lesen Sie den ganzen Artikel von Sophie Strodtbeck im Schweizer Hunde Magazin 3/2015.

geschrieben von:
Sophie Strodtbeck

Sophie Strodtbeck

Sophie Strodtbeck (*1975) hat ihr Studium 2002 an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Tierärztin abgeschlossen. Berufserfahrung sammelte sie in verschiedenen Praxen. Seit längerer Zeit ist sie in einer Hundeschule für tiermedizinische Belange zuständig und bietet zusammen mit Udo Ganslosser verhaltensmedizinische Beratungen an. Nebenher schreibt sie Artikel für diverse Hundezeitschriften und teilt ihr Leben derzeit mit vier eigenen Hunden.

Ein Kommentar zu “Brainfood für Hunde? Der Einfluss der Ernährung auf das Verhalten

  1. Ruedi Bosshart

    «…dass eine Reduktion des Proteingehalts der Gesamtration auf 15 bis 18 Prozent…»
    Das heisst folglich, eine Reduktion von 82-85%.

    Schöne Grüsse
    Ruedi Bosshart

    Antworten

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