Bloodhounds in the Mist

– «Anti-Poaching Tracking Dog Unit» zur Rettung der Berggorillas

Der Virunga National Park im Kongo gehört zu den ältesten und schönsten der Welt. Seine Bewohner, zu denen die vom Aussterben bedrohten Berggorillas und die seltenen Waldelefanten zählen, werden allerdings nach wie vor von skrupellosen Wilderern verfolgt und getötet. Die Schweizer Tierärztin Marlene Zähner wurde vom Direktor des Nationalparks Emmanuel de Merode angefragt, ihm beim Aufbau einer Anti-Poaching Dog Unit zu unterstützen. Im Februar dieses Jahres begleitete Merlene Zähner sechs Bloodhound-Welpen in den Kongo. Im Schweizer Hunde Magazin berichten wir laufend über den Verlauf und hoffentlich auch den Erfolg dieses Projektes.

Text: Marlene Zähner

Mikeno Sektor, Virunga National Park, Sonntag, 6. März, 10 Uhr – Sanfte dunkle Augen schauten mich an, ruhig und unendlich unschuldig der Gesichtsausdruck. In den Armen ein kleines Baby, welches in der warmen Geborgenheit der mütterlichen Brust friedlich schlief. Nur wenig daneben ein junger Mann, der gedankenverloren an einem Zweig kaute. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Nur ganz wenigen Menschen ist es vergönnt, diese wunderbaren Wesen aus nächster Nähe zu sehen. Wird ihr Lebensraum weiter zerstört und werden sie Opfer skrupelloser Wilderer, dann wird dies auch nicht mehr vielen Menschen gönnt sein. Die Berggorillas Zentralafrikas – die Letzten ihrer Art.

Kleindöttingen, Schweiz, Montag, 3. Januar – «Hier spricht Emmanuel de Merode. Ich bin der Direktor des Virunga National Parks im Kongo. Wir möchten eine Anti-Poaching Tracking Dog Unit (Wilderersuchhund-Gruppe) zum Schutz von Berggorillas und Elefanten aufbauen und Sie wurden uns als Expertin für die Ausbildung von Mantrailern empfohlen. Wären Sie bereit, uns bei diesem Projekt zu unterstützen?»

Brüssel Airport, Sonntag, 27. Februar – Die hübsche 14 Wochen alte Bluthündin Stella zog die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich, als sie verloren im grossen Vari-Kennel sass und auf die Rückkehr ihres Züchters, des Spaniers Armando, wartete. Armando war am Vortag mit ihr angereist und hatte sich früh Morgens mit mir zur Übergabe getroffen. Es blieb wenig Zeit, da er schon bald wieder den Rückflug antreten musste. Stella würde die nächsten 24 Stunden in meinem Hotelzimmer verbringen, während ich gemeinsam mit dem Amerikaner und Parkmitarbeiter Robert William die vier Welpen aus Nordamerika, die soeben aus Chicago eingetroffen waren und im «Zoo» des Brüsseler Flughafens den Weiterflug abwarten mussten, betreute. So komfortabel wie Stella hatten es die vier Amerikaner allerdings nicht, aber wir konnten zumindest sicherstellen, dass sie Bewegung, Futter, Wasser und einen sauberen Zwinger bekamen. In der Zwischenzeit reinigten wir ihre Flugboxen und verschmutzten Betten. Stella, nicht ganz zufrieden mit unserer Abwesenheit, sorgte unterdessen dafür, dass die Hotelgäste neben meinem Zimmer umzogen, um dem jämmerlichen Geheul zu entgehen. Hundefreundlich wie das Hotelmanagement war, durfte die kleine Hündin am Abend mit uns ins Restaurant, wo sie selig unter dem Tisch schlief, nichts ahnend von der bevorstehenden langen und abenteuerlichen Reise.

Brüssel Airport, Montag, 28. Februar, 6 Uhr – Um weiteren Ruhestörungen vorzubeugen, hatte ich die Züchter des sechsten und jüngsten Welpen, der kleinen Carla, gebeten, uns um 6 Uhr früh im Hotel zu treffen und die beiden Hündinnen zu betreuen. Während Robert und ich einmal mehr mit dem Bus quer durch das Flughafenareal zum Frachtbüro fuhren und dort, gegen die Windmühlen der Frachtadministration ankämpfend, versuchten, die vier Amerikaner, Lily, Dodie, Sabrina und Lila rechtzeitig auf den Flug nach Kigali (Ruanda) einzuchecken. Die Minuten vergingen, während die Frachtmitarbeiter unendlich langsam die notwendigen Papiere ausfüllten, uns die meiste Zeit ignorierten und uns langsam, aber sicher die Panik überkam.

Brüssel Airport, Montag, 28. Februar, 8.30 Uhr – Die Warteschlange vor dem Check-in-Schalter war relativ kurz, da wir sehr spät angekommen waren. Robert mit seiner Reisetasche voller Hundefutter, ich mit zwei Gepäckstücken voller Vitamin-Mineraltstoffe-Produkten, Leinen, Hundespielzeug, Putzmittel, Robidogrollen, Erste Hilfematerial und natürlich noch mehr Hundefutter für die Reise, alles in allem 15 Kilo notwendiges Übergewicht. Daneben die zwei Vari-Kennels mit den beiden Welpen und dem belgischen Züchterpaar, dem der Abschied von ihrer Carla sichtbar schwer fiel. «Es handelt sich hier um eine gute Sache, ihr könnt durch» sagte der Check-in-Agent. Wow, es scheint, die Engel reisen mit uns!

Kigali Flughafen, Ruanda, Montagabend, 19.30 Uhr – Die sechs Vari Kennels mit ihren Bewohnern standen fein säuberlich nebeneinander gereiht in der Ankunftshalle, während das Flughafenpersonal mit ungläubigem Blick die Hunde und deren, in ihren Augen völlig verrückten Begleiter betrachteten. Inzwischen schaute der Zollbeamte hilflos auf die Importpapiere und Gesundheitszeugnisse und schien nicht die geringste Ahnung zu haben, was genau er damit anzufangen hatte – wir leider auch nicht. Irgendwann winkte er uns dann mit resignierter Miene durch, übergab uns mit einem Schulterzucken die Papiere und wies uns an, den Flughafen mit den Hunden zu verlassen. Leichter gesagt, als getan. Sechs grosse Hundeboxen, drei Koffer und zwei Personen. Der Rest stand da und schaute zu. Wir schoben und zogen, drückten und quetschten eine Box nach der anderen durch die Ausgangstüre des «Zolls» und hielten nach unserer Transportmöglichkeit Ausschau.

Kigali, Ruanda, Privathaus, Montagabend, 23 Uhr. – Der letzte Teil unserer Reise vom Flughafen bis zu unserem Nachtquartier, dem Privathaus der Chefin Sicherheit der amerikanischen Botschaft, stellte uns vor weitere Probleme. Wie sollten wir sechs Vari Kennel mit Hunden, drei Gepäckstücke und zwei Personen in den bereitstehenden Minibus laden? Daneben ein Dutzend Zuschauer, die mit keinem Gedanken daran dachten, uns zu helfen. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, bis sich zwei lächelnde Chinesen aus der Reihe der Zuschauer lösten und uns halfen, die Hundeboxen entsprechend den klugen Anweisungen des Fahrers in dieses unmöglich kleine Fahrzeug zu quetschen. Die weiteren Stunden verbrachten wir damit, die jungen Hunde im eingezäunten und bewachten Garten auszuführen, zu füttern und spielen zu lassen. Ihr nächtliches Domizil, eine unbenutzte Garage, sah danach aus, als ob ein Sturm ausgebrochen wäre.

Kigali, Ruanda, Privathaus, Dienstagmorgen, 10 Uhr – Nach einer sehr kurzen Nacht mit wiederkehrenden Ruhestörungen aus dem unteren Stockwerk in Form eines gemeinschaftlichen Heulens hatten wir den ganzen frühen Morgen mit der Pflege der Hunde, Reinigung der Boxen, Waschen der Hundebetten und Füllen von Wasserflaschen verbracht. Einmal mehr vollbrachte unser Fahrer das Kunststück, alles in den kleinen Minibus zu laden. Wir verabschiedeten uns von unserer Gastgeberin und machten uns auf den Weg Richtung Kongo, einer drei Stunden dauernden Fahrt durch das «Land der hundert Hügel und tausend Lächeln», wie der Werbeslogan der ruandischen Regierung verspricht.

Mountain Gorilla Veterinary Project (MGVP), Hauptquartier, Musanze, Ruanda, 12 Uhr – Der Garten war ein kleines Paradies. Endlich durften die Hunde sich ein wenig bewegen, spielen und versäubern. Auch uns Reisebegleitern bot das freundliche Team der «Gorilla»-Tierärzte willkommene Erfrischungen an. Alle hatten Spass, ausser die hauseigenen Hunde, die zerknirscht auf der anderen Seite des Zauns die vierbeinigen Ankömmlinge misstrauisch beäugten.

Ruandisch-kongolesische Grenze am Kivusee, Dienstagabend 18 Uhr – Seit über vier Stunden sass ich nun schon im Minibus und schaute dem Treiben an der Grenze zum Kongo zu. Um den Minibus scharte sich eine nicht kleiner werdende Traube von Neugierigen. Die Hunde hielten sich verhältnismässig ruhig, während ich dafür sorgte, dass sie genügend Wasser hatten und sich nicht überhitzten. Meine Reisebegleiter Robert und LuAnne, die seit Musanze mitgereist war (irgendwie auf den Vordersitz neben Robert gequetscht), hatten schon vor Stunden zu Fuss die Grenze überquert und erwarteten uns auf der anderen Seite. Ich war als die betreuende Tierärztin bei den Hunden geblieben. In regelmässigen Abständen kam Ephrem, einer der leitenden Mitarbeiter des Parks, zum Wagen: «Marlene, wir haben ein Problem, aber wir arbeiten daran, Geduld!»

ICCN-Compound, Goma, Kongo, Dienstagabend, 21 Uhr – Endlich konnten wir den Zoll passieren. Das fehlende Dokument, das uns der überforderte Zollbeamte am Flughafen in Kigali vorenthalten hatte, wurde nachgeliefert. Der Grenzübertritt auf die kongolesischen Seite verlief verhältnismässig einfach, aber uns erwartete ein noch viel grösseres und ernsthafteres Problem – die Dunkelheit. Nachts durch den Kongo zu fahren ist gefährlich. Hotels nehmen keine Hunde an. Den Vorschlag, die Hunde in einem ICCN-Compound (geschützter Park/Grundstück) und uns in einem Hotel unterzubringen, hatte ich für meine Person abgelehnt. «Ich lasse die Hunde auf gar keinen Fall alleine!» Offensichtlich eine Lösung, die dem Direktor des Virunga Parks nicht behagte. So kam es, dass er einige Stunden später mit einer schwer bewaffneten Eskorte in den dunklen, eingezäunten Hof des ICCN-Compound fuhr, die uns sicher nach Rumangabo begleiten sollte. Die Hundeboxen wurden auf einem typisch hohen afrikanischen Lastwagen auf den quergestellten Bankreihen festgezurrt und ihre Bewohner schaukelten die letzte Wegstrecke auf holperiger Strasse zu ihrer neuen Heimat.

Mikeno Sektor, Virunga National Park, Sonntag, 6. März, 10 Uhr – Mehrere Tage waren vergangen. Die Hunde hatten ihr noch provisorisches, aber durchaus komfortables Heim bezogen und wurden liebevoll rund um die Uhr von den eigens für diesen Zweck ausgewählten zukünftigen Hundeführern Christian, Kasareeka, Aime und Alex betreut. Völlig unerfahren im Umgang mit Hunden, hatten sie sich als sehr talentierte, aufmerksame Schüler erwiesen, die mit ihrer feinen empathischen Art schnell eine gute Beziehung zu den Hunden aufbauten. Ich übte Leinenlaufen, Hundebetreuung und -pflege, erstellte den Fütterungsplan, der ausschliesslich aus Frischprodukten vom lokalen Markt besteht und plante den Tagesablauf bis zu meiner Rückkehr und der Aufnahme der Ausbildung im Mai.

Alles, was dieses Projekt, ja der ganze Park braucht, wird durch Spenden und Fremdgelder finanziert und muss gebaut oder importiert werden, da es im Kongo nicht erhältlich ist. Eine ungeheure Aufgabe, die Emmanuel de Merode und sein Team übernommen haben. Das alles ist ohne die Hilfe der internationalen Gemeinschaft, ohne die Hilfe von jedermann/-frau, dem die Zukunft dieser Perle Afrikas, des Nationalparks und Unesco-Welterbes Virunga im Kongo und seiner Bewohner, am Herzen liegt, nicht möglich.

Ich schaue ein letztes Mal in die dunklen Augen der Gorilla-Mutter und teile ihr in Gedanken mit: Ich komme zurück und ich werde alles tun, was in meiner Kraft steht, um dich und deine Familie zu retten und euren Lebensraum zu erhalten!

Falls Sie das Projekt unterstützen möchten:
Hypothekarbank Lenzburg AG, 5600 Lenzburg, Virunga Dog Unit, 8967 Widen, IBAN: 88 0830 7000 2342 4931 5, 50-69-8

Hier können Sie den Artikel aus dem Magazin als PDF ansehen

geschrieben von:
Dr. med. vet. Marlene Zähner

Dr. med. vet. Marlene Zähner

Dr. med. vet. Marlene Zähner ist Tierärztin mit Spezialgebiet Fortpflanzung, Hundezucht und Tierschutz und war während vieler Jahre Assistentin am Tierspital Zürich. Sie lebte mehrere Jahre in den USA. Seit Juni 1999 ist sie Geschäftsführerin der Stiftung für das Wohl des Hundes. Marlene Zähner züchtet seit 1989 Bloodhounds und seit 1996 Scottish Terrier. Sie bildet Personensuchhunde für die Polizei- und Rettungsarbeit aus und ist Präsidentin des Basset- und Bloodhound-Clubs der Schweiz (BBCS). www.certodog.ch

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